This is what Democracy looks like!

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Völlig irre, was der Staat aus seinem Repressionsapparat loslässt. Wenn es den Aktivist*innen nicht um die paar Bruchhäuser geht, sondern eine rote Linie gegen den menschengemachten Klimawandel zu ziehen, scheint es der Regierung auch um mehr zu gehen, als um ein bisschen Kohle. Offenbar kalkuliert diese die „Radikalisierung“ eines bestimmten Milieus zugunsten ohnehin subventionierter Konzerninteressen bedenkenlos ein – ohne darüber nachzudenken, ob sich das langfristig nicht rächen könnte.

Allgemein mal wieder ekelerregend, was sowas wie die BILD schreibt und die legitim protestierenden Menschen als „Klimaextremisten“ betitelt. In einer Demokratie wäre sowas verboten!

Ich wünsche weiterhin gutes Gelingen für die gerechte Sache und maximale Kosten für den Polizeieinsatz! Zu einem anderen Zeitpunkt werde ich hoffentlich wieder mal dabei sein können.

Die Bilder stammen vom telegram-Kanal https://t.me/LuetziTicker22

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Flashback Hörsaal-Besetzungen

Lesedauer: 3 Minuten

Ich schaute letzte Woche bei einer Besetzung des Audimax in Jena vorbei und gestern bei einer in Leipzig. In Jena handelte es sich um einen Protest gegen die Abschaffung des Lehrstuhls für Geschlechtergeschichte. Damit geht es nicht nur um die Sparmaßnahmen an der neoliberalen Uni, sondern ebenso um die Frage, was und wie dort gelehrt wird. Insbesondere für die AfD, welche es sich nicht nehmen ließ vorbei zu kommen und das Thema in ihrem Kulturkampf aufzugreifen, sind progressive und engagierte Wissenschaften ein Dorn im Auge.

In Leipzig besetzte ein Zusammenhang End fossil: Occupy! den größten Hörsaal – sehr zum Unmut einiger Jura-Studierenden. Selbstverständlich wurde auch darin konkrete Forderungen an die Uni-Leitung gestellt, welche sich auf einen klimaneutralen Umbau der Institution bezogen. Darüber hinaus ging es aber um’s Prinzip. Und dies meiner Ansicht nach auch völlig zurecht: Die multiple Krise hinsichtlich der ökologischen Katastrophe, Inflation, Verarmung und Klassengesellschaft, Kriege, der globale Drift zum Autoritarismus – es gibt genügend Gründe, einen Schritt weiter zu gehen und sich die Räume anzueignen, welche ohnehin jenen zustehen sollten, die sie nutzen.

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Talk about our demonstrations

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Eine Reflexion über Demonstrationen als Praxis

Ein Beitrag von mir in der dritten Ausgabe des Bella Ciao-Magazins. Auch im dritten Heft finden sich Fotos und Berichte von verschiedenen links-emanzipatorischen Protestereignissen der letzten Monate aus der BRD.

Bedauerlicherweise macht sich die Inflation auch bei der Redaktion der Bella Ciao bemerkbar. Mit den 6€ Ladenpreis werden die laufenden Kosten nicht gedeckt, auch wenn hier niemand daran verdient. Also überlegt euch, ob ihr ein Abo abschließen und dieses Magazin unterstützen wollt!

Ich habe einen Gastbeitrag verfasst, den ich hier etwas zeitverzögert gerne abbilde. Mein Anliegen damit war die Reflexion über unsere Praktiken, die immer wieder vor der Gefahr stehen zu Selbstzwecken zu werden. Auch Demos sind logische und sinnvolle Mittel, um Menschen zu versammeln, Ansichten zu artikulieren, Diskussionen zu beeinflussen und einen Aktionsraum zu bilden. Dennoch ist von mal zu mal abzuwägen, ob eine Demo immer die richtige Aktionsform ist – und wenn ja, welche Ziele wir konkret mit ihr verfolgen und wie wir sie gestalten wollen….

Demos und ihre Funktionen

In meinem Umfeld und in der linken Szene im weiteren Sinne beobachte ich seit geraumer Zeit die Tendenz, dass der Besuch von Demos und das Engagement in selbstorganisierten Gruppen immer weiter auseinander zu klaffen scheinen. Die neoliberale Individualisierung, der immer schwerer zu entfliehende Zwang zur Lohnarbeit, als auch ein apokalyptisches Zeitgefühl lassen es nicht attraktiv erscheinen, sich langfristiger, verbindlicher und kontinuierlicher Basisarbeit zu widmen. Allgemein spricht nichts gegen das Organisieren und die Teilnahme an Demonstrationen. Im Gegenteil, sich im öffentlichen Raum zu versammeln, zu artikulieren und aktiv zu sein, ist äußerst wichtig für soziale Bewegungen.

Nur neigen viele leider dazu, das Mitlaufen bei der Demo als politische Betätigung schlechthin anzusehen – im schlimmsten Fall sogar als eine Art Ablass dafür zu begreifen, dass sie anderweitig keine Kapazitäten aufbringen könnten, um für eine andere Gesellschaftsform und konkrete Veränderungen zu kämpfen. Mit dieser Aussage lege ich keine Leistungsmaßstäbe an, wie sie uns im Kapitalismus ohnehin gepredigt werde. Aber ich kritisiere jene, welche meinen und auch erzählen, dass sie sich engagieren, während sie tatsächlich nur gelegentliche Demobesucher*innen sind und sich ansonsten auf twitter, facebook und Co. belesen. Kraftvolle Demos sind gut, funktionierende Basisarbeit ist besser. Erstere sollten Ausdruck von Letzterem sein. Viel wichtiger als die spektakulären Ereignisse sind die oft stillen Prozesse.

Es kursiert die Annahme, eine Demo würde für sich genommen „Druck auf die Politik erzeugen“ oder irgendwelche Veränderungen bewirken. Doch das ist leider ein Mythos. Dennoch sage ich nicht, dass Demos gar nichts bringen, im Gegenteil. Allerdings müssen wir uns bewusst machen, wozu sie dienen können und sollen. Darüber machen sich auch viele Leute andere Gedanken. Die folgenden Überlegungen sollen dazu nur eine weitere Anregung sein.

Im Wesentlichen haben Demonstrationen meiner Ansicht nach fünf Funktionen: Erstens dienen sie der Versammlung von ähnlich gesinnten und sympathisierenden Menschen, damit der Pflege unserer Gemeinschaften und eventuell auch der Erweiterung von sozialen Kontakten. Zweitens ermächtigen und bestärken sich Menschen, wenn sie unter einem bestimmten Label und mit ähnlichen Vorstellungen zusammen kommen. Sie wollen sich verstanden und verbunden fühlen – was völlig legitime Bedürfnisse sind. Werden sie erfüllt, kommen die Beteiligten auch im Alltag eher ins Handeln. Demos haben drittens die Funktion der Bewusstseinsbildung und der Selbstverständigung. Das geschieht in Redebeiträgen, in Gesprächen am Rand, durch Parolen, Transpi-Aufschriften und andere Stilmittel. Dies ist nicht allein ein rationaler Vorgang. Viertens soll mit ihnen Kommunikation nach außen und Überzeugung geschehen. Andere Menschen sollen mitbekommen, wofür die Demonstrierenden stehen, welche Wahrheit ihre Perspektive hat und wie sie begründet wird. Der fünfte Punkt besteht in der direkten Aktion. Das kann vieles beinhalten und muss keineswegs notwendigerweise in Glasbruch münden. Entscheidend ist aber, die Form des legitimierten Spaziergangs zu verlassen und sich selbstbestimmt die Straße zu nehmen.

Gegen die Demo-Reflexe

Selbstverständlich können Demos – abhängig von den organisierenden Gruppen, den politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen, der gesellschaftlichen Situation, dem Anlass und dem lokalen Kontext – sehr stark variieren. Schon aus diesem Grund kann es keine an sich gelingende Demo geben – allerdings durchaus welche, die ihre Ziele verfehlen. Weil wir oftmals eher dazu neigen die Aspekte zu benennen, welche uns nicht passen, nerven oder stören, als jene, welche wir gut finden, sollten wir aber auch wertschätzen, was wir hinbekommen. Eine andere Frage ist allerdings, ob es denn überhaupt immer eine Demo sein muss, wenn es darum geht, einen Handlungswunsch auszudrücken.

Gerade im deutschsprachigen Raum scheint mir die Kreativität hinsichtlich des Repertoires an Aktionsformen oftmals ziemlich beschränkt zu sein. Ein Ereignis bestürzt uns, wir fühlen uns ohnmächtig und die Antwort darauf ist sehr schnell eine Demo zu organisieren. Gleiches betrifft Jahrestage oder Gegenproteste. So verständlich das ist, sollten wir ernsthaft überdenken, ob Demonstrationen immer das adäquate Mittel sind, um unsere Anliegen zu verwirklichen. Und wenn wir zum Ergebnis gelangen, dass eine Demo für uns in Bezug auf ein bestimmtes Ereignis Sinn ergibt, führt dies zurück zu den oben erwähnten Absichten, welche mit ihnen verfolgt werden können.

Erst dann stellen wir uns nämlich die Frage, WIE unsere Demo tatsächlich aussehen soll, um Gemeinschaften zu stiften, Menschen zu ermächtigen, Bewusstsein zu bilden, zu kommunizieren, zu überzeugen und direkte Aktionen zu ermöglichen. Und in diesem Zusammenhang gilt es die verdammte Konsummentalität zu überwinden: Nein, dies ist nicht allein die Aufgabe der Demo-Orga. Sondern von allen, die sich daran beteiligen und irgendwelche Kapazitäten haben, sich darauf vorzubereiten. Dann nämlich gestalten wir diese Ereignisse selbst, machen sie also zu unseren eigenen Veranstaltungen.
Welche Demos hast du erlebt, die du richtig gut fandest und aus welchen Gründen war das so? Wie stellst du dir eine Demo vor, die du sinnvoll und kraftvoll findest, an der du dich gerne beteiligen und mitwirken willst? Von welchen Demos warst du genervt und frustriert? Woran lag das und wie lässt sich das verändern? Darüber lohnt es sich weiter nachzudenken.

Spontaneität und Lethargie der Masse

In der BRD wird zu viel herum gelaufen. Das ist nicht schlimm, sollte uns aber zu denken geben. Wer den Umkehrschluss daraus zieht, es müsste einfachmehr Krawall geben, bleibt oftmals ebenfalls bei einer recht eingeschränkten Vorstellung des Demonstrierens stehen. Deswegen gilt es militant zu werden. Das bedeutet, eine im besten Sinne kämpferische und lebendige Haltung zu entwickeln, sich also aktiv und dynamisch in die Ereignisse einzubringen.

Welche Handlungen sich daraus konkret ergeben bleibt dabei offen. Gruppen können kurze Straßentheater inszenieren, Flugblätter an Passant*innen verteilen, den Schatz an Demoslogans erweitern, mit Farbe arbeiten, nach Nazis kundschaften, völlig abseits der Route ein Statement setzen oder was auch immer. Es ist klar, dass dies nur durch organisierte Bezugsgruppen gelingen kann, in denen sich nach Möglichkeit nicht unmittelbar vor Beginn der Demo ein paar Einzelne zusammentun, die sich gar nicht kennen. Vielmehr sollten sich in ihnen Personen verschwören, die Überzeugungen und Aktionsformen teilen, miteinander und nach außen kommunizieren und sich bei allen Vorkommnissen unterstützen bzw. Unterstützung suchen können. Eine Demo ist nur so stark wie unsere genossenschaftlichen Beziehungen zueinander.

Die Teilnahme an Demos wird zwar gelegentlich vorbereitet, viel zu selten aber geschieht ihre Auswertung – egal, ob im eigenen Kreis oder einem größeren halböffentlichen Rahmen. Abgesehen davon, dass Repressionsdrohung zu vermeiden ist und Menschen begrenzte Kapazitäten haben, werden damit aber wichtige Lernprozesse verspielt – sei es in taktischer Hinsicht oder bei der Beziehungsarbeit. Jene Demonstration ist auch eine pädagogische Aktion.

Weil eine funktionierende Bezugsgruppenpraxis meiner Wahrnehmung nach bei weitem zu wenig ausgeprägt ist, kommt es dann doch immer wieder zu den bekannten Latschdemos. Auch hier gilt: Die Demo-Orga steckt zwar einige Rahmenbedingungen ab, ist dabei aber weder in der Pflicht die Konsummentalität der Teilnehmenden zu bedienen, noch hat sie das Recht vollends zu bestimmen, was auf der Demo stattfinden darf oder nicht. Dennoch sollten Kommunikationsmöglichkeiten vor, während und nach der Demo ausgeschöpft werden, wenn man nicht gegeneinander, sondern gemeinsam etwas erreichen möchte. Statt der einlullenden passiven Lethargie der Masse gelangen wir zu ihrer selbstbestimmten Spontaneität.

Das Spannungsfeld zwischen Reform und Revolution überwinden

In linksradikalen Kreisen wird oftmals ein Gegensatz von Reform und Revolution konstruiert. Damit wird ein Spannungsfeld zwischen der Forderung nach ganz konkreten Verbesserungen innerhalb des bestehenden politischen, rechtlichen und ökonomischen Systems einerseits und der Überwindung des durch die bestehende Herrschaftsordnung gesetzten Rahmens aufgemacht. Historisch wurde dies ausgiebig im sogenannten Revisionismus-Streit diskutiert. Eduard Bernstein gab die revolutionäre Perspektive vollständig auf, während Karl Kautsky den Fakt, dass die Sozialdemokratie sich bereits vollkommen angepasst hatte, dadurch verschleiern wollte, dass sie sich revolutionärer Phrasen bediente, um ihre Mitglieder zu mobilisieren. Rosa Luxemburg ging einen anderen Weg, indem sie die Partei als Ausdruck der organisierten Arbeiter*innenklasse ansah und mit dieser eine „revolutionäre Realpolitik“ anstrebte. Dagegen entwarf Wladimir Iljitsch Lenin eine „Partei neuen Typs“, welche als straffe Avantgarde-Organisation streng auf die politische Revolution hin ausgerichtet war und die Staatsmacht übernehmen sollte.

Leider viel weniger bekannt als diese sozialdemokratischen und parteikommunistischen Strategien, sind die anarchistischen. Jene entstanden gerade in Kritik sowohl an politischen Reformen, welche nicht aufs Ganze zielen und die von der herrschenden Klasse gesetzten Rahmenbedingungen aufrecht erhalten, als auch an der politischen Revolution, mit welcher von der falschen Annahme ausgegangen wurde, die Staatsmacht könne als neutrales Instrument verwendet und die sozialistische Gesellschaft mittels einer Diktatur eingerichtet werden. Alternativ thematisiert Élisée Reclus in einem Beitrag von 1891 sehr schön, dass „Revolution“ und „Evolution“ keine Gegensätze, sondern vielmehr zwei verschiedene Momente des selben Prozesses seien.

Vielfältige Strategien für anhaltende Veränderungen

Damit wurden vier Wege entwickelt, um grundlegende Gesellschaftstransformation zu erzielen. Erstens – als Abkehr von der Reform – die mutualistische Selbstorganisation, mit welcher darauf gesetzt wurde, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse sich durch Graswurzelarbeit langfristig und radikal verändern lassen Pierre-Joseph Proudhon und Gustav Landauer standen z.B. für diesen Ansatz. Zweitens wurde in Enttäuschung von der politischen Revolution auf den Aufstand ohne konkrete Zielvorstellung gesetzt, etwa von Luigi Galleani. Näher am Politikmachen dran sind dagegen, drittens, organisierte Massenbewegungen, welche zivilen Ungehorsam praktizieren. Sie sind keineswegs nur anarchistisch, aber Anarchist*innen wie Errico Malatesta oder Emma Goldman beteiligten sich aktiv in einer eigenen Strömung in ihnen. Schließlich beziehen sich alle diese Strategien, viertens, auch auf das Konzept der sozialen Revolution, welches sie gewissermaßen zusammenbindet und auf die Gesellschaftstransformation insgesamt hin ausrichtet. Wie insbesondere Peter Kropotkin herausarbeitet, wird damit auch eine konkrete Utopie als positive Vision für eine libertär-sozialistische Gesellschaftsform verbunden. In anarch@-syndikalistischen Ansätzen, z.B. bei Émile Pouget, wird dieser Bezugspunkt aufs Ganze wiederum mit konkreten sozialen Kämpfen im Alltag verbunden.

Es gibt also eine ganze Menge Strategien, um umfassende, radikale und anhaltende Gesellschaftsveränderung zu denken und soziale Kämpfe an ihnen auszurichten. Und wir sollten uns bewusst werden und entscheiden, welche Strategien wir – langfristig und auf bestimmte Situationen bezogen – eigentlich verfolgen. Denn auch dies wird sich auf die Gestaltung unserer Demos auswirken, ihren Charakter und ihre Effekte prägen. Es ist völlig klar, dass es dabei nicht den einen richtigen Weg oder nur eine sinnvolle Strategie geben kann. Tatsächlich vermischen sie sich, was auch völlig okay und bereichernd ist. Irritation und Streit kommen aber auf, wenn die Strategien, Ziele und Praktiken der unterschiedlichen Teilnehmenden sehr verschiedene sind – und wenn dies weder bewusst gemacht noch transparent und ehrlich kommuniziert und diskutiert wird. Und dies wirkt sich logischerweise auch auf die Gestaltung, den Ausdruck von Demonstrationen und die Handlungsoptionen in ihnen aus.

Autonomie oder Integration

Reform und Revolution gegeneinander zu stellen, ist konstruierter Widerspruch, den wir auch in der Ausgestaltung unserer Demos praktisch überwinden können. Viel eher lohnt es sich in einem Gegensatz von Autonomie und Integration zu denken. Denn dieses Spannungsfeld zieht sich im Grunde genommen durch alle sozialen Bewegungen und ihre verschiedenen Flügel. Zielen wir mit einer Demonstration vor allem darauf ab, Gehör für unsere partikularen Forderungen zu finden, ein Thema in den Mainstream-Medien zu setzen oder gar eine bestimmte Gesetzesveränderung zu bewirken? Oder wollen wir deutlich machen, dass wir uns selbst organisieren, die erstrebenswerten gesellschaftlichen Verhältnisse bereits praktisch einrichten und eine selbstbestimmte Agenda verfolgen, mit welcher wir auf eine möglichst klare Distanz zum gesetzten Rahmen der politisch und ökonomisch herrschenden Klassen und ihres Verwaltungs- und Zwangsapparates gehen? Hierbei geht es – ebenso wie bei den Transformationsstrategien – nicht in erster Linie darum, wie viel Macht die Aktiven in emanzipatorischen sozialen Bewegungen aktuell haben. Stattdessen ist entscheidend, wie und worauf hin sie ihre Botschaften, Ausdrucks-, Aktions- und Organisationsformen orientieren.

Auch wenn es zunächst etwas befremdlich wirkt – selbstverständlich können wir unser Handeln auch in einer kleinen Bezugsgruppe sozial-revolutionär, aufständisch, zivil-ungehorsam oder mutualistisch-selbstorganisierend ausrichten. Die Frage ist, WIE wir etwa tun und WO wir hin wollen. Und ob unser Handeln mit unseren Strategien, Vorstellungen und Aussagen übereinstimmt. Die Behauptungen, wir lebten in nicht-revolutionären Zeiten, erst müssten wir den Faschismus zurückschlagen oder aktuell wären nur Symbolpolitik oder marginale Reformen möglich, sind Schein-Argumente, die immer zur Integration in den Rahmen der bestehenden politischen Herrschaft dienen – auch wenn sie mit noch so linksradikal klingenden Phrasen und Begründungen vorgetragen werden. Dagegen wird es Zeit, dass wir eine andere Herangehensweise wieder entdecken und nach Autonomie streben.

Allerdings müssen wir uns dabei vor Augen halten, wer in welcher Position ist. Für Migrantinnen ist es beispielsweise entscheidend, dass sie einen Aufenthaltsstatus erhalten, damit sie in der BRD bleiben können – auch wenn das bedeutet, dass sie sich integrieren sollen. Ebenso ist es wünschenswert, wenn Aktivistinnen, die einer Lohnarbeit als Lehrerin, Anwältin, Journalistin, Sanitäterin oder Kulturschaffende nachgehen, ihre Positionen nutzen, um soziale Bewegungen zu stärken – auch wenn dies regelmäßig zu Widersprüchen führt. Dennoch können sie in ihren Aktivitäten für eine libertär-sozialistische Gesellschaftsform kämpfen, anstatt sich mühevoll am starren Rahmen der verwelkenden, zerrütteten Herrschaftsordnung abzuarbeiten. Eine solche Herangehensweise wird sich auch auf den Charakter von Demonstrationen und alle anderen Praktiken auswirken.

Not yet that hot – subjektive Eindrücke vom Sozialprotest

Lesedauer: 3 Minuten

Es sieht so aus, als gäbe es in den nächsten Monaten noch mehr Gelegenheit über die möglicherweise kommende Welle von Sozialprotesten zu berichten und die eigenen schlauen Spezialgedanken dazu zu äußern. Darüber gilt es sich auch weiter auszutauschen… Deswegen an dieser Stelle wirklich nur wenige subjektive Eindrücke meinerseits.

Den antiautoritären Block zu finden war zunächst nicht so schwierig, da ich rechtzeitig ankam. Dabei streifte ich auch die erschreckend große Kundgebung der Freien Sachsen, welche ihren Protest früher gestartet hatten: Doch heute standen Rechtspopulisten und Faschisten nicht in meinem Fokus. Für wichtiger hielt ich es, mir einen Überblick zu verschaffen, wie von unserem Lager aus Positionen formuliert und vorgetragen werden können.

Und es ist klar, dass es bei so einem linken Massenauflauf dabei nicht primär um die Überzeugungskraft eigener Inhalte geht (welche im Übrigen durchaus auch noch weiter zu entwickeln sind), sondern darum, überhaupt präsent zu sein. So hatte ich das Ganze jedenfalls verstanden: Erst mal zeigen, dass wir da sind, so als nette Anarchist*innen und Autonome von nebenan.

Auf jeden Fall begegnete ich einigen wirren Leuten und stellte fest, dass ich einfach sehr lange nicht mehr bei einem linken Massenevent war – aus Gründen. Neben SDS, Linksjugend, Roter Wende, Revolution, DKP und anderen, fanden sich dann auch unsere Leute zusammen. Das Netzwerk Leipzig nimmt Platz hatte parallel dazu aufgerufen, sich den Nazis in spe entgegen zu stellen.

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Heißer Herbst – Wir sind dabei

Lesedauer: 4 Minuten

Antiautoritärer Aufruf sich an den sozialen Protesten gegen die Preissteigerungen in Leipzig zu beteiligen. Kommt am 5.9. zur Demo am Augustusplatz!

Diesen Aufruf habe ich auf Indymedia gefunden und teile ihn zur Dokumentation und weil ich die Stoßrichtung gut finde.

übernommen von der Mobi in sozialen Medien

Die letzten Tage des Monats ist das Geld grade immer alle. Bei jedem von uns. Es ist verdammt bedrückend wenn wir abends nicht mit unseren Freund*innen Bier trinken gehen können, weil wir uns nicht schon wieder was leihen wollen. Wenn der Sportverein gekündigt wird weil die Waschmaschine kaputt gegangen ist. Die Miete steigt vertraglich jedes Jahr aber Hartz4-Satzerhöhung oder der neue Mindestlohn reichen nicht mal um die Inflation auszugleichen. Wir sitzen alle alleine in unseren Wohnungen und fürchten uns vor dem Nebenkostenbescheid im Frühjahr. Diese dauernde Armut macht wütend.An vielen Orten der Welt ist es schon am brodeln. Auch wir können dass hier schon spüren oder zumindest haben wir das Gefühl bald zu explodieren und warten nur noch gespannt darauf, dass es losgeht. Die soziale Spannung ist da. Im Konflikt zwischen Politik/Wirtschaft und den Menschen, die den Scheiß nicht mehr bezahlen wollen, wissen wir welcher Seite unsere Solidarität gilt, auch in Sachsen mit der hier vorherrschenden Rechten Hegemonie.

Solidarität heißt für uns nicht Vereinzelung, heißt nicht Befrieden sozialer Gegensätze. Solidarität heißt für uns Gegenseitige Hilfe, und zusammenstehen gegen Krisen und Unterdrückung.

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Gedanken zum anarchistischen ersten Mai

Lesedauer: 4 Minuten

In diesem Jahr fanden drei größere anarchistische Demonstrationen in der BRD statt und zwar in Dortmund mit etwa 1000 und in Hamburg und Leipzig mit je über 600 Teilnehmenden. Während es in Dortmund seit 2015 eine Demo zum ersten Mai gibt, wurde an diese Tradition in Hamburg erst vor vier Jahren und in diesem Jahr in Leipzig zum ersten Mal angeknüpft. Darüber hinaus wurden weitere Zusammenkünfte in anderen Städten wiederholt wie die anarchistische Kundgebung zum ersten Mai in Dresden oder der autonome erste Mai in Wuppertal. Auch in Münster oder Stuttgart versammelten sich Anarchist*innen, um ihre Anliegen auf die Straße zu tragen. Während diese stark von Mitgliedern der FAU getragen wurden, beteiligte sich das Leipziger Syndikat explizit nicht an den anarchistischen Tagen oder offiziell an der Demo. Auch der „autonome“ Charakter der Demo in Hamburg unterschied sich von dem einer Jugendbewegung in Dortmund. Den Preis für das kreativste Motto gewann sicherlich Hamburg mit dem Slogan „Verboten gut – Anarchismus in die Offensive“. Was Leipzig angeht war das Motto „Heraus zum anarchistischen ersten Mai“ sicherlich ein gutes Kick-off. Und „Für ein Zukunft ohne Krisen“ ist sicherlich ein guter, umfassender Anspruch, der in Dortmund formuliert wurde.

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Ausbeutung bei Domino’s Pizza

Lesedauer: < 1 Minute

Das Ergebnis eines selbstorganisierten Arbeitskampfes lässt sich sehen….

MDR Investigativ hat eine ansprechende und auf den Punkt gebracht Doku herausgebracht…

“Sell more Pizza – have more fun”. Das ist das Motto von Domino’s, dem weltweit größten Pizzalieferdienst. Erfolgreiche Franchisepartner bekommen eine Rolex geschenkt, die Fahrer und Pizzabäcker berichten dagegen von illegalen Tonaufnahmen, fragwürdigen Arbeitsverträgen und Trinkgeldabgaben. Unsere Reporter Leon Grüninger und Lukas Meya bewerben sich selbst als Fahrer und Franchisepartner und zeigen, wie es hinter den Kulissen von Domino’s Pizza aussieht. Bei den Recherchen lernen sie Aaron kennen. Der Pizzafahrer arbeitet seit zwei Jahren für Domino’s in Leipzig. Im Mai 2021 wendet er sich mit einer Unterschriftenliste an die Geschäftsführung des Leipziger Franchisepartners. Er und seine Kollegen wollen ihr Recht auf kostenlose Corona-Schnelltests am Arbeitsplatz durchsetzen. Zwei Tage später erhält er per Post seine Kündigung. Aaron lässt das nicht auf sich sitzen. exactly will wissen: Wie wichtig sind dem größten Pizzalieferdienst der Welt die eigenen Angestellten? Wer trägt welche Verantwortung im Franchise-Modell? Dazu lassen die Reporter Arbeitsverträge analysieren, liefern selbst Pizzen aus und begleiten Aaron bei seinen Protesten gegen den eigenen Arbeitgeber.

Autoren: Leon Grüninger, Lukas Meya Kamera: Daniel Berg, Alexander Hodam, Lars Langer, Leon Grüninger, Lukas Meya, Schnitt: Tobias Hohensee, Tim Fischer, Philipp Remberg, Thomas Hansen Grafik: Mathias Eimann Produktion: Dana Hilpert, Tina Hohensee Redaktionsassistenz: Kristin Jaeger Produktionsleitung: Frank Seidel Redaktion: Anja Riediger

Lützerath als rote Linie für 1,5°

Lesedauer: < 1 Minute

Die große Ende Gelände Aktion in Lützerath ist wieder vorbei, dass Dorf aber weiterhin vom Abriss bedroht. Irgendwo muss die Grenze für 1,5° anthropogene Erderwärmung gezogen werden. Deshalb ist es sinnvoll, sich auf Symbole des Widerstands zu beziehen.

Daher möchte ich diesen Brennpunkt hier zumindest zur Dokumentation festhalten. In der Rede der Aktivist*innen des Videos von Greenpeace (letztere durchaus nicht meine Freund*innen) kommen die eindeutig anarchistischen Inhalte zum Ausdruck, welche gleichermaßen an eine lange Tradition anschließen, wie auch ganz zeitgemäß sind. Beeindruckend ist, wenn Menschen beschließen, aus ihrem Alltagsleben auszutreten und sich eine Zeit ihres Lebens ganz einem Leben im Widerstand widmen. Zu beachten und auszubauen ist aber auch das (oft unspektakuläre) alltäglich widerständige Leben, welches potenziell viele Personen führen können.

Dennoch ist hierbei klar, dass es mehr Menschen braucht, die aktiv rebellieren müssten, um sozial-revolutionäre Ziele voranzubringen. Sogenannter „Aktivismus“ kann und darf nicht das Business spezialisierter Protest-Profies sein und bleiben, sondern ist unbedingt zu verallgemeinern. Es bringt nichts, sich zur Speerspitze einer grünen Transformation des Kapitalismus machen zu lassen. Die Lösung dafür kann nicht sein, Protest als Event darzustellen oder Protestierende in einer instrumentellen politischen Logik in Massenaktionen zu verheizen.

Alles in allem scheint in den Aussagen der Aktivist*innen dahingehend ein anderer Umgang mit sich selbst und der Welt durch – der Wunsch nach einem ethischen Leben in Würde, die Sehnsucht nach einer grundlegend anderen Gesellschaftsform. Die dort entstehende Form von Kampf-Solidarität ist die Basis für eine Verbindung verschiedener Kämpfe und sozialer Gruppen und mit ihr die Basis für die Sprengung von Systemgrenzen.

http://luetzerathlebt.info/

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Tag der deutschen Spaltung

Lesedauer: 2 Minuten

Am 3. Oktober 2021 finden in Halle (Saale) die bundesweiten Feierlichkeiten anlässlich des “Tags der deutschen Einheit” statt. Es werden die Repräsentantinnen und Repräsentanten von Staat und Politik erwartet, darunter Bundeskanzlerin und Bundespräsident. Bundesweit mobilisiert die extreme Rechte nun nach Halle. Festakt und politische Prominenz sollen die Kulisse für eine Machtdemonstration von rechts werden, wie vor einem Jahr bei den “Querdenken”-Protesten vor dem Deutschen Bundestag, bei denen es zum Versuch kam, das Reichstagsgebäude zu erstürmen. Die extreme Rechte setzt dabei nicht auf eine angemeldete Kundgebung oder eine große Demonstration, stattdessen mobilisieren zahlreiche Gruppierungen und Personen bei Telegram und über andere Plattformen ihre Anhängerinnen und Anhänger dazu, nach Halle (Saale) zu reisen. Dort sollen sie sich vermeintlich spontan versammeln. Bisher ist schwer einzuschätzen, ob den vielen Aufrufen nur einige Hundert oder wie in der Vergangenheit mehrere Tausende folgen werden.

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