Piratinnen-Abenteuer auf feministisch

Lesedauer: 4 Minuten

Rezension zu Die Irrfahrten der Anne Bonnie von Koschka Linkerhand (Querverlag 2018)

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #104, September 2019

von Simone

Als „Coming-of-Age-Geschichte“, als „Jugendroman“, bezeichnet die Leipziger Autorin Koschka Linkerhand ihren im letzten September erschienenen Roman Die Irrfahrten der Anne Bonnie, der schon einige Jahre zuvor die Grundlage für ein Theaterstück war. Das Setting ist das sogenannte „Goldene Zeitalter“ der Pirat*innen in der Karibik, wie es in der teils historisch fundierten, vor allem aber mythisch umwobenen Piratenlegende (offiziell) von Daniel Defoe im Buch A General History of the Pyrates (1724) bezeichnet worden war. Als Protagonist*innen dienen die Figuren der sich selbst suchenden Anne Bonnie, der mutigen, zwiespältigen Mary Reed und dem Captain „Calico“ Jack Reckham.

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Notizen zu Svende Merian: „Der Tod des Märchenprinzen“

Lesedauer: 6 Minuten

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #89/ Juni 2018

von Simone

In meiner Umgebung wurde kürzlich ein Buch herumgereicht und vielfach gelesen, welches bald 40 Jahre auf dem Buckel hat. Nun ist dies kein Kriterium dafür, dass es sich um ein schlechtes Buch handeln muss – obwohl die Autorin dies im Nachwort selbst und selbstkritisch so sieht. Die Bibel ist beispielsweise auch eine Zusammenstellung von Märchen, die vor 3200 bis 1900 Jahre entstanden sind – und dabei können uns gute Märchen durchaus auch für unser Leben heute etwas sagen. Oder auch nicht. Mensch ließt sie auf jeden Fall immer von der jeweiligen Zeit aus und projiziert Vorstellung auf die Vergangenheit zurück… Im Gegensatz zur Bibel ist Svende Merians Buch nicht patriarchal orientiert, sondern stattdessen klar feministisch positioniert. Die Vorstellung vom Märchenprinzen, der kommt und seine Erwählte bis zum Lebensende glücklich macht, hat die junge linke 24-jährige Frau aus Hamburg – wie viele, vielleicht sogar die meisten – in der bürgerlich-kapitalistischen und patriarchalen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts nach wie vor verinnerlicht. Und das trotz fünf Jahren Frauengruppe und diversen, zweifellos richtig beschissenen Erfahrungen mit Typen von denen sie sexuell ausgebeutet, dumm gemacht und abhängig gehalten wurde.

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K-Gruppen reloaded?

Lesedauer: 6 Minuten

Polemik zur Gründung der stalinistischen „Kommunistischen Organisation“

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #98, Februar 2019

von Simone

Auf einem Treffen zwischen dem 1. und 3. Juni gründeten um die 100 ehemalige DKP- und SDAJ-Anhänger*innen (oder zumindest deren Führungsgarde) die „Kommunistische Organisation“. Damit hat der Stalinismus in Deutschland wieder ein Gesicht und einen Namen. Die „Flamme des Kommunismus“ (wohlgemerkt: nicht die „Schwarze Flamme“!) brennt weiter.

Putzigerweise reagierte die KO schon wenig später reflexartig auf einen Vorwurf des „Linkssektierertums“ durch die DKP. Rein technisch gesehen dürfte das auch stimmen: In einer Religion wäre die KO als „ultra-orthodox“ zu beschreiben. Das heißt, sie hält so fanatisch an einer alten, längst überkommenen Lehre fest, dass sie sich erst einmal abspalten muss. An wahnhaften Gestalten und beängstigenden gruppendynamischen Entwicklungen dürfte es bei ihr dennoch nicht mangeln.

Wie Umgehen mit einer neuen Gruppierung deren menschenverachtende autoritäre Ideologie sich mit der Entschlossenheit mischt, einen „Klärungsprozess“ innerhalb des parteikommunistischen Lagers anzustoßen und – nicht zuletzt mittels „Kritik und Selbstkritik“ – selbst durchzumachen? Eingewandt werden könnte, dass die Splittergruppe, wie so viele vor ihr, aufgrund ihrer doktrinären, weltfremden Anschauungen – die sie als „wissenschaftlich“ bezeichnet -, ein weiterer historischer Treppenwitz ist, über den jede politisierte Generation erneut lachen sollte. Viele würden sagen, eine solche Gruppierung könne aufgrund ihrer Langweiligkeit und Lustfeindlichkeit überhaupt keine politische Schlagkraft und wegen ihres geschlossenen Weltbildes keine theoretische Stärke erlangen. Nach anfänglicher Euphorie der Erleuchteten werde ihr Tatdrang sicherlich abflauen, was ihr Kürzel ja dankenswerterweise schon vorwegnimmt: „K.O.“

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Unter Neurechten – ein bedrückendes Essay

Lesedauer: 10 Minuten

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #79 / Juli 2017

von Simone

In der literarischen Verarbeitungen der eigenen Vergangenheit stellt der Autor seine Erfahrungen mit einem Kreis der faschistischen „Neuen Rechten“ in Chemnitz dar. Diese bildeten 2002 eine Schülerburschenschaft, gründeten die neurechte Zeitung „Blaue Narzisse“ und gewannen später großen Einfluss als faschistische Intellektuelle, unter anderem auf den völkischen Flügel der AfD unter Björn Höcke sowie die Identitäre Bewegung. Um die Erneuerung des Faschismus zu verstehen, sind Orte und Zeiten zu begreifen, in denen er sich unter einem anti-emanzipatorischen Willen organisiert. Wenn wir uns als ihre grundlegenden Feinde positionieren wollen, gilt es auch die Faschos zu ernst zu nehmen…

Lebensphasenabschnittsumbruchsbedingt komme ich derzeit nicht umhin, über meine eigene Entwicklung und Vergangenes nachzudenken. Reflektierte Menschen sind geschichtliche Wesen, verstehen sich also in ihrem Gewordensein und in den Herausforderungen, die sich für sie im Leben und in ihrer Zeit stellen. Weil sich Zeiten, Räume und Verhältnisse im Wandel befinden, gilt es dauerhaft zu rekapitulieren, was Vergangenes war und wie es zu deuten sei, um vernünftiges Handeln im Hier und Jetzt anzustoßen. Was sich geändert hat sind die politischen Landschaften in den Krisen der neoliberalen globalisierten Herrschaftsordnung in den letzten Jahren. Die autoritäre, antiliberale und antidemokratische Alternative mit ihren neofaschistischen Elementen zeichnet sich klar am Horizont ab und ficht die alte Hegemonie an.

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Selbstorganisation statt Wahlspektakel! – Einige schwarz-bunte Gedanken

Lesedauer: 8 Minuten

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #81 / Sept. 2017

von Simone

Wenn dieser Artikel erscheint, sind es noch drei Wochen bis zur Bundestagswahl. Dabei begrüße ich, dass das Thema auch in einigen anarchistischen Kreisen diskutiert wird. Ich finde das gut, denn immerhin sollten wir uns mit den politischen Geschehnissen um uns herum auseinandersetzen. Ob es uns gefällt oder nicht, gehören Wahlen, die Verschiebungen in der Parteienlandschaft und in politischen Rhetoriken, wie auch die anschließende Veränderung der Zusammensetzung von Ausschüssen etc. eindeutig dazu.

Es ist erforderlich, die Angelegenheit differenziert zu betrachten: Staat ist nicht gleich Staat und kann nicht eben mal abgeschafft werden; Regierung ist nicht einfach im Moment scheiße, sondern strukturell und leider macht es – zumindest kleine – Unterschiede, wer an welchen Hebeln sitzt und die angeeigneten Gelder wie verteilt. Anarchist*innen benötigen eine differenzierte und genaue Staatskritik, mit der es auch möglich ist, Staat als Verhältnis zu begreifen, welches dauerhaften Veränderungen unterliegt. Gleichzeitig macht uns dies nicht zu Reformist*innen oder die grundlegende Kritik bedeutungslos, welche sich – im Verhältnis zu dem, was wir eigentlich wissen und sagen – eher gelegentlich in unseren Handlungen zum Ausdruck kommt.

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Feministische Realitätszerstückelung

Lesedauer: 5 Minuten

Originaltitel: Die Realitäten zerstückelt, die Männer ent-mannt, alle Konventionen gebrochen und eine Menge Essen verschlungen

Filmempfehlung zu: „Sedmikrasky“ (engl. „Daisies“, dt. „Tausendschönchen“; 1966) von Věra Chytilová

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #85 / Jan. 2018

von Simone

Als „Prager Frühling“ wird von den westlichen Medien die gesellschaftliche Veränderungs- und Aufbruchsbewegung in Tschechien und der Slowakei 1968 bezeichnet. Die Kommunistische Partei ist nach schweren inneren Machtkämpfen auf einen Reformkurs eingeschwenkt und wollte einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ verwirklichen. Dazu kam es allerdings hauptsächlich, weil eine starke Bewegung aus verschiedenen Gruppierungen eine Liberalisierung und Demokratisierung der sozialistischen Gesellschaft einforderte und es nicht zu Letzt auch immer wieder zu wirtschaftlichen Krisen kam, die bei gleichzeitigem kulturellem Aufbruch zu großer Unzufriedenheit führten. Das Jahr 1968 – welches sich dieses Jahr zum 50. Mal jährt – war ein Jahr internationaler Revolten und Umbrüche, nicht nur ein Pariser Ereignis. In der BRD und Italien gab es noch die ganzen Altfaschist*innen in den Institutionen wie Uni, Schule, Stadtverwaltung, Ministerien usw. und die Frage kam auf, wie sich die eigenen Eltern im Krieg verhalten hatten. In den USA gab es die Bürgerrechtsbewegung und militante Auseinandersetzungen für die Rechte von rassistisch unterdrückten Gruppen sowie die Ablehnung des schrecklichen Vietnamkrieges. In den osteuropäischen Ländern wiederum waren nach 1961 eigentlich eine politische „Ent-Stalinisierung“ und wirtschaftliche Reformen versprochen worden.

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(M)ein Weg zum Anarchismus

Lesedauer: 8 Minuten

Originaltitel: (M)ein Weg zum Anarchismus – persönliche Reflexion über bisherige politische Sozialisation. Ein Anstoß

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #76 / April 2017

von Simone

Der folgende Text ist bewusst subjektiv und aus der Perspektive eines Eigenbrötlers verfasst. Darin wird über verschiedene Erfahrungen und die Fähigkeiten und Möglichkeiten zu ihrer Interpretation und Reflexion nachgedacht. Unter anderem geht es um die Frage, mit welchen Gruppen sich Menschen identifizieren, wenn sich ihre politische Identität entwickelt und welche Gründe das hat.

Seitdem ich, in Kontexten wo es Sinn ergibt und wenn mir danach der Sinn stand, angefangen habe mich eindeutig als Anarchist zu positionieren und auch die Ideen des Anarchismus öffentlich zu propagieren, spürte ich doch eigentlich nie das Verlangen, Menschen wirklich davon überzeugen. Das klingt erst mal ziemlich seltsam, finde ich, denn welchen Grund sollte es sonst haben, sich öffentlich zu bestimmten politischen Vorstellungen und Bewegungen zu bekennen, wenn nicht den, andere auf die eigene Seite, in die eigene Gruppe, in das eigene Weltbild holen zu wollen? An einer Klandestinität lag es sicherlich nicht, denn was klandestin ist, dazu äußere ich mich nicht. Umgekehrt halte ich es aber für völlig unsinnig, meine Perspektive zu verbergen, da ich ihrer sicher bin; sie begründen kann; sie mit meinem ganzen Leben zu tun hat. Eine Art „Coolness“ war ebenfalls nicht der Grund, denn ich bin alles andere als cool – ausgenommen einer innerlichen Abgefucktheit, die sich aus einer großen Sensibilität speist und deswegen leider öfters eine Distanz zu den Dingen notwendig macht.

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