
Wenn nicht alles im Regen zusammen bricht, unterstütze ich heute eine Freundin bei einem Workshop zu libertärem Kommunalismus auf dem Klimacamp Leipziger Land. Das Konzept wurde ursprünglich von Murray Bookchin entwickelt, der damit allerdings an eine lange kommunalistische Tradition anknüpft. Die Grundlage dafür bildet das politisch-philosophische Konzept der sozialen Ökologie mit dem Begriff der sozialen Hierarchie, welche erstens abstrakt gehaltene Herrschaftsverhältnisse in vielen Bereichen konkretisiert und zweitens verdeutlicht, dass die ökologische Zerstörung unmittelbar aus einer hierarchisch strukturierten Gesellschaftsordnung hervorgehen.
Dass ökologische und soziale Themen untrennbar zusammengehören, ist mittlerweile in der Klimagerechtigkeitsbewegung selbstverständlich und auch in neueren Bewegungen wie Fridays for Future weithin verbreitet. Bildungsarbeit hat also durchaus eine Funktion, wie dieses Beispiel zeigt. In den 70er und 80er Jahren, als Bookchin seine Theorien entwickelte und bestimmte Themen setzte, war er damit sehr progressiv. Bekanntermaßen wurde er in seinen letzten Lebensjahren zunehmend verbittert und auch vom Puls der Zeit abgehängt, wenngleich beispielsweise seine Kritik an esoterischen Aspekten einiger ökologischer und feministischer Strömungen weiterhin ihre Berechtigung hat.
Wir sind keine Bookchin-Fans, würdigen aber sein Wirken als autodidaktischer Intellektueller, der seine Theorieentwicklung mit der Absicht, emanzipatorische Ökologiebewegungen zu inspirieren und zu fundieren betrieb. Damit widmete er sich einer wichtigen Aufgabe, deren Wirkung oftmals unterschätzt wird. So ist etwa auch der demokratische Konföderalismus der kurdischen Autonomiebewegung maßgeblich vom libertären Kommunalismus beeinflusst. Das Projekt A von Horst Stowasser formuliert, ist zwar nicht im engeren Sinne kommunalistisch, streuen wir aber als bekanntes Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum mit ein. Und in theoretischer Hinsicht schrieb John P. Clark (2013) ein lesenswertes Kapitel in seiner Auseinandersetzung mit Bookchin…
Übrigens schließen sich Kommunalismus und Globalität keineswegs aus, wie etwa an einer Konferenz zum Thema von 2019 zu sehen ist, die durch das Netzwerk Barcelona en Comú initiiert wurde. Im Sammelband zur Konferenz werden von den Podiums-Teilnehmenden verschiedene Themen wie öffentlicher Raum, Gemeingüter, Wohnungen und kommunalistische Nachbarschaftsnetzwerke besprochen, wobei eine feministische Perspektive auf all diese Bereiche einen besonderen Stellenwert einnimmt.
Interessant ist, dass mit dem libertären Kommunalismus tatsächlich der Aufbau von einer „Dual Power“, einer Gegenmacht zum Staat angestrebt wird. Werden nach und nach staatliche (bzw. verstaatlichte) Funktionen (wieder) in die kommunale Selbstverwaltung überführt, wird der Staat damit zugleich auch geschwächt. Die kommunalistische Räteverwaltung ist sicherlich nicht ganz herrschaftsfrei, aber zweifellos sehr anders gestaltet, als der Nationalstaat. Daraus folgt im Übrigen nicht zwangsläufig eine kommunale Borniertheit. Dennoch lässt sich fragen, welche Menschen tatsächlich dieses hohe Maß an Politisierung all ihrer Lebensbereiche aushalten, begrüßen und dementsprechend auch bereit sind, sich gewissermaßen in einem republikanischen Geist, an der Selbstverwaltung zu beteiligen. Immerhin handelt es sich jedoch um einen anderen Ansatz, als die populäre Symbolpolitik des Zivilen Ungehorsams, wie sie in den letzten Jahren zunehmend betrieben wird.