In einer pfingstlichen Beschäftigung bin ich unter anderem auf dieses Genre gestoßen, um vom Feind zu lernen. Diese durchproduzierte Erweckungsbewegung im 21. Jh. mit all ihren fundamentalistischen Aspekten ist ganz Zeichen unserer Zeit. Dennoch gibt sie auch Einblick in ihre Vorläufer vor zwei Jahrhunderten, was ihre Stile, Inhalte und ihr Menschenbild angeht. Persönlich halte ich sowas mittlerweile für komplett reaktionär, da damit Bedürfnisse nach einer grundlegenden Gesellschaftsveränderung in eine vollkommen kapitalistische und post-fanktische Denk- und Empfindensweise gewendet werden. Das müsste nicht so sein, scheint mir aber letztendlich darauf hinaus zu laufen.

Es ist die Ideologie von nach Aufstieg strebenden sozialen Gruppen, deren Angehörige instabile Persönlichkeiten haben. Sie trifft in einer Welt auf fruchtbaren Boden, welche als apokalyptisch erlebt wird. Durch anerzogene Schuldgefühle wird Erlösungshoffnung ins Jenseits projiziert und das Feindbild der auszugrenzenden und zu auszumerzenden Sünder bedient. Warten soll man auf den Herrn, aufhören zu fragen, sich niederwerfen soll man – nicht etwa kämpfen, zweifeln, aufbegehren. Religion hat immer auch Tendenzen, bloßes Business und klare Herrschaftsideologie zu sein. Dabei besteht nicht die Notwendigkeit, die künstliche Produktion des heiligen Geistes zu verschleiern.
Denn solche Erweckung ist immer etwas Produziertes. Von der Sache her waren die Wanderprediger mit ihren donnernden Stimmen, spektakulären Bildern und Taschenspielertricks nie etwas anderes. Weil Menschen als manipulierbar, zu strafen und zu beherrschen angenommen wird, stellt dies die Rechtfertigung dar um sie zu manipulieren, zu strafen und zu beherrschen. Nicht ohne Grund sind viele – nicht alle – evangelikale Strömungen mit Faschisten verbündet.
Was sich als vollkommen falsch erwiesen hat, ist die Ansicht, dass das Bedürfnis nach holistischer Verbundenheit sich mit Ausdehnung des kapitalistichen Staats und der liberalen Moderne, mehr oder weniger von selbst erledigen und Privatsache würde. Das Gegenteil ist der Fall: In der bestehenden Gesellschaftsform erodieren Gemeinschaften und Sinngefüge weiter und müssen daher auf die eine oder andere Weise wieder erschaffen werden. Jene, die am vereinzelten sind, finden sich in Depression wieder oder meinen sich durch Fundamentalismus davon zu retten.
Für ein anarchistisches Projekt im 21. Jahrhundert ist danach zu fragen, wie sich ein reflektierter und emanzipierender Anarch@-Populismus entwickeln lässt. Eine konkrete Utopie als Vision, wo es gesamtgesellschaftlich hingehen kann und wofür es sich zu kämpfen lohnt, ist ebenso zu versinnbildlichen, zu veranschaulichen, wie im Herzen zu spüren. Es ist möglich mit Emotionen zu arbeiten, Stimmungen zu erzeugen und zu kanaliseren, ohne dass solche Bestrebungen automatisch manipultiv wären. Wir können offen und transparent damit umgehen, welche Emotionen wir in welchen Kontexten erzeugen, fördern, ansprechen wollen – und warum. Auch diesen unfertigen Gedankengang werde ich an anderer Stelle fortsetzen…
Zur Veranschaulichung, worauf ich mich beziehe:
https://www.youtube.com/watch?v=OvHtFPZLQj0&ab_channel=DunsinOyekan