Das ich wunderlich bin, ist jetzt keine Neuigkeit. Die Erkenntnis wurde kurz nach meiner Geburt verkündet; So bin ich ins Leben gestartet und ist mir die Welt begegnet, So habe ich mich über sie gewundert. Da sind so wunderbare Dinge und Vorkommnisse, die es sich lohnt zu betrachten. Täglich stumpfe ich mich ab, um dieser Tatsache nicht nachgehen zu müssen, um funktionieren zu können unter den Bedingungen einer Herrschaftsordnung, welche das Wunder der Existenz kontinuierlich vernichtet, indem es sie verwertet und unterwirft. Wer sich darüber ernsthaft wundert, muss mit der Verzweiflung kämpfen, welche sich bei der Erkenntnis über Zustand, in welchem wir leben, einstellt. Die Alltagsroutine wischt die Wahrheit weg. Wir belügen und selbst und lassen uns belügen.

Wer sich im fortgeschrittenen Erwachsenenalter noch wundert, wird misstrauisch beäugt. Denn wer zu viel fragt, wird oft nervig und unbequem. Er gilt als unreif und wird nicht ernst genommen. Im selben Zuge wird auf ihn eine kindliche Naivität projiziert, welche seinem Wesen aber gar nicht entspricht. Schließlich ist er ja kein Kind, sondern nur ein Wunderling. Und eines seiner hauptsächlichen Probleme ist: Wie kann er sich denn wundern und gleichzeitig ernst genommen werden? Aus diesem inneren Konflikt – dessen Ursache in gesellschaftlichen Rollenerwartungen liegt – entstehen Selbstzweifel und Aggressionen, die leider zu selten verstanden werden und die richtigen Adressaten treffen.
Alles völlig unnötig. Wunderlinge, sollten sich ihre Begehren und ihr Bestreben, sich zu wundern, zurück erkämpfen. Dazu haben sie jedes Recht. Allerdings ist es nicht so leicht, dass sie sich zusammenschließen. Sie brauchen eine Art coming-out. Wie lässt sich das aber realisieren, ohne, dass man dann so tut, als wenn das irgendwas Besonderes wäre; als wenn man gleich wieder eine Identität daraus macht? Je nach Leidensdruck kann das vielleicht eine Weile helfen. Bei all dem Rollenspiel, dass Menschen heute betreiben, empfinde ich das oft aber nicht als stimmig. Schrille Perücken oder Stimmen, extrovertiertes Auftreten oder anstrengende Stimmungsschwankungen, exzessives Konsumverhalten oder respektlose Kontaktaufnahme mit Fremden – ganz ehrlich, an meinen grauen Pullover und meinen verträumten, einsamen Blick kommt nichts davon heran.
Außerdem haben Erfahrungen gezeigt, dass das nicht der richtige Weg für Wunderlinge sein kann, sich mit Zuschreibungen oder gar vorgefertigten Schablonen der Konsumkultur zufrieden zu geben. Denn am Ende sind sie einfach nur Personen mit bestimmten Veranlagungen. Ganz normal eben, vielleicht sogar langweilig. In aller Langweiligkeit sollten wir deswegen die Welt langwierig auf den Kopf stellen. Keine Sorge, es werden sich genug andere finden, welche sie wieder auf die Füße stellen, weil sie allergisch gegen Chaos sind und nicht auf ihre Wundersensoren hören.