Tiefrote Gruppen auf dem Vormarsch – Was tun?

Lesedauer: 3 Minuten

Es ist echt irre, mehr als 30 Jahre nach dem Untergang der DDR und der Eingliederung ihres Gebiets den kapitalistischen Staat der BRD, halten gewisse Leute erstere immer noch für das bessere Deutschland, als das es auch damals dargestellt wurde. Was heißt immer noch? Eher „wieder“ müsste man sagen, denn neben den wegsterbenden ganz alten Nostalgikern trat eine Generation von Nachgeborenen auf, welche in einer konservativ-kommunistischen Sehnsucht die bessere Vergangenheit und das gescheiterte, vermeintliche Aufbruchsprojekt affirmiert.

Dass Staatlichkeit selbst das Problem ist, davon wissen diese Kommunist*innen wenig oder kaschieren dies mit ideologischen Phrasen weg. Überhaupt strengt die hermetische Abgeschlossenheit ihrer Ideologie ziemlich an. Sie sind die ultra-orthodoxen, welche glauben, gegen jeden „Revisionismus“ vorgehen zu müssen, weil sie eben keine eigenen Inhalte aufzuweisen haben, außer pseudo-revolutionäre politische Phrasen. Seit geraumer Zeit sind die K-Gruppen wieder auf dem Vormarsch, seien sie maoistisch, stalinistisch oder trotzkistisch. Parteien wie die „marxistisch-leninistische“ MLPD davon mal ausgenommen an dieser Stelle, weil diese Sekte schon länger krampfhaft als Treppenwitz der Geschichte fungieren will.

Die neue Stärke autoritär-kommunistischer Gruppierungen ist selbstredend nur relativ zu sehen, nämlich in Bezug auf die ohnehin schwache linke Szene mit ihren sehr unterschiedlichen Facetten. Wahrgenommen werden kann sie dennoch. Tiefrote, hierarchische Gruppen haben Zulauf und das wird zum Problem für links-emanzipatorische Akteur*innen, weil die Autoritären erstens sinnlose, aber kaum zu umgehende Grabenkämpfe provozieren, weil sie zweitens das Bild vom „Linkssein“ allgemein prägen und damit Fremdscham verursachen (was mich nicht aus persönlichen, sondern aus strategischen Gründen interessiert) und weil sie sich drittens in unseren Räumen breit machen und potenziell emanzipatorisch gesinnte Leute mit ihrer Scharlatanerie verwirren.

Offensichtlich wurde das Lager des autoritären Kommunismus über die letzten Jahre neu organisiert und es ist billig, sich darüber aufzuregen oder den einen oder anderen Diss zu verteilen, um ihm wenigstens einen Dämpfer zu geben und seine Ausbreitung zumindest etwas einzudämmen. In diesem Zusammenhang stehe ich für eine möglichst klare Trennung der unter diesen Ideologien firmierenden Splittergruppen. Denn natürlich ist es gerade ihre weitgehende Irrelevanz in den latenten sozialen Konflikten, weswegen sie umso mehr Fahnen schwenken, Klassenkasper spielen wollen und sich als Avantgarde inszenieren.

Auch wenn dies richtig ist, gilt es auf das eigene Lager zu schauen. Und da ist es nun mal so, dass es innerhalb der anarchistischen Szene zu viel Diffusität, Beliebigkeit und Unverbindlichkeit gibt. Womit ich keinesfalls sagen will, dass dies auf Anarchist*innen allgemein und generell zutrifft. Es gibt Städte, in denen es lebendige und aktive anarchistische Zusammenhänge gibt (und damit meine ich all ihre Ausprägungen, ob syndikalistisch, insurrektionalistisch, kommunistisch oder an sozialen Bewegungen orientiert). In mittleren Städten und ländlichen Gegenden sind Anarchist*innen verstreut und wenn es gut läuft in antifaschistischen, ökologischen oder feministischen Gruppen aktiv. Dort machen sie auch Unterschiede und bringen ihre Perspektiven ein. Von einer dezidiert anarchistischen Strömung in sozialen Bewegungen sind wir aber im deutschsprachigen Raum weit entfernt.

Organisation, Bewusstseinsbildung und Aktion können nicht aus dem Kopf heraus geboren werden, sondern sind praktisch zu verwirklichen. Dort, wo sich Anarchist*innen finden, sollten sie sich regelmäßig treffen, aufeinander beziehen, sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam handeln. Darüber hinaus braucht es geteilte Analysen, die Erfahrung der eigenen Wirkmächtigkeit und – wo es möglich und sinnvoll ist – auch das Auftreten in der Öffentlichkeit, um die eigenen Positionen einzubringen.

Mir ist klar, dass dies vollmundige Phrasen sind, die für sich genommen keine Relevanz haben, weil sie nicht das zähe, kontinuierliche und bisweilen äußerst unbequeme Engagement ersetzen können, das von Nöten wäre, um unser Lager zu stärken. Und ebenso klar ist mir, dass es zahlreiche Genoss*innen und Freund*innen gibt, welche einen großen Teil ihrer Zeit aufwenden, um aktiv zu sein, sich einzubringen und ein widerständiges Leben zu führen. Dies gilt es anzuerkennen und zu wertschätzen, denn meistens handelt es sich um unsichtbare und langwierige Tätigkeiten, die keine schnellen Kicks oder Bestätigung zur Folge haben.

Entscheidend ist, dass wir uns nicht selbst unerfüllbare Ansprüche auferlegen, sondern tun, was in unserer Macht liegt. Dazu können wir das Selbstvertrauen entwickeln, dass wir sinnvolle Ansätze verfolgen, auf lange Erfahrungen und richtige Einsichten bauen können. Mit dieser Herangehensweise werden auch neue Föderationen in größerem Maßstab möglich, die kein Selbstzweck sein, sondern der langfristigen Orientierung und gegenseitigen Unterstützung dienen sollen. Im Zuge dessen, wird auch wieder ein deutlicheres Gegengewicht zu den autoritär-kommunistischen Gruppierungen geschaffen.