
Bilder sagen mehr als tausend Worte… Vor allem einerseits über diejenigen, die sie produzieren anderseits über jene, welche auf sie Bezug nehmen. Das Bild stammt von der Demo „Wir sind alle linX“, am 18.09. in Leipzig als Teil der gleichnamigen Kampagne gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus. Je nach dem, wer sich das Bild betrachtet, wird es unterschiedlich interpretieren. Eine erste Aussage könnte sein: Leipzig ist der Hotspot des sogenannten „Linksextremismus“ im deutschsprachigen Raum. Zweitens scheint es in dieser Stadt immer etwas zu sehen und zu erleben zu geben. Touristen und Juristen kommen auf ihre Kosten und werden gut unterhalten und beschäftigt. Beide Gruppen sind Voyeuristen – sie beglotzen, bereisen, beurteilen und verurteilen die fabelhafte Welt des Widerstands.
Drittens haben wir es offensichtlich mit einer Projektion zu tun. Der Fotograf lichtet ein Schreckensszenario ab – nicht jedoch, ohne ein ironisches Augenzwinkern hinein zu legen. Denn er weiß: Was den Bürger*innen einen kleinen Schreckmoment bereiten soll, erregt die Gemüter der Rebellischen im positiven Sinne. Entscheidend hierbei ist neben dem schwarzen Block im Kontrast zum Bus der Gaffenden die schwarze Anarchie-Fahne. Mit ihr sollen die bürgerlichen Ressentiments der radikalen Linken angesprochen und abgerufen werden. Größtenteils bestehen dabei so gut wie keine Vorstellungen davon, was Anarchismus ist. Aber das Anarchie dabei ist und kommt, wenn die Autonomen durch die Straßen ziehen, die Hippies unsere Kinder erziehen, sich die Alternativen im Kulturbereich und die Linken im Journalismus breit machen usw. – das scheint unausgesprochen klar zu sein. Umgekehrt in den radikalen Flügeln emanzipatorischer sozialer Bewegung Anarchie als vager und offen gehaltener Bezugspunkt.
Auch viele Menschen, die sich in linken „Szenen“ bewegen, haben recht diffuse Vorstellungen dazu, was Anarchie war, ist und sein kann. Teilweise sind sie auch im bürgerlichen Vorurteil befangen, welches auch viele von ihnen zur Rebellion gegen den eigenen Hintergrund führte. Diese Menschen bleiben auf der Suche – danach, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse sich doch grundlegend ändern lassen könnten. Danach, dass die Bedingungen für ein gutes, reiches, gelingendes, erfülltes Leben für Alle geschaffen werden können. Danach, dass sie selbst anders und wahrhaftiger Leben können in einer Welt voll Zerstörung, Zwang und herrschendem Chaos. – Daher bleibt die A-Fahne für Journalist, Tourist, Jurist und Antifaschist eine Augenweide.