Supersuper Wahljahr

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Und wieder mal ein Superwahljahr. Komisch, ich kann es überhaupt nicht mehr zuordnen, wann das letzte war. Mir kommt es aber so vor, als wenn eigentlich dauernd super Wahljahre sind. Also zumindest alle vier Jahre, manchmal aber auch alle zwei. Wie auch immer, ärgerlich ertappte ich mich dabei, doch wieder Wahlumfragen anzuschauen und die Statements der Kanzlerkandidat*innen anzuhören. Ich möchte mich modern und informiert fühlen. Dass ich es chronisch glaube nicht zu sein, hängt einerseits mit meiner ostdeutschen Sozialisation, andererseits mit meiner kindlichen und jugendlichen Anti-Haltung gegenüber allen Trends zusammen. Ich arbeite daran, mich dort heraus zu schälen, denn sonst wird eben keine sozial-revolutionäre Perspektive daraus. Doch das bleibt… wie sagt man? … ein Prozess.

Wie auch immer: Kanzlerkandidat*innen-Aufstellung und das ganze Drumherum. Kriegt man mal wieder das Gefühl verkauft, dass es um irgendwas ginge. Eigentlich geht es ja auch um was, aber nicht um das, was mir da präsentiert wird medial. Die Frage der Gesellschaftsform, in welcher wir leben, stellt sich dabei verständlicherweise nicht. Die Pandemie war ein super stressiger Stillstand – da ist es nett, mal einer Pseudokontroverse zu folgen. Und da ich leider bisher Fußball oder anderen Sportarten, wo Mannschaften konkurrieren, nie etwas abgewinnen konnte, führt das dann eben wieder zum Wahlspektakel zurück. Angriff – Teamplay – Verteidigung – Rückpass – Schuss – Tor – und wieder rein ins Feld. Klar, es ist nun auch Frühling und da ziehen die Heere traditionell in die Schlacht, nachdem sie im Winter gerastet, sich gegenseitig geschont und ihre Waffen repariert haben.

Dass immer mal was in Bewegung zu sein scheint, politisch, finde ich auch gut. Gesellschaft hat nun mal keine ontologische Grundlage, weswegen die ganzen Rechten verschiedener Coleur ja auch so krampfhaft bemüht sind, sich irgendwelchen Quark wie „Heimat“, „Tradition“, „Nation“ und solchen Unsinn zurecht zu konstruieren. Ich kann verstehen, dass sie sich gerne mit irgendwas verbunden fühlen möchte, na sicher. Da frage ich mich, ob das präfigurative so-tun-als-ob bei ihnen nicht manchmal weit fortgeschrittener ist, als bei den Anarchist*innen… Aber Verbundenheiten und Zugehörigkeiten zu generieren ginge doch auch anderes, direkter, realer. Zum Beispiel in gelingenden menschlichen Beziehungen oder solidarisch-freiheitlichen gesellschaftlichen Institutionen.

Da ist jetzt also ein Laschet Kanzlerkandidat bei der CDU. Ja soll er mal. Hab ich eigentlich keine Meinung dazu. Ist mir sozusagen einfach egal. Bloß Söder, den mochte ich nicht. Denn der ist böse. Warum kann ich an dieser Stelle nicht begründen. Es ist mehr so ein Gefühl im Grundrauschen medialer Eindrücke. Beim Merz vorher ebenso. Und bei den GRÜNEN wurde es dann Baerbook und nicht Habeck. Obwohl der Habeck, wie ich dann gelesen habe, doch gar nicht so der Gentleman war, sondern selbst Kanzler in spe sein wollte und nun mit den Zähnen knirscht. Was ich ehrlicherweise überhaupt nicht verstehen kann, vermutlich weil ich kein Macht-versessener Spitzenpolitiker bin. Und sein werde. Mal ehrlich, was ist mit dem Typ denn los? So Finanz- oder Kriegs- oder Außenminister – das sind doch auch alles recht Zeit-füllende, verantwortungsvolle und gut dotierte Posten, oder?

Dahingehend zeigt sich dann aber, dass ich eben die Sport-Logik nach wie vor nicht kapiert habe. Es geht nicht darum, irgendwie gut zu spielen. Man möchte die Nummer eins sein. Und das ist jetzt eben diese Frau da, die ohne Regierungserfahrung. Gut, das macht sie mir natürlich erst mal sympathischer, weil ich meine Erfahrungen bisher ja vor allem gegen Regierungsdinge gemacht habe. Aber das reicht eben nicht. – Weil die Zecken den Hals nie voll kriegen, das kennt man ja. – Nein, ich muss es gestehen: Ich verachte auch Baerbook und den ganzen Laden, für den sie steht. Nicht, das wir uns falsch verstehen: Ich fühle mich nicht verraten oder sowas. Das könnte ich nur, wenn ich unterstelle, dass es da mal eine gemeinsame Position gegeben hätte. Allerdings hat eine nicht unbeträchtliche Anzahl Anarchist*innen hat einen angegrünten Hintergrund. Statt es den vermeintllich Professionellen mit ihrem angeblichen sozial-ökologischen Umbau zu überlassen, haben sie den Garten dann doch lieber selbst gemacht. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge.

Hinsichtlich der anderen Mannschaften vielleicht an anderer Stelle mehr. Nur so viel: Die Gelben? Politik als Firmenmodell… verstehe ich nicht, hab ich keinen Bezug zu. Die Blauen? Der Feind halt, muss man sich notgedrungen mit auseinandersetzen. Sozialdemokraten? Ja, Wagenknecht hat es kürzlich noch mal auf ganzer Linie verkackt. Schon extrem dumm, wenn man bedenkt, dass halt SUPERWAHLJAHR ist. Aber zu retten ist sie nicht. Und die Befreiung aus der Wagenknechtschaft kann nur das Werk der Wagenknechte selbst sein. Ansonsten tut jede vernünftige, integere und solidarische Person und Gruppe gut daran, die in den Skat zu drücken und sich auf die eigenen Aufgaben zu konzentieren. Von Der Partei hab ich auch noch nichts gehört hinsichtlich Kanzlerkandidatur-Vorschläge. Komisch eigentlich. Aber vielleicht sparen sie sich ihr Pulver noch. Und dann noch hier, Dings, neoliberal-bürokratische Zentristen: Hab ich eigentlich gar keine Meinung mehr dazu.

Was aber soll die Quintessenz sein aus meinem Äußerungs- und Prokrastinationsbedürfnis an dieser Stelle? Eigentlich nur die: Wie wir’s drehen und wenden, am Ende wird’s schwarz-grün im Herbst. Ich werde mir ein paar Nüsse holen, um vielleicht noch das eine oder andere Spiel zu verfolgen. Darüber hinaus möchte ich meine Zeit aber lieber wieder mit Politik verbringen. Oder mit etwas anderem?