Wider_sacher_in: Problemverlagerung

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Was soll dieser Blog? Ja klar, angeblich geht es wieder mal um „die“ Sache. Was ist das hier ausgebreitete Konzept von „anarchistischer Theorie“ denn mehr als das Bestreben, anderen die Welt erklären zu wollen? Ist dieses Anliegen nicht gespeist aus der zwar verbreiteten – deswegen gleichwohl keinesfalls weniger traurigen – Grunderfahrung, dass die Welt sich unverständlich, irritierend, all zu oft auch konfliktbehaftet darstellt?

Hieronymous Bosch : Bildelement von „Der Garten der Lüste“ (lizenzfrei)

Die selbst erklärten Theoretiker*innen betreiben ihre Arbeit von Anbeginn an aufgrund eines Gefühls des Defizits. Ihnen mangelt es an unmittelbaren Zugängen zur ihnen verstellten Wirklichkeit, welche sie anderen unterstellen, stets locker, da unreflektiert, genießen zu können. Dies mag freilich gesellschaftliche und dabei persönliche Ursachen haben, für welche die Betreffenden nicht verantwortlich gemacht werden können. Anstatt sich jedoch die Frage zu stellen, wie sie auf direkte Weise die Bedingungen beeinflussen können, auf Grund derer sie die Welt als stumm erleben, abstrahieren sie die Problembearbeitung auf immer höhere Stufen. Anstatt ihre Handlungsspielräume auszuschöpfen und in ihrem Umfeld gestalterisch zu wirken, erzeugen sie damit jene Probleme mit, deren Lösung sie sich als Rätsel stellen. Auf hohem Niveau wird das individuell Erfahrene Defizit verlagert, in seine Einzelheiten zergliedert und dann neu zusammengesetzt.

Theorie wird hier nicht von ihrer Selbstauflösung her gedacht, da sich die sie Betreibenden in ihrer Rolle sonst vollkommen nutzlos vorkommen würden. Das Ergebnis sind jene berüchtigten Elfenbeintürme, in welche sich jene Kopflastigen flüchten, um sich Sicherheiten in verstörenden Umgebungen zu schaffen. (Das funktioniert übrigens auch unabhängig von den akademischen Institutionen, die allerdings in ihrer Eigendymanik auf die Selbstbilder der Theoretiker*innen wirken.) Doch ihre Ordnungssysteme, Grundannahmen und Modelle sind auf Sand gebaut. Die eigentliche Aufgabe verschieben sie und werden meisterlich darin, sich professionell im Kreis zu drehen. Die Herausforderungen werden nicht angegangen, je länger und breiter sie durchdacht, zerredet und zerschrieben werden.

Nicht, dass sie alle mit Leichtigkeit zu bewältigen wären und es keine wirklichen Fragen gäbe. Sicherlich, ihre Bearbeitung erforderlich auch Reflexion, Perspektivität und Tiefgang. Doch was hier präsentiert wird, schießt deutlich über‘s Ziel hinaus. Jedes Mal, wenn ich hier wieder lese, dass anarchistische Theorie ja nun wirklich der Praxis dienen soll oder bereits ein Teil von ihr wäre, meine ich eine Rechtfertigung dafür zu hören, dass sie jene substituiert.

Daher werde ich dem Autoren hier von Zeit zu Zeit auf die Finger schauen und seine krude Gedankenwelt spekulativ kommentieren.