Verfallsformen des Politischen

Lesedauer: 16 Minuten

Originaltitel: Die Verfallsformen des Politischen und die Wiedergewinnung einer holistischen sozial-revolutionären Praxis

zuerst veröffentlicht auf: de.indymedia.org, barrikade.info, untergrund-blättle.ch

Mona Alona

Dieser Beitrag ist subjektiv. Damit schöpfe ich aus der Reflexion über eigene Erfahrungen und Wahrnehmungen, über die ich gleichwohl schreibe, weil ich aus dem Speziellen auch einige Aspekte des Generellen ableite – die ihre Gültigkeit nur haben, wenn – bzw. zu welchem Grad – sich Andere darin wiederfinden. Ursprünglich entwickelte ich diese Gedanken an er Schwelle zum 30. Lebensjahr, an welchem bekanntliche sich die Großzahl der verbleibenden Genoss*innen, aus der linksradikalen Szene herauszieht.

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Die Armut der Kritik am Anarchismus

Lesedauer: 20 Minuten


von: Mona Alona // Juni 2019

Teaser:
In der Erfurter Zeitung „Lirabelle“ hätte eine Debatte zur vermeintlichen Kritik am Anarchismus und seiner Verteidigung stattfinden können. Auslöser waren die Vorurteile, Diffamierungen welche die Autorin Minna Takver verbreitete, in Verbindung mit ihrer hahnebüchenden Unkenntnis ihres Gegenstandes. Anstatt sich der Auseinandersetzung wirklich zu stellen, lehnte die Redaktion der Lirabelle den zweiten Teil der „Armut der Kritik des Anarchismus“ von Mona Alona ab. Da es sich um eine beispielhafte Reaktion handelt und es Formen solidarischer, respektvoller und konstruktiver Auseinandersetzungen weiter zu üben gilt, lohnt es sich, diese schriftliche Provinz-Debatte als Beispiel vor Augen zu führen. Und selbstverständlich, weil der zweite Teil der „Armut der Kritik am Anarchismus“ ja auch irgendwo noch auftauchen sollte und das Ganze ein gewisses Lesevergnügen bereitet.
Wer sich den billigen Szene-Gossip ersparen will, kann die Texte von Minna Takver auch überspringen. Wer den zweiten Teil der Entgegnung lesen möchte, kann ins letzte Viertel scrollen…

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Das linke Ghetto aus Perspektive eines Schelmes

Lesedauer: 4 Minuten

Erinnerung an Die Glücklichen (Peter-Paul Zahl, Rotbuch-Verlag 1979)

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #105, November 2019

von: Mona Alona

Ein Knastbuch. Wiedermal. 40 Jahre nach seiner Ersterscheinung habe ich Lust an den Schelmenroman Die Glücklichen des anarchistischen Literaten, Druckers und Aktivisten Peter-Paul Zahl zu erinnern, dass er zwischen 1973 und 1979 während seiner zehnjährigen Haft schrieb. Für die Älteren mag es eine Erinnerung sein, bei den Jüngeren weiß ich nicht, ob jemand den Autoren noch kennt, der wegen seiner Antirepressionsarbeit in der Zeit der RAF abtauchte und dann unabsichtlich in einen Schusswechsel mit den Bullen geriet. Zum Leben von Zahl kann an anderer Stelle geschrieben oder nachgelesen werden. Für seinen überaus populären Roman Die Glücklichen ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass er zwischen 1966 und 1972 in West-Berlin lebte und dort die heiße Phase der 68er-Bewegung mitnahm.

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Was Anarchist*innen in der Wissenschaft machen sei ihnen überlassen

Lesedauer: 6 Minuten

Eine Antwort auf Ben’s Text „Die vierfache (Zweck)Entfremdung wissenschaftlicher Arbeit“, erschienen in der GAIDAO #77

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #78 / Juni 2017

von Mona Alona

In seinem knappen Beitrag in der letzten Gaidao (#77) stellte Ben am Ende die Frage: „Was machen Anarchist*innen im Wissenschaftsbetrieb?“. Die sehr berechtigte Frage wirkt auf mich allerdings rhetorisch. Ben’s Darstellung lässt darauf schließen, dass er für sich die Antwort schon weiß: nichts.

Dabei spricht er ja selbst von einem Dilemma in dem Menschen mit radikalen Vorstellungen und Ansprüchen stecken, wenn sie gezwungen sind, ihre Lohnarbeit zu verkaufen und dies an staatliche Institutionen tun – ein Thema, welches mich und manche*n andere*n – ob direkt oder indirekt – sicherlich schon schwer zu schaffen gemacht hat und möglicherweise lebenslang begleiten wird.

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Wer würdigt wie, wen, warum oder warum nicht?

Lesedauer: 10 Minuten

Von den Schwierigkeiten der Würdigung von Personen in antiautoritären Gruppen

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #71 / Nov. 2017

von Mona Alona

Die folgenden Überlegungen stellen einige nicht abgeschlossenen Gedankengänge dar, die sich aus verschiedenen intensiven und längerfristigen, leider oft unzureichenden bzw. unreflektierten Gruppenprozessen ergeben haben. Sie sind nur eine einzelne Ansicht, können nicht zu generellen Aussagen führen und sind in diesem Sinne als Anstoß zu betrachten. Angeknüpft wird lose an den Text „Grundprobleme von antiautoritären Gruppen in der individualistischen Gesellschaft: Das Bockhaben und die Vermeidung von Vereinbarungen“ (Gaidao #64)

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Anarchistisches Denken als kritiklose Gedankenspielerei?

Lesedauer: 7 Minuten

Originaltitel: Wie anarchistisches Denken zu kritikloser Gedankenspielerei und idealistischer Absurdität verkommt – keine Provokation

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #87 / März 2017

von Mona Alona

Auf der facebook-Seite von Peter Seyferth[1] findet sich ein Vortrag, welchen er auf einem sozialwissenschaftlichen Workshop am 19.01. in Gießen hätte halten wollen. Der Titel lautet „Eine moderne Theorie des klassisch-anarchistischen Staats. Analyse, Vorschlag und Provokation“. Als Letztere wirkt Seyferths Vortrag hauptsächlich aufgrund des flachen Niveaus seiner Argumentation, die – sicherlich gut verpackt – in politikwissenschafltichem Gewand präsentiert wird. Die theoretischen Grundlagen der Anarchistischen Pogopartei wirken vergleichsweise tiefgründiger. Um dies nachzuvollziehen ist auf die Gesamtaussage und Betrachtungsweise Seyferths einzugehen. Er entfaltet den Strang, mit Crispin Sartwell die Illegitimität moderner Staates zu belegen, weiterhin Kriterien der Legitimität sozialer Ordnungen nach David Beetham darzustellen, auf Revolutionsvorstellungen im klassischen Anarchismus einzugehen, um schließlich zu begründen, warum es einen „anarchistischen Staat“ geben müsste oder sollte. Seyferth scheint der Ansicht zu sein, dass letzte Aussage orthodoxe oder einfach überzeugte Anarchist*innen provozieren soll. Dies möchte er offensichtlich eher zum Selbstzweck als um zum Nachdenken oder zur Diskussion anzuregen, schließlich verkennt er die zugrundeliegenden und schon oft diskutierten Fragestellungen, nämlich des anarchistischen Umgangs mit Macht, Gewalt und Zwang in revolutionären Situationen oder bei Versuchen der Etablierung und Aufrechterhaltung einer sozialen Ordnung, die den Anspruch hat, „herrschaftsfrei“ zu sein. Für einen anarchistischen Wissenschaftler, der sich jahrelang um sinnvolle Beiträge und Diskussionen um Anarchismus bemüht hat, ist diese Herangehensweise meiner Ansicht nach äußerst befremdlich. Seine Überlegung zu einem „anarchistischen Staat“ sind nicht provozierend, sondern absurd.

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Noch einmal zu Ermächtigung… als Praktiken zur partiellen Emanzipation

Lesedauer: 7 Minuten

zuerst veröffentlicht in: Lirabelle #15 / Mai 2017

Mit so etwas wie… nun ja, Erleichterung, las Mona Alona den Artikel von Emily Page in der letzten Ausgabe der Lirabelle (#14). Emily schrieb einen „persönlichen Text“, was Mona einerseits an sich gut bzw. auflockernd findet, andererseits auch ein angemessenes Gegengewicht zum Text von Simon Rubaschow (Lirabelle #12) darstellt, den sie kritisiert. Die folgenden Überlegungen setzen sich damit auseinander, worauf aufbauend ein eigenes Verständnis von Ermächtigung skizziert wird.

Wenn auch inzwischen vor fast einem Jahr veröffentlicht, will ich die Kritik an Rubaschow hiermit nochmals bekräftigen und untermauern. Emily widerspricht ihm dankenswerter Weise, tut dies aber derart, eine andere Perspektive aufzuzeigen. Dennoch finde ich ihre Begründungen, warum „Empowerment“ wichtig sei, nicht als ausreichend. Oder anders gesagt, richtet sich ihre Darstellung an Menschen, die sich in ihrem politischen und persönlichen Handeln ermächtigen und einen gemeinsamen Begriff davon haben. Wenn sie[*] zu Beginn schreibt: „Ein Hoch auf Empowerment – egal in welcher Art und Weise“ (#14, S. 35) oder abschließend: „Und deshalb, genau deshalb ist Empowerment genau das Richtige. Und super wichtig“ (#14, S. 37), spricht das auf empowernde Weise jene an, die diese Erfahrungen teilen, führt aber nicht zu einer gemeinsamen Auseinandersetzung darum, was unter Empowerment jeweils verstanden wird. Wir gelangen zu einer – möglicherweise notwendigen – schützenden Selbstbestätigung, nicht aber zu einem „einen Ort der solidarischen, wechselseitigen Kritik auch der Bedürfnisse“ (#12, S. 38), auf den Rubaschow in seinem Text die Hoffnung nicht aufgeben will.

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Großevents – der Linken liebstes Kind

Lesedauer: 7 Minuten

Reflexion über meine Motivation daran teilzunehmen

zuerst veröffentlicht in: Lirabelle #11 / Dez. 2015

von Mona Alona

Frankfurt 18. März, Garmisch-Partenkirchen 3.-7. Juni, Berlin 21. Juni – hatte ich nichts anderes, sinnvolleres zu tun, als mir diese und andere antikapitalistischen Events anzuschauen? Wusste ich nicht zuvor schon, was mich jeweils erwarten würde und das es „realistisch“ betrachtet im Grunde genommen keinen Unterschied macht, ob ich mich als einzelne Person beziehungsweise mit einer Bezugsgruppe in routinierte Protestmodi hineinbegebe, die mit verschiedenen Argumenten kritisiert werden können und sollten? Gelegentlich scheint es, als würden Linke, wenn ihnen nichts besseres einfällt um ihre Ohnmachtsgefühle zu kompensieren, das tun, was sie eben gefühlt am besten können: eine Demo zu organisieren, damit sich im Zweifelsfall immerhin alle Aktivist*innen mal wieder treffen und durchzählen können, wie viele es von ihnen denn noch gibt.

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Grundprobleme von antiautoritären Gruppen

Lesedauer: 7 Minuten

Originaltitel: Grundprobleme von antiautoritären Gruppen in der individualistischen Gesellschaft: Das Bockhaben und die Vermeidung von Vereinbarungen

zuerst veröffentlicht in: Gai Dao #64 / April 2016

von Mona Alona

(Der folgende Text ist eine polemische Zuspitzung, mit dem ernsten Anliegen, auf Probleme in antiautoritären Gruppen aufmerksam zu machen, wobei keine Lösungsvorschläge mitgeliefert werden. Ich vermute, dass auch viele andere Antiautoritären ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass hierarchiefreie, basisdemokratische Prozesse möglich sind und auch produktiv sein können – für anarchistische Ansätze sind sie unumgänglich. Dazu müssen Vereinbarungen getroffen werden, eine kollektive Organisierung geschehen und das „Bockhaben“ Einzelner darf nicht die verbindliche Übernahme von durch die Gruppe definierte Aufgaben ersetzen. Das heißt selbstverständlich nicht, dass alle Aktivitäten in Gruppen durchzuführen sind.)

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