Subversion, Satire und Performanz: Front deutscher Äpfel

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Zwischen 2004 und 2013 bestand die „Front deutscher Äpfel“ als performative Aktionsform mit dem Anspruch „Satire als angewandten Punkrock“ unter das Volk zu bringen. Im „Buch zur Bewegung“ (Max Upravitelev (Hrsg), 2014) wurden Gespräche, Aktionen und Debatten über die Verbindung von Politik und Kunst und Satire und Intervention festgehalten. Ziel der FdÄ war, neue und alte Nazis zu diskreditieren, indem Ästhetik und Sprache aus Hitler-Deutschland persifliert wurden. Sie können „gesellschaftlichen Herausforderungen konfrontativ mit Humor“ (S. 5) begegnen.

Auch wenn die Hochzeiten des organisierten „nationalen Obstbestands“ schon wieder etliche Jahre her sind, lohnt es sich, ihn in Erinnerung zu behalten. Eine Frage, welche mich in diesem Zusammenhang beschäftigt, ist, ob sie als Variante anarchistischer (Anti-)Politik zu verstehen ist. Dafür spricht ihre Selbstorganisation und ihre Distanz zur Politik, in welcher Kritik zum Ausdruck kommt, welche weit über jene an Nazis hinaus geht. Aktuell tendiere ich allerdings eher dazu, dies zu verneinen. Immerhin strebte die Apfelfront nicht an, eine Vision mitzugestalten, wie eine andere Gesellschaft aussehen könnte. Zudem ist ihr Ansatz nicht als sozial-revolutionär zu charakterisieren, sondern bleibt im Primat auf Satire dabei, den Feind zu diskreditieren – sich damit aber auch an diesem negativ zu orientieren. Gleichwohl kann der Aktionsform der Front deutscher Äpfel viel abgewonnen werden: Mit ihren performativen Inszenierungen kann sie potenziell selbstbestimmt, ermächtigend, konfrontativ und emanzipatorisch sein. Letzteres nicht zuletzt,weil mit ihr auch die eigenen psychischen Tendenzen des Autoritarismus und der Unterwerfung bearbeitet werden können.

Reflexionen über Widersprüche und ungeplante Irritationen bleiben daher im Buch nicht aus: „Es gilt zu zeigen, wie sich innerhalb der bestehenden Aufmerksamkeitsökonomie subversive Kunst betreiben lässt, ohne sich selbst zu ernst zu nehmen und krampfhaft eine Einmaligkeit des eigenen Schaffens behaupten zu wollen. Das, was wir gemacht haben, ist wiederholbar, es ist verbesserbar und nur eine künstlerische Methode unter vielen“ (S. 7f.), wie es im Vorwort heißt. Und weiter: „Eine Intervention ist kein emanzipatorisches Unternehmen per se. Es muss klar sein, in welche Situation interveniert wird, und warum. Dementsprechend sind im vorliegenden Band viele theoretische Reflexionen versammelt, die sich nicht nur dem Wie und Wann, sondern vor allem auch dem Warum widmen“ (Ebd.).

Als Gründungszeit beschreibt der Herausgeber die Entstehung einer aus dem Bauchgefühl heraus antifaschistischen Jugendszene am Völkerschlachtdenkmal, welche sich in ihrer Ablehnung der Nazis-Aufmärsche um Christian Worch zusammenrauften: „Was uns politisch vereinte, war der Protest gegen Nazis. Wir nutzt das entstandene Netzwerk, um uns auf anstehenden Demos vorzubereiten und uns über die Leipziger Szene auszutauschen. Während der Gegenproteste sammelten wir die ersten Erfahrungen mit Demoabläufen, Blockadeversuchen und prügelnden Polizisten. Zwischen den Naziaufmärschen beschäftigten wir uns immer mehr mit den Strukturen und Ideologien der Nazis“ (S. 10).

Aus der Konfrontation in antifaschistischen Protesten, entstanden so selbstbestimmte, souveräne Aktionsformen, mit denen die eigene Ohnmacht in Handlungsfähigkeit gewendet werden konnte. Darüber hinaus irritierten die Anhänger*innen der Apfelfront auch herkömmliche Linke und Antifaschist*innen in deren Humorlosigkeit, Dogmatismus und Anti-Reflexen. So heißt es beispielsweise im „Manifest des großen Apfels“ von 2005: „Wir hassen Nazis nicht, wir begreifen sie! Sie sind Gewächse, die aus den Saaten der Staaten sprießen. Solange wir den Acker noch nicht umgepflügt haben, ist Lachen das Pestizid gegen dieses Kraut. Wir sind die Vorhaut der Spaßgesellschaft und ziehen uns erst zurück, wenn es ernst wird! Wir lehnen Gewalt ab, weil sich das besser liest. […] Wir sind Multifunktionalisten und Dienstleister. Wir werden auf den öden Passagen einer Demo, einer Blockade, des politischen Protestes immer die Haltung der Unterhaltung einnehmen. Weil wir wissen, dass verkrampfte Typen nur verkrampfte Sachen hervorbringen. Weil wir an die revolutionäre Kraft des Witzes glauben“ (S. 22).

Wie erwähnt werden im Folgenden Themen behandelt wie „Die gezielte Produktions besserer Bilder“, die eigene Organisation und das Verhältnis von „Politik und Schabernack“. Ungeplant und unerwartet wurden in der Folge des Auftretens der Apfelfront viele Gruppen in unterschiedlichsten deutschen Städten gegründet, deren loser Zusammenhalt auf größeren Treffen hergestellt werden sollte. Dazu diente auch der „Marsch auf Berlin“ am 6.10.2007, nach welchem die (vermeintliche) Gründung verschiedener „Gaue“ (wie sollten sie anders heißen?) angeregt wurde. Auch eine Adaption in Ungarn gab es: Die Knoblauchfront, welche von den deutschen Kameraden besucht wurde.