Es ist zweifellos nicht leicht, mit einem fundierten Geistes- und Sozialwissenschaftsstudium eine Lohnarbeit zu finden, welche dem Ausbildungsgrad entspricht. Dies trifft umso mehr zu, insofern zumindest ein Anliegen der Ex-Studierenden ja gerade darin bestand, sich nach Möglichkeit der Lohnarbeit zu entziehen und das Leben selbst zu gestalten. Dieses Privileg aus zu kosten und es als Grundlage zu nehmen, damit tatsächlich auch theoretisch zu arbeiten, führt jedoch dazu, dass ein als verträglich akzeptiertes Lohnarbeitsverhältnis zu finden immer unwahrscheinlicher erscheint. Denn welche Arbeit sollte den Ansprüchen, nach einem würdevollen Lohn, der selbstbestimmten Zeiteinteilung, gering ausgeprägter Hierarchien und vor allem Sinnhaftigkeit genügen? Äußerst unwahrscheinlich ist es, dass der Blogbetreiber mit den Themen, die er sich selbst gewählt hat, irgendwann eine feste Stelle als akademischer Lehrbeauftragter erhalten wird, davon tatsächlich leben kann und sich gleichzeitig nicht völlig überarbeitet.

Was bleibt, wenn die Karriere versagt, ist also der Weg in die Politik, oder, in diesem Fall: in die Pseudo-Politik des Texte-schreibens und Veranstaltungen-machens. Da die großen Ansprüche sich in dieser Gesellschaft kaum verwirklichen lassen, ebenso wenig wie die gemäßigten Ansprüche der Armen und Ausgegrenzten, suggeriert der Autor, er könne nur Theorie und nur diese Art von Theorie, machen. Er sabotiert sich selbst, indem er seine Fähigkeiten reduziert, ist wie ein Kriegsdienstverweigerer, der sich selbst ins Bein schießt.
Und dennoch tritt ja keine Zufriedenheit in der Ausübung dieser scheinbar selbst gewählten Rolle ein. Der Theoretiker muss immer weiter arbeiten, unabhängig davon, wer ihm zuhört oder rezipiert. Auf einem Blog kann er sich immerhin imaginieren, zu einer Fan-Gruppe zu sprechen, bei welcher ihm – weil virtuell – kaum auffällt, wie klein ihre Zahl ist. Insofern es überhaupt Leute gibt, welche ihr Interesse nicht nur aus Mitleid äußern.
Es handelt sich daher um eine klassische Anerkennungsproblematik, welche nicht auftreten würde, könnte der Theoretiker sich einfach ganz selbstverständlich und normal als Lohnarbeiter verstehen. Die wenigsten wollen Lohnarbeiter*innen sein. Diese zugewiesene Rolle anzunehmen ist in gewisser Hinsicht jedoch Vorbedingung, um sich aus ihr zu emanzipieren – was verschiedene Gestalt annehmen kann, welche die Arbeitsverweigerung einschließt.
Stattdessen wird hier jedoch ein Blog betrieben und eine merkwürdige Betriebsamkeit zur Schau gestellt. Augenscheinlich wäre deswegen danach zu fragen, was der eigentliche Motivationsgrund hinter dieser recht kontinuierlichen Produktion verworrener Gedanken ist. Geht es nicht darum, einfach jemand sein zu wollen, in einem sehr begrenzten Milieu Anerkennung und Status zu erhalten und sich einen Namen zu machen? Denn derartige, tief verinnerlichte Mechanismen wirken weiter, auch wenn fünf mal betont wird, wie raus sich der Autor fühlt aus den sonstigen gesellschaftlichen Normvorstellungen und -erwartungen. Wenn das aber sein Anliegen ist – warum lässt er sich dann nicht auf den dafür vorgesehenen Weg ein: Seine eigentliche Arbeit zu machen, sein akademisches Buch zu schreiben und dann einfach zu sehen, wie er über die Runden kommt? Im Grunde genommen zergrätscht er selbst permanent die Möglichkeit zur Erfüllung seiner – legitimen und verständlichen – Bedürfnisse nach Anerkennung, Wertschätzung und maßvoller Absicherung. Dass dieser Weg vor ihm, neben ihm und nach ihm auch einigen andere gegangen wird, macht die sich selbst erfüllende Prophezeiung nicht besser. Steht hinter dem erklärten Wunsch nach sozialer Revolution nicht tatsächlich jener nach Selbstdarstellung, die freilich mehr oder weniger professionell verschleiert werden soll? Weil er sich nicht eingestanden werden kann, weil der altruistische Theoretiker nicht zu seinen Bedürfnissen steht, zu denen er kaum einen Zugang hat? Bloggen jedenfalls ist eine Aktivität für Leute, die gescheitert sind oder solche wie den Autoren, der sich in seinem bäuerlichen Gemüt noch damit zufrieden gibt, ein C-Klasse-Intellektueller zu sein.