Die Partei „DIE PARTEI“ als (anti-)politischer Zusammenhang?

Lesedauer: 2 Minuten

Unter Anarchist*innen finden sich viele, die politischem Klamauk und Satire zugeneigt sind. Das ist kein Zufall, denn Humor kann eine sinnvolle Möglichkeit sein, mit der Bitterkeit der politischen Wirklichkeit einen Umgang zu finden, der nicht selbstzerstörerisch und zynisch ist. Außerdem wird mit „politischem“ Humor tendenziell auch eine undogmatische Einstellung gefördert, da die eigenen Positionen ebenfalls hinterfragt und im Kontext gesehen werden. So könnte die Frage aufgeworfen werden, ob es sich bei der Partei „DIE PARTEI“, welche seit 2004 besteht, um eine anarchistische Politikform bzw. eine Form anarchistischer (Anti-)Politik handelt.

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Subversion, Satire und Performanz: Front deutscher Äpfel

Lesedauer: 4 Minuten

Zwischen 2004 und 2013 bestand die „Front deutscher Äpfel“ als performative Aktionsform mit dem Anspruch „Satire als angewandten Punkrock“ unter das Volk zu bringen. Im „Buch zur Bewegung“ (Max Upravitelev (Hrsg), 2014) wurden Gespräche, Aktionen und Debatten über die Verbindung von Politik und Kunst und Satire und Intervention festgehalten. Ziel der FdÄ war, neue und alte Nazis zu diskreditieren, indem Ästhetik und Sprache aus Hitler-Deutschland persifliert wurden. Sie können „gesellschaftlichen Herausforderungen konfrontativ mit Humor“ (S. 5) begegnen.

Auch wenn die Hochzeiten des organisierten „nationalen Obstbestands“ schon wieder etliche Jahre her sind, lohnt es sich, ihn in Erinnerung zu behalten. Eine Frage, welche mich in diesem Zusammenhang beschäftigt, ist, ob sie als Variante anarchistischer (Anti-)Politik zu verstehen ist. Dafür spricht ihre Selbstorganisation und ihre Distanz zur Politik, in welcher Kritik zum Ausdruck kommt, welche weit über jene an Nazis hinaus geht. Aktuell tendiere ich allerdings eher dazu, dies zu verneinen. Immerhin strebte die Apfelfront nicht an, eine Vision mitzugestalten, wie eine andere Gesellschaft aussehen könnte. Zudem ist ihr Ansatz nicht als sozial-revolutionär zu charakterisieren, sondern bleibt im Primat auf Satire dabei, den Feind zu diskreditieren – sich damit aber auch an diesem negativ zu orientieren. Gleichwohl kann der Aktionsform der Front deutscher Äpfel viel abgewonnen werden: Mit ihren performativen Inszenierungen kann sie potenziell selbstbestimmt, ermächtigend, konfrontativ und emanzipatorisch sein. Letzteres nicht zuletzt,weil mit ihr auch die eigenen psychischen Tendenzen des Autoritarismus und der Unterwerfung bearbeitet werden können.

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Drama vom pandemischen Ausnahmezustand

Lesedauer: 29 Minuten

Originaltitel:

Von einem, der daheim blieb und das Fürchten noch lernte

oder: Drama vom pandemischen Ausnahmezustandes

Jonathan Eibisch

Gedicht von Thomas Gsella

Personen und Figuren:

Erzählstimme (aus dem Off, maßt sich an allwissend zu sein)

Der einfältige Junge

Die Anarchie

Ein Schelm

Die Regierung:
Die Kanzlerin
Der konservative Hardliner
Der konservative Gemäßigte

Zwei Virologen

Ein Vertreter der Wirtschaftsverbände

Zwei Journalist*innen

Drei Linke:
eine Parteilinke (mit angepinnter roter Nelke)
eine Bewegungslinke (mit Hipsterbrille)
ein Linksradikaler (im Autonomenstil)

Verschwörungstheoretiker*innen und Wutbürger*innen

Ein Rechtspopulist (mit Megaphon und Pistole)

Zwei grünliche Bürger*innen

ein Pfarrer

Krankenschwestern und -pfleger

drei Polizisten

Der Chor

es folgt ein Drama in 5 Akten

„Alles gut!“ – „Sag mal geht’s noch, du Alles-Gut-Mensch?“

Lesedauer: 8 Minuten

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #81 / Sept. 2017

Irmgard die beleidigte Anarchakonservative

Mensch, was brocke ich mir jetzt wieder ein, wenn ich schon zu Beginn des Artikels befürchten muss, manche*n in ihrer*seiner Empfindung, ihrer*seinem Sicherheitsgefühlen – ungewollt! – anzugreifen, in unser Weltbild reinzugrätschen und damit auch ganz mich selbst in Frage zu stellen. Verdammter Regentag, da kann ja nun nichts werden! Selbstzweifel nagen an mir, nagen an dir, die wir beide dann gewohnt sind, sie in Selbstkritik umzudeuten, welcher wir ja doch noch was Positives abgewinnen könnten. Aber darin liegt schon ein grundlegendes Missverständnis: Denn Kritik muss und braucht nicht „konstruktiv“ sein. Deswegen muss unsere Hoffnung dahingehend von vorne herein enttäuscht werden. Immerhin: So eine Ent-täuschung bringt dann vielleicht gelegentlich etwas Klarheit.

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Pokémon Go Home

Lesedauer: 6 Minuten

Eine sarkastische Kolumne über die Verwirrungen durch Pokémon Go

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #69 / Sept. 2016

von Imgart Edelweiß, der beleidigten Anarchakonservativen

(Entgegnungen, am besten in literarischer Form sind sehr erwünscht!)

Wir saßen vor unserem Haus auf der Couch als wir sie zum ersten Mal bemerkten. Dutzende Menschen, die standen oder auf Geländern saßen und auf in manischer Versessenheit auf ihre smartphones glotzten. Im Grunde genommen keine seltsame Sache in unseren individualisiert, entfremdeten, vernetzten Zeiten. Doch irgendetwas schien seltsam, ungewöhnlich, anders im Verhalten der internetverbundenen und dauerüberwachten Mobilfunknutzer_innen. Es war der zweite Tag an dem Pokémon Go in der BRD rauskam. Desinformiert und von der Mehrheitsgesellschaft abgeschnitten wie stets erfuhr ich erst vom Freund der bei mir saß vom Hype, dessen Ankündigung schon an mir vorbeigegangen war. An dieser Stelle drängt es mich, mich zu outen: Ich verstand meine Umwelt nie und darum ist es eine traurige Tatsache, dass bei mir nicht mal Kindheitserinnerungen wach werden, wenn es um Pokémon geht. Das ist total langweilig, ich weiß. Dabei bin ich nicht mal ohne Fernseher aufgewachsen, sondern hatte früher wohl einfach keine Freund*innen. Oder habe ich mir meine rudimentären Pokémon-Erinnerungen über die Jahre weggesoffen?

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Missverständnis individuelle Selbstermächtigung

Lesedauer: 6 Minuten

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #71 / Nov. 2016

von Irmgard Edelweiß, der beleidigten Anarchakonservativen

(Der folgende Text ist ironisch gemeint. Die Überschrift hingegen nicht, sondern bezeichnet, worauf die Ironie abzielt. Erstrebenswerte kollektive Selbstermächtigung wird hier nicht behandelt. Dem Thema wird sich nicht „seriös“ sondern bitter-böse genähert und der Beitrag hat nicht die Absicht, jegliche Selbstermächtigungserfahrungen oder -konzepte für schlecht zu erklären.)

Ja, es hat Gründe, dass wir uns oftmals völlig hilf- und ratlos in dieser Gesellschaft fühlen, die uns permanent überfordert, irritiert und kaum sinnvolle Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Ohnmächtig hocken viele Leute beispielsweise vor der Glotze und ziehen sich die Tagesschau oder andere Nachrichten rein, bei der sie möglicherweise durchaus ein Teil des Ausmaßes des Elends begreifen, in welchem wir uns befinden. Auch die verheerenden Folgekosten unserer Gesellschaftsform lassen sich nie vollends verdrängen. Eine schicksalshafte Katastrophe nach der anderen wird den Zuschauer*innen da präsentiert – und somit eine kollektive Ohnmacht erzeugt, welche sie an den Staat appellieren lässt, statt ihre Angelegenheiten in die eigenen Hände zu nehmen. Unmöglich können in diesem Zusammenhang Selbstwirksamkeitserfahrungen gemacht werden. Diese entstehen nur da, wo es die Einzelnen unmittelbar betrifft und bei ihnen ein Gefühl ihrer Handlungsmacht entsteht, die nicht einfach da ist, sondern sich genommen und erweitert werden muss.

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