Eine Sendung zu Landauer

Lesedauer: < 1 Minute

Eine gute Weile ist es her, dass wir dieses Interview geführt haben. Die Länge meiner Antworten sollte ich noch mal herunterschrauben und fokussierter sprechen. Ansonsten bin ich aber damit ganz zufrieden. Produziert und ausgestrahlt vom Anarchistischen Radio aus Karlsruhe.

https://radioa.noblogs.org/14-08-2022-radio-%e2%93%90-der-gudde-gustl-eine-sendung-fuer-und-ueber-gustav-landauer-interview-mit-jonathan-eibisch/

https://archive.org/details/sendung-14.08

Rückfahrt, Umbruch, Übergang

Lesedauer: 5 Minuten

Landauer trifft mich beim Runterkommen

Auf dem Rückweg sitzt auf dem Zweiersitz im Zug neben mir ein schnöseliger Typ. Er hat Lederschuhe an, einen offensichtlich teuren Mantel in beige neben sich hängen und eine runde Brille auf. Ich neige nicht wirklich dazu, Menschen in Kategorien zu pressen. Weil ich selbst meine, in diverse Kategorien nicht hinein zu passen und sie zu überschreiten. Naja, da kann man natürlich auch die Fiktion der eigenen Besonderheit draus konstruieren… In diesem Fall fällt es mir aber wirklich schwer, meine Vorurteile zurückzustellen. Denn er liest den aktuellen GegenStandpunkt, das Magazin dieser hyper-marxistischen Sekte, einer längst zugrunde gegangenen Unterunterströmung der Neuen Linken.

Das Problem aus marxistischer Perspektive ist nicht er als Person, sondern er als Subjekt. Das Großbürgerkind Karl reflektierte den Standpunkt des Bürgertums ja sehr gut – und ermöglichte deswegen seine radikale Kritik. Daher kann ich von außen nicht beurteilen, ob der Studi vor allem damit beschäftigt ist, seinen bürgerlichen Standpunkt zu rechtfertigen und dementsprechend auch zu verteidigen – wie die antideutschen Intellektuellen.Oder, ob er tatsächlich an seiner Selbstdemontage arbeitet. Beziehungsweise den Verhältnissen, deren Produkt er ist. Oder – was die komplizierteste Variante wäre – ob er den schnösel-bürgerlichen Habitus mimt, um sich in der radikalen Kritik an ihm zu ihm zugehörig zu fühlen, weil er tatsächlich einem Milieu entstammt, dass in der sozialen Hierarchie weiter unten steht. Klingt seltsam, habe ich aber schön öfters mal erlebt… Mit den Studierenden- und Schlaumeierkreisen habe ich jedenfalls nur noch selten zu tun.

Und darum bin ich froh. Warum also kreisen meine Gedanken in solchen absurden Bahnen? Es wird immer irgendwelche Besserwisser-Studies geben, die super klug und super elitär sind und de facto nichts für sozial-revolutionäre Veränderungen beitragen – so wie die Leute bei Platypus und so weiter. Was verändert sich eigentlich wirklich in linken Debatten und Szenen, außer die Aufmachung der Labels? Sind es nicht immer dieselben Irrwege, welche Jahrzehnt für Jahrzehnt wieder gegangen werden? Und während ich dies denke, weiß ich natürlich auch, dass andere das gleiche von meiner Position sagen. Ein Unterschied ist allerdings, dass ich tatsächlich nicht nur dagegen stehe, sondern protestiere, also für etwas einstehe – und weiß, was es ist.

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Abgleich von „Beziehungsweise Revolution“ und dem kommunitären Anarchismus

Lesedauer: < 1 Minute

Markus Riepenhausen hat eine wie ich finde sehr interessante Hausarbeit mit dem Titel „Zur Kontinuität der libertären Gemeinschaft.
‚Beziehungsweise Revolution‘ im Lichtstreif des kommunitären Anarchismus“
geschrieben, die ich hier gerne zur Verfügung stellen möchte. Also zunächst einen großen Dank an ihn für das Zurverfügungstellen derselben. Die Arbeit bleibt damit geistiges Eigentum des Autoren und darf als solche zitiert werden. (Namensnennung-Nicht kommerziell CC BY-NC)

Markus beschreibt den kommunitären Anarchismus, in Anschluss an Gustav Landauer, Martin Buber und John P. Clark als eine Variante oder Tendenz des Anarchismus, mit einer eigenen Beschaffenheit und eigenständigen Grundannahmen. Gewisse Überlegungen, insbesondere im Verhältnis von Einzelnen zu Gemeinschaften und ihrer Vermittlung, weisen dabei auch Schnittpunkte und Parallelen zu verschiedenen Theorien des „Kommunitarismus“ auf, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass wir es wie erwähnt mit einer Tradition zu tun haben, welche über die Liberalismus/Kommunitarismus-Debatte der Siebziger weit hinaus reicht.

Ganz im Gegenteil erscheinen die angesprochenen Aspekte, wie etwa auch zu einem veränderten Revolutionsbegriff hoch aktuell. Demnach liegt auch ein Vergleich mit Bini Adamczaks „Beziehungsweise Revolution“ (2017) nahe. Markus zeigt hierbei plausibel, dass sich in diesem markanten Buch implizite Bezugnahmen auf Grundannahmen des kommunitären Anarchismus finden lassen. Dies bedeutet auch einen Baustein für den Nachweis, das zeitgenössisches links-emanzipatorisches Denken aus verschiedenen Gründen durchaus immer stärker von anarchistischen Grundeinsichten geprägt wird.

Es handelt sich um eine lesenswerte Arbeit, die auch einen guten Einstieg in die Thematik darstellt.

Ökologie und Anarchie (Broschüren)

Lesedauer: < 1 Minute

Die Gustav Landauer Initiative veröffentlichte kürzlich zwei Broschüren zum Thema Anarchie und Ökologie. Positionen für das Überleben der Menschheit. Sie können als Nachtrag zu unserem Lektüre-Workshop im November/Dezember dienen. Sie können unter den Links unten heruntergeladen werden. Hier die Inhaltsverzeichnisse:

Band 1: Aktuelle Diskussionen

  • Ökos und Anarchist*innen – EinInterviewmitJoséArdillo (2019)
  • TomWetzel, Ökosyndikalismus (2019)
  • Herrschaft und Ökologische Krise (2016)
  • JanetBiehl, Ökofeminismus und Deep Ecology (1995)
  • Murray Bookchin, Die Radikalisierung der Natur – Zur Ethik eines radikalen Naturverständnisses (1985)

https://gustav-landauer.org/sites/default/files/pdf-download/oekoreader_band_1_1.auflage.pdf

Band 2: Historische Texte

  • Cordelia, Grundsätzliches über den radikaler Naturschutz und die Robienschen Naturwarten (1923)
  • Paul Robien, Arbeitsfreude (1921)
  • Rolf Cantzen, Gustav Landauer und Peter Kropotkin (1987)
  • John Clark, Elisée Reclus – Die Menschheit, die Natur und das anarchistische Ideal (2004)
  • Elisée Reclus, Diegroße Familie (1896/1914)

https://gustav-landauer.org/sites/default/files/pdf-download/oekoreader_band_2_1.auflage.pdf

Landauer-Workshop – Teil 3

Lesedauer: 2 Minuten

Transformation und Neustrukturierung der Gesellschaft in Zwischenräumen

Als Anarchist beteiligte sich Landauer nicht an den politischen Herrschaftsinstitutionen. Gleichzeitig er äußerte sich zu zahlreichen politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Fragen seiner Zeit. Diese paradoxe Rolle bezeichnete er als Antipolitik. In verschiedenen Beiträgen zum Sozialistischen Bund oder zum Sozialistischen Beginnen will er mit jenen, die nach alternativen sozialistischen Lebensformen suchen Durch Absonderung [von der Mehrheitsgesellschaft] zur Gemeinschaft gelangen und Siedlungen gründen.

ABLAUF

11:00 – 11:15 Rekapitulation

12:00 – 13:00 Kernlektüre

Siegbert Wolf (Hrsg.), Gustav Landauer. Ausgewählte Schriften, Band 3.1. Antipolitik, Lich/Hessen 2010, darin:

– Gustav Landauer, Zwölf Artikel des sozialistischen Bundes (2. Fassung) [1912], S. 127-129.

– Gustav Landauer, Das dritte Flugblatt: Die Siedlung [1910], S. 140-145.

– Gustav Landauer, Die Einkehr [1909], S. 175-182.

– Gustav Landauer, Vom Weg des Sozialismus [1909], S. 184-189.

– Gustav Landauer, Sozialistisches Beginnen [1909], S. 198-202.

– Gustav Landauer, Schwache Staatsmänner, schwächeres Volk! [1910],S. 232-234.

(→ alle in einem Scan-Dokument, ca. 23 Seiten)

Gustav Landauer, Durch Absonderung zur Gemeinschaft [1900], verfügbar auf: https://www.anarchismus.at/anarchistische-klassiker/gustav-landauer/6619-gustav-landauer-durch-absonderung-zur-gemeinschaft (→ ca. 3 Seiten)

13:00 – 13:30 Pause

13:30 -14:15 erweiterte Diskussion

Cantzen, Rolf, Weniger Staat – Mehr Gesellschaft. Freiheit – Ökologie – Anarchismus, Grafenau 1997 [1987], S. 90-95, 231-238.

von Redecker, Eva, Praxis und Revolution. Eine Sozialtheorie radikalen

Wandels, Frankfurt/New York 2018, S. 155-168.

14:00 – 15:00 Abschluss

– Auswertung des Workshops

– weiteres Interesse an radikaler Philosophie und/oder anarchistischer Theorie

Landauer-Workshop – Teil 2

Lesedauer: < 1 Minute

Geschichtsphilosophie, Revolutionsverständnis, Utopie

Die Revolution (1907) ist für Landauer eine Phase des Übergangs, in welcher die sozialistische Gesellschaft bereits vorweg genommen wird. Dies hat stark mit seiner Geschichtsphilosophie zu tun, die nicht von einer Totalität, sondern von unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnissen ausgeht, welche parallel zueinander vorhanden sind. Unter Utopie versteht er keinen fernen Traum, sondern die Tendenz nicht realisierter Vorstellungen und Konzepte, welche zu allen Zeiten unter den dominierenden Herrschaftsverhältnissen mitläuft.

ABLAUF

11:00 – 11:45 Rekapitulation und Input zur revolutionären Situation 1918/1919

dazu u.a.: Simon Schaupp, Der kurze Frühling der Räterepublik. Ein Tagebuch der Bayrischen Revolution, Münster 2017.

12:00 – 13:00 Kernlektüre

Gustav Landauer, Revolution, Berlin 1977 [1907], S. 7-29, 52-59, 80f., 84-92, 96-102, 108-115. (→ ca. 47 Seiten, klein)

13:00 – 13:30 Pause

13:30 -14:15 erweiterte Diskussion

Siegbert Wolf, Gustav Landauer zur Einführung, Hamburg 1988, S. 51-57.

Jan Rolletschek, Begriff und Praxis der Revolution bei Gustav Landauer, in: Gai Dao. Zeitschrift der Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen, Sonderausgabe, Nr. 9 (April 2019), S. 15-20.

Bini Adamczak, Beziehungsweise Revolution. 1917, 1968 und kommende, Berlin 2017, S. 86-91.

14:30 – 15:00 Zusammentragen

Landauer-Workshop – Teil 1

Lesedauer: < 1 Minute

Sozialismus als Beziehung zwischen Menschen im Gegensatz zum Staat

Landauer ist der Ansicht, dass es, damit es zur Revolution kommen kann, es sich bereits heute sozialistisch zu orientieren und zu organisieren gilt. In seinem Aufruf zum Sozialismus von 1911 formuliert er diesen Appell, entfaltet Kerngedanken seines Menschenbildes und umreißt sein Projekt des kommunitären Sozialismus. Wie lassen sich neue Formen von Gemeinschaftlichkeit und Individualität denken und praktisch leben?

ABLAUF

11:00 – 11:45 Einstieg

– persönliche Vorstellung

– Vorstellung unseres Konzepts

– zur Biographie Landauers

– zur Aktualität Landauers

12:00 – 13:00 Kernlektüre

Heydorn, Heinz-Joachim (Hrsg.), Gustav Landauer, Aufruf zum Sozialismus, Frankfurt 1967, S. 57-68, 72-77, 82-84, 103-109. 115-119, 131-135, 141f., 147-150, 164-170, 178-186.

(→ ca. 57 Seiten, Seitenangaben nach der Ausgabe der Europäischen Verlagsgenossenschaft 1967)

13:00 – 13:30 Pause

13:30 -14:15 erweiterte Diskussion

Siegbert Wolf, Gustav Landauer zur Einführung, Hamburg 1988, S. 14-28.

Martin Buber, Pfade in Utopia, Heidelberg 1950, S. 81-99.

John Clark, The third concept of liberty. Theorizing free community, in: The Impossible Community. Realizing Communitarian Anarchism, New York/London 2013, S. 53-91, hier: S. 78-91.

14:30 – 15:00 Zusammentragen

Schatzkiste: Aufruf zum Sozialismus! (Gustav Landauer)

Lesedauer: 207 Minuten

Gern würde ich an dieser Stelle selbst tief gehender mit Gustav Landauers bekanntem Aufruf zum Sozialismus von 1911 arbeiten und meine eigenen Gedanken dazu ausbreiten. Allerdings sind auch meine Kapazitäten begrenzt und fehlt mir im Moment die Zeit dafür. Ich müsste schon „tausend Leben in einem führen“ wollen, wie es die von Stirner und Nietzsche beeinflussten anarchistischen Individualist*innen um die letzte Jahrhundertwende formulierten. Ein Leben zu bewältigen, es bewusst zu führen und davor nicht dauernd wegzulaufen, ist aber Aufgabe genug.

Portrait Landauers von Hanns Ludwig Katz

Außerdem brauche ich das Rad auch nicht neu zu erfinden. Die Leute von der Gustav Landauer Initiative haben in den letzten Jahren schon akribisch an der Wiederentdeckung seiner Schriften und Gedanken gearbeitet. Diese ist zwar einerseits von ideengeschichtlicher Relevanz, kann jedoch auch starke Inspirationen für ein aktualisiertes Verständnis von sozialer Revolution geben. Weiterhin bezogen sich Eva von Redecker in Praxis und Revolution (2018) und Bini Adamczak in Beziehungsweise Revolution (2017) ausgiebig auf Landauers Revolutionsverständnis, dass sie meiner Ansicht nach auf nicht ganz stimmige Weise mit der marxistischen Theorie versöhnen wollen. Von Redecker versucht Landauers komplexes und ungewöhnliches Denken als einen „metaleptischen Paradigmenwechsel“ zu beschreiben, wobei sie sich auf ziemlich abstrakte Weise vor allem mit dem Struktur-Handlungs-Problem herum schlägt. Adamczak wiederum findet hier die Beschreibung von Revolution als „synaptischen Konstruktionsprozess“, die deutlich von herkömmlichen marxistischen Verständnissen zu unterscheiden ist. Nebenbei ist hierzu auch Landauers geschichtsphilosophische Schrift Revolution (1907) zu empfehlen. So gehaltvoll und innovativ seine Denkweise auch ist, muss sein Schreibstil zunächst gehörig entschwurbelt werden, um seinen Kern zu erfassen. Schließlich arbeitete unter anderem auch John P. Clark in The Impossible Community. Realizing Communitarian Anarchism (2013) mit grundlegenden Gedanken Landauers. Die Beschäftigung mit diesem Werk führte mich dahin, den kommunitaristischen Anarchismus als eigenständige Tendenz zu erfassen.

„Schatzkiste: Aufruf zum Sozialismus! (Gustav Landauer)“ weiterlesen

Auftaktrede zur Landauer-Veranstaltungsreihe

Lesedauer: 6 Minuten

Eine recht frei runtergeschriebene Rede. Gehalten am 29.10. im Pöge-Haus.

Mensch – Geschichte – Revolution

Zur Aktualität des kommunitären Anarchismus Gustav Landauers

Herzlich Willkommen zur Buchvorstellung von Paul Stephan „Links–Nietzscheanismus. Eine Einführung“.

Als Mitorganisator unserer Veranstaltungsreihe zum kommunitären Anarchismus Gustav Landauers habe ich die Aufgabe übernommen, einige Worte zur Eröffnung zu dieser Veranstaltung und damit unserer Reihe zu sagen. Selbstverständlich werden wir sie durchführen, wenn auch den erschwerten Bedingungen, mit denen wir konfrontiert sind. Anstatt die aktuelle Situation einfach mit dem Anschein von Normalität zu überspielen, möchte ich zu Beginn einige Worte zum Elefanten im Raum loswerden. Die Corona-Pandemie wird zweifellos als Katalysator einer tiefgreifenden Veränderung des gesellschaftlichen Arrangements führen. Ob in Hinblick auf die Frage nach der Gewährleistung von Gesundheit, Arbeitsverhältnissen, Digitalisierung oder den Verwertungsschwierigkeiten des Kapitals im fortschreitenden 21. Jahrhundert werden wir in den nächsten Jahren zahlreiche Veränderungen erleben. Wir können uns nicht krampfhaft an das Alte klammern, denn sein Bestand ist unhaltbar geworden und vom Lauf der historisch-politischen Ereignisse überrollt worden. Peter Kropotkin, einer der wichtigsten Denker*innen des anarchistischen Kommunismus ging davon aus, dass in jeder Krise auch Chancen liegen, dass wir stets Potenziale suchen können, die uns zur Erkämpfung einer freiheitlichen, egalitären und solidarischen Gesellschaft motivieren können. Kommunistische und anarchistische Tendenzen gibt es für Kropotkin es auch in der heutigen Gesellschaft. Sie aufzuspüren und voranzubringen ist die Grundlage, um die neue Gesellschaft in der Schale der alten aufzubauen, zu organisieren, zu erkämpfen. Dies war auch die Herangehensweise des zeitgenössischen anarchistischen Denkers David Graeber, der bedauerlicherweise am 2. September gestorben ist.

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Zum kommunitaristischen Anarchismus

Lesedauer: 38 Minuten

Ausführliche Zusammenfassung und Besprechung von:

John P. Clark: The Impossible Community. Realizing Communitarian Anarchism, New York/London 2013

Jonathan Eibisch

zuerst veröffentlicht auf: untergrund-blättle.ch

Einstieg

So marginal der Anarchismus als soziale Bewegung heute wie eh und je ist – auch wenn er weite Spektren der gesellschaftlichen Linken in ihren Organisationsformen und Diskursen beeinflusst und inspiriert – kann doch festgestellt werden, dass er gelegentlich fundierte Werke hervorbringt. In John Clarks Buch wird anarchistische Theorie, auf eine so tiefgründige, informierte und auf soziale Bewegungen bezogene Weise formuliert, dass sie als Standardwerk gelten sollte. In The Impossible Community wird deutlich: Hier hat jemand gearbeitet, sich auseinandergesetzt und Gedanken entwickelt, statt lediglich Gemeinplätze zu formulieren, Dogmen zu wiederholen oder sich auf kleine Beispiele zu beschränken.

Wie der Titel schon verrät stellt sich Clark in die Tradition eines „kommunitären Anarchismus“, wie ihn beispielsweise Gustav Landauer vorschlug. In der politisch-theoretischen Debatte könnte diese Strömung – im Unterschied zu liberalen Ansätzen, wie archetypisch jenem von John Rawls1 – auch als „kommunitaristischer Anarchismus“ oder „libertären Kommunitarismus“ (S. 1) durchgehen. In seiner Bezugnahme auf Gemeinschaften ist er jedoch, von konservativen2, multikulturalistisch-sozialdemokratischen3 und republikanischen radikal-demokratischen4 Ansätzen abzugrenzen. Das Wertvolle bei Clark ist in diesem Zusammenhang, dass er sich gar nicht groß mit den sich im Kreis drehenden Diskussionen der Mainstream-Politikwissenschaften aufhält. Statt dort krampfhaft anknüpfen zu wollen, gelingt es ihm vielmehr – von Murray Bookchin geprägt und mit vielen anderen Anarchist*innen verbunden – eine eigenständige anarchistische Theorie zu entwickeln, die einen Unterschied macht und trotzdem äußerst fundiert ist.

Aus diesem Grund lohnt sich die Lektüre meiner Ansicht nach unbedingt und ich schreibe darüber, in der Hoffnung, jemand möge es auch übersetzen. Im Folgenden werde ich den Inhalt anhand der zehn im Band zusammengefassten Aufsätze, knapp darstellen, um einen Eindruck zu ermöglichen:

„Zum kommunitaristischen Anarchismus“ weiterlesen