Ich bekam den Hinweis auf einen Text, der schon vor einer Weile von „caracaramel“ auf Indymedia veröffentlich wurde und der sich hier festzuhalten lohnt. In der Zusammenfassung heißt es:
Einige Überlegungen zum Narzissmus in antiautoritären Szenen. Ohne „professionellen“ Anspruch, aus Erfahrungen geschrieben. Narzisstische Persönlichkeiten und Charaktere sind tatsächlich ein ernstzunehmendes Problem, was der Verwirklichung unserer eigenen Ansprüche, als auch unserer Organisations- und Aktionsfähigkeit entgegensteht.
Die Autorin versucht darin ausführlich zu beschreiben, was sie als „Narzissmus“ begreift und in der „antiautoritären/autonomen/anarchistischen Szene“ offenbar erlebt hat zu interpretieren. Dabei scheint es sich um einen persönlichen Verarbeitungsprozess zu handeln. Dieser gibt einige interessante Anstöße, da die Ausgestaltung sozialer Beziehungen in einer „politischen“ Szene neben anderen Aspekten (Organisationsformen, Ideologie, Aktionsfähigkeit etc.) sicherlich ein wichtiger Faktor ist, um Handlungsfähigkeit unter widrigen Umständen zu erlangen. Weiterhin spiegelt sich darin der präfigurative Anspruch wider, erstrebenswerte Beziehungen vorweg zu nehmen. Also muss darüber nachgedacht werden, wie solche in einer besseren Gesellschaft aussehen können. Auf dieser Grundlage können gegenwärtig verbreitete Erscheinungen von problematischen Charakterbildern oder -zügen auch kritisiert werden – um ihre Weiterentwicklung zu ermöglichen. Nicht, um die Welt und die Menschen „wie sie sind“, an dem zu messen, „wie sie sein sollen“. Sondern ausgehend davon, dass es möglich ist, Hier und Jetzt Unterschiede zu machen. Bezogen auf Verhalten und Persönlichkeit kann demnach ein trotziges „So bin ich eben!“ auf eine ernstgemeinte Kritik nicht genügen. Gleichwohl wäre die Vorstellung völlig überzogen, es gälte jetzt „erst einmal“ Verhalten und Charaktere „zu verbessern“, „bevor dann“ organisiert werden könne. Oder auch, dass es sich bei diesem Anliegen um die hauptsächliche „politische“ Tätigkeit handeln würde. Das ist sie sicher nicht. Aber eine unter vielen. In der linksliberal-versifften Szene-Blase wird zwar viel über „political correctness“ definiert und Ein- und Ausschlüsse vorgenommen. Kollektive Bewusstseinsbildung geschieht darüber jedoch meiner Erfahrung nach selbst. Das ist schade, denn die Entwicklung einer anarchistischen Ethik sollte nichts sein, was einzelne Personen mit hohen moralischen Ansprüchen vorgeben – sondern ein andauernder Verständigungsprozess, der sich maßgeblich an unseren Erfahrungen statt an gesellschaftlich verbreiteten Normen oder Gesetzen orientiert.
Wie auch immer, im Beitrag werden denke ich Erfahrungen angesprochen, die sicherlich viele machen und für die es keine einfachen Lösungen gibt. Auch wenn einige Andeutungen gemacht werden, bleibt der Text allerdings größtenteils bei einer Beschreibung und könnte noch etwas tiefer schürfen…
„Narzissmus: Wenn die Leere nie gefüllt wird, zerstört sie uns“ weiterlesen