Gern würde ich an dieser Stelle selbst tief gehender mit Gustav Landauers bekanntem Aufruf zum Sozialismus von 1911 arbeiten und meine eigenen Gedanken dazu ausbreiten. Allerdings sind auch meine Kapazitäten begrenzt und fehlt mir im Moment die Zeit dafür. Ich müsste schon „tausend Leben in einem führen“ wollen, wie es die von Stirner und Nietzsche beeinflussten anarchistischen Individualist*innen um die letzte Jahrhundertwende formulierten. Ein Leben zu bewältigen, es bewusst zu führen und davor nicht dauernd wegzulaufen, ist aber Aufgabe genug.

Außerdem brauche ich das Rad auch nicht neu zu erfinden. Die Leute von der Gustav Landauer Initiative haben in den letzten Jahren schon akribisch an der Wiederentdeckung seiner Schriften und Gedanken gearbeitet. Diese ist zwar einerseits von ideengeschichtlicher Relevanz, kann jedoch auch starke Inspirationen für ein aktualisiertes Verständnis von sozialer Revolution geben. Weiterhin bezogen sich Eva von Redecker in Praxis und Revolution (2018) und Bini Adamczak in Beziehungsweise Revolution (2017) ausgiebig auf Landauers Revolutionsverständnis, dass sie meiner Ansicht nach auf nicht ganz stimmige Weise mit der marxistischen Theorie versöhnen wollen. Von Redecker versucht Landauers komplexes und ungewöhnliches Denken als einen „metaleptischen Paradigmenwechsel“ zu beschreiben, wobei sie sich auf ziemlich abstrakte Weise vor allem mit dem Struktur-Handlungs-Problem herum schlägt. Adamczak wiederum findet hier die Beschreibung von Revolution als „synaptischen Konstruktionsprozess“, die deutlich von herkömmlichen marxistischen Verständnissen zu unterscheiden ist. Nebenbei ist hierzu auch Landauers geschichtsphilosophische Schrift Revolution (1907) zu empfehlen. So gehaltvoll und innovativ seine Denkweise auch ist, muss sein Schreibstil zunächst gehörig entschwurbelt werden, um seinen Kern zu erfassen. Schließlich arbeitete unter anderem auch John P. Clark in The Impossible Community. Realizing Communitarian Anarchism (2013) mit grundlegenden Gedanken Landauers. Die Beschäftigung mit diesem Werk führte mich dahin, den kommunitaristischen Anarchismus als eigenständige Tendenz zu erfassen.
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