Weisheiten

Lesedauer: 2 Minuten

Allgemein halte ich nicht sonderlich viel von gesammelten Weisheiten, die auf Denkzetteln präsentiert werden. Denn oftmals werden sie aus dem Kontext gerissen und bleiben die Lesenden mit ihrer Beschäftigung an der Oberfläche.

Wie ich an anderer Stelle bereits ausgeführt habe, ist meine Sicht differenziert: Wenn Wählen nichts ändert, ändert Wählen auch nichts. Sprich: Es sollte einfach um andere Dinge gehen… Aus anarchistischer Perspektive ist das Wahlspektakel vor allem insofern relevant, als dass die daraus hervorgehenden Widersprüche, wie auch die sogenannte „Politikverdrossenheit“ von Menschen thematisiert und aufgegriffen werden kann. Der entscheidende Schritt ist aber, Möglichkeiten alternativer gesellschaftlicher Organisation aufzuzeigen.

Wie auch immer, weil es in die Zeit passt, übernehme ich als Denkanstoß diese Weisheiten meiner Hamburger Genoss*innen.

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Schatzkiste: Rudolf Rocker zu den Wahlen

Lesedauer: 11 Minuten

Dieser Text ist deswegen interessant, weil Rocker eine differenzierte und kluge Sichtweise auf den Wahlvorgang, den damit einhergehenden Illusionen und Frustrationen hat. Er richtet sich an die eigenen Leute, die Politikverdrossenen, jene, die nicht nur von den Sozialdemokraten verraten wurden, sondern auch der sich seinerseits neu formierten KPD zurecht skeptisch gegenüber stehen – also an das antiautoritäre, libertär-sozialistische Lager. Rocker braucht ihnen nicht zu erklären, warum Wahlen problematisch sind – auch wenn als allgemeines und gleiches Recht tatsächlich erst mit der Einrichtung der neuen Republik gewährt wurden.

Wie der Titel schon aussagt geht es Rocker darum, dass die Angesprochenen trotz ihrer Frustration, ihrer Resignation und ihrem Zorn über das politische System nicht aufhören, sich zu engagieren und Hoffnungen in alternative Organisationsformen zu setzen. Das sind autonome soziale Bewegungen, selbstorganisierte Gewerkschaften, Zusammenhänge kommunaler Selbstverwaltung und von Parteien unabhängige Interessenorganisationen. Die fundamentale Kritik an Staat, Parteien, Wahlen, sei unbedingt gerechtfertigt. Sie alleine bringt aber nicht weiter, wenn mit ihr die eigene Ohnmacht lediglich genährt wird, anstatt ihr zu begegnen und sie zu transformieren.

Dabei ist es nicht so, dass die selbstorganisierten Arbeiter*innen überhaupt keine Macht hätten. Im Gegenteil haben sie mit ihren Aktivitäten durchaus beachtliche Erfolge erzielt. Diese aber sind schwer zu vermitteln und zu sehen, wenn Politik scheinbar aus Parteigeschaher und ihren medialen Darstellungen zu bestehen scheint, wenn dort die eigentliche Macht zu liegen scheint….

Mit diesem Text will ich nicht aussagen, dass mensch nun nicht wählen sollte. Das bleibt selbstverständlich die Entscheidung jeder einzelnen Person. Ich will damit aber auch nicht sagen, dass mensch wählen soll. Sondern, dass mensch sich Gedanken machen soll, wie wir uns selbst organisieren und autonome Kämpfe führen können.

Rudolf Rocker – Seid aktive Nichtwähler! (1924)

https://www.anarchismus.at/anarchistische-klassiker/rudolf-rocker/7694-rudolf-rocker-seid-aktive-nichtwaehler-1924

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Wahlen – ein gewohnt-befremdliches Spektakel

Lesedauer: 4 Minuten

Vielleicht ist es der einen oder anderen Person aufgefallen. Draußen in der Welt bahnt sich ein Ereignis an, um welches gerade viel Wirbel gemacht wird. Nein, ich meine nicht den Protest gegen die Klassengesellschaft und der Beginn der Umverteilung des gesellschaftlich produzierten Reichtums, auch nicht den konsequenten Umschwung in der ökologisch zerstörerische Wirtschafts- und Lebensweise oder die Entstehung selbstverwalteter föderierter kommunalistischer Gegenstrukturen.

Was ich meine sind die Bundestagswahlen. Alle Jahre wieder, so heißt es ja. Alle Jahre wieder ein Kreuz machen und seine Stimme abgeben – im doppelten Sinne. Die anarchistische Grundsatzkritik an der repräsentativen Demokratie und dem Wahlvorgang ist weithin bekannt: Wahlen entfremden und entmündigen, Repräsentanten verselbständigen sich und Mehrheitsentscheide stellen sich bei näherer Betrachtung oftmals als von privilegierten Minderheiten gesteuert heraus, werden aber dennoch gesetzlich durchgesetzt.

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Supersuper Wahljahr

Lesedauer: 4 Minuten

Und wieder mal ein Superwahljahr. Komisch, ich kann es überhaupt nicht mehr zuordnen, wann das letzte war. Mir kommt es aber so vor, als wenn eigentlich dauernd super Wahljahre sind. Also zumindest alle vier Jahre, manchmal aber auch alle zwei. Wie auch immer, ärgerlich ertappte ich mich dabei, doch wieder Wahlumfragen anzuschauen und die Statements der Kanzlerkandidat*innen anzuhören. Ich möchte mich modern und informiert fühlen. Dass ich es chronisch glaube nicht zu sein, hängt einerseits mit meiner ostdeutschen Sozialisation, andererseits mit meiner kindlichen und jugendlichen Anti-Haltung gegenüber allen Trends zusammen. Ich arbeite daran, mich dort heraus zu schälen, denn sonst wird eben keine sozial-revolutionäre Perspektive daraus. Doch das bleibt… wie sagt man? … ein Prozess.

Wie auch immer: Kanzlerkandidat*innen-Aufstellung und das ganze Drumherum. Kriegt man mal wieder das Gefühl verkauft, dass es um irgendwas ginge. Eigentlich geht es ja auch um was, aber nicht um das, was mir da präsentiert wird medial. Die Frage der Gesellschaftsform, in welcher wir leben, stellt sich dabei verständlicherweise nicht. Die Pandemie war ein super stressiger Stillstand – da ist es nett, mal einer Pseudokontroverse zu folgen. Und da ich leider bisher Fußball oder anderen Sportarten, wo Mannschaften konkurrieren, nie etwas abgewinnen konnte, führt das dann eben wieder zum Wahlspektakel zurück. Angriff – Teamplay – Verteidigung – Rückpass – Schuss – Tor – und wieder rein ins Feld. Klar, es ist nun auch Frühling und da ziehen die Heere traditionell in die Schlacht, nachdem sie im Winter gerastet, sich gegenseitig geschont und ihre Waffen repariert haben.

Dass immer mal was in Bewegung zu sein scheint, politisch, finde ich auch gut. Gesellschaft hat nun mal keine ontologische Grundlage, weswegen die ganzen Rechten verschiedener Coleur ja auch so krampfhaft bemüht sind, sich irgendwelchen Quark wie „Heimat“, „Tradition“, „Nation“ und solchen Unsinn zurecht zu konstruieren. Ich kann verstehen, dass sie sich gerne mit irgendwas verbunden fühlen möchte, na sicher. Da frage ich mich, ob das präfigurative so-tun-als-ob bei ihnen nicht manchmal weit fortgeschrittener ist, als bei den Anarchist*innen… Aber Verbundenheiten und Zugehörigkeiten zu generieren ginge doch auch anderes, direkter, realer. Zum Beispiel in gelingenden menschlichen Beziehungen oder solidarisch-freiheitlichen gesellschaftlichen Institutionen.

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Selbstorganisation statt Wahlspektakel! – Einige schwarz-bunte Gedanken

Lesedauer: 8 Minuten

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #81 / Sept. 2017

von Simone

Wenn dieser Artikel erscheint, sind es noch drei Wochen bis zur Bundestagswahl. Dabei begrüße ich, dass das Thema auch in einigen anarchistischen Kreisen diskutiert wird. Ich finde das gut, denn immerhin sollten wir uns mit den politischen Geschehnissen um uns herum auseinandersetzen. Ob es uns gefällt oder nicht, gehören Wahlen, die Verschiebungen in der Parteienlandschaft und in politischen Rhetoriken, wie auch die anschließende Veränderung der Zusammensetzung von Ausschüssen etc. eindeutig dazu.

Es ist erforderlich, die Angelegenheit differenziert zu betrachten: Staat ist nicht gleich Staat und kann nicht eben mal abgeschafft werden; Regierung ist nicht einfach im Moment scheiße, sondern strukturell und leider macht es – zumindest kleine – Unterschiede, wer an welchen Hebeln sitzt und die angeeigneten Gelder wie verteilt. Anarchist*innen benötigen eine differenzierte und genaue Staatskritik, mit der es auch möglich ist, Staat als Verhältnis zu begreifen, welches dauerhaften Veränderungen unterliegt. Gleichzeitig macht uns dies nicht zu Reformist*innen oder die grundlegende Kritik bedeutungslos, welche sich – im Verhältnis zu dem, was wir eigentlich wissen und sagen – eher gelegentlich in unseren Handlungen zum Ausdruck kommt.

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