Zwei gespiegelte Stellungnahmen aus aktuellem Anlass: Der heutigen Eröffnung des Gerichtsprozess in Dresden gegen eine konstruierte antifaschistische Organisation.

Solidaritätserklärung der SoKo Thüringen
übernommen von: https://barrikade.info/article/4728
Wir als Solidaritätskoordination Thüringen, ein Zusammenschluss aus verschiedenen Gruppen, Strukturen und Einzelpersonen, solidarisieren uns mit Menschen, die in Thüringen und darüber hinaus von Repression betroffen sind.
Am 8. September 2021 findet der erste Prozesstag gegen Lina und drei weitere Angeklagte im 129er Verfahren Berlin/Leipzig/Weimar statt. Weitere sechs Beschuldigte wurden abgespalten und werden wahrscheinlich zu einem anderen Zeitpunkt verhandelt.
Unsere Gefährtin Lina (1) sitzt seit November letzten Jahres in Untersuchungshaft in der JVA Chemnitz. Ihr und den weiteren Beschuldigten wird vorgeworfen, Nazis angegriffen zu haben und sie werden zu einer kriminellen Organisation konstruiert.
Dieses Verfahren nach Paragraph 129 ist nicht das einzige, welches momentan gegen Personen aus der radikalen Linken geführt wird, jedoch das erste seit Jahren, welches ohne den Zusatz der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Organisation vor Gericht verhandelt wird. Der Repressionsdruck auf die emanzipatorischen Bewegungen steigt und an den Gefährt:innen aus Berlin/Leipzig/Weimar soll ein Exempel statuiert werden.
Die Ermittler:innen bilden Konstrukte auf der Basis von Bekanntschaften, Ideen und Spekulationen und schaffen es mit Hilfe der politischen Institution des Generalbundesanwalts unsere Gefährt:innen einzusperren, zu observieren, zu durchleuchten und in der Öffentlichkeit unsere Ideen zu delegitimieren.
Die Kampagne, die gegen die Beschuldigten im hiesigen Verfahren läuft, verdeutlicht einmal mehr, wie notwendig der Kampf gegen dieses System ist. Patriarchale Propaganda von allen Seiten, allen voran die sexistische Berichterstattung in den Medien, gegen eine Frau, der vorgeworfen wird, Gegengewalt gegen Nazis als Mittel zu nutzen, ist widerlich und greift emanzipatorische Kämpfe auf vielerlei Ebenen an.
Nazis nutzen die Propaganda des Staates und die Informationen, die ihnen die Bullen zuspielen, um ihrerseits zu Aktionen gegen Antifaschist:innen aufzurufen, sie zu outen und sich als Opfer darzustellen.
Die Stars dieser rechten Szene, wie Sebastian Schmidtke, Jürgen Elsässer, Thorsten Heise und co., treten nun als diejenigen auf, welche auf Seiten des Staates Gerechtigkeit einfordern und bemühen sich nach Kräften, die Ermittlungen der Bullen zu unterstützen. (2) Jede Schlägerei mit Nazis, bei der eine Frau dabei gewesen sein könnte, wird Lina als weitere Tat zugeschrieben. Die Bullen und die Staatsanwaltschaft nehmen Aussagen der Nazis dankend entgegen, um ihr Konstrukt weiter auszubauen.
Der Ermittlungsdruck der Soko Linx ist hoch, da sie seit Jahren keinen Erfolg gegen linke Strukturen erzielen konnten. Um die Hufeisentheorie zu stützen und das eigene Gewaltmonopol zu stärken, nimmt der Staat das gebildete Konstrukt zum Anlass, seine Macht zu demonstrieren.
Es besteht keine Notwendigkeit den Fall juristisch zu bewerten, da aus emanzipatorischer Sicht das Konstrukt von Schuld und Unschuld den Maßstäben eines sogenannten Rechtsstaats obliegt, welcher dem kapitalistischen System dient.
Politisch jedoch ist das Verfahren als ein Angriff auf antifaschistische Bewegungen zu werten. Der Versuch der Einschüchterung und Spaltung innerhalb der Gruppe der Beschuldigten und der Bewegung ist eines der beliebtesten Werkzeuge der Machthabenden. Ähnlich versuchten es Polizei und Staatsanwaltschaft in einem Fall aus Saalfeld, wo mehrere Antifaschist:innen im Zuge von Gegenprotesten gegen einen Naziaufmarsch 2017 ins Visier gerieten. (3) Der damalige Staatsanwalt Zschächner, welcher mittlerweile seinen Posten aufgrund von öffentlichen Druck räumen musste, leitete hier ein 129-Verfahren ein. Weitere aktuelle Beispiele der Angriffe auf die antifaschistische Bewegung in Thüringen bilden die Behauptungen von Innenminister Maier und Verfassungsschutzchef Kramer über eine vermeintliche linke Terrororganisation. Des Weiteren wurde auf Antrag der Thüringer CDU ein Untersuchungsausschuss zur ‚politischen Kriminalität‘ im Freistaat eingesetzt, deren Ziel die Durchleuchtung von antifaschistischen Strukturen sein soll. Diese politischen Angriffe gelten nicht den wenigen Individuen, welche im 129-Verfahren beschuldigt sind, sondern allen, die sich den Nazis und dem System aktiv entgegen stellen. Wenn zugelassen wird, dass die Beschuldigten aufgrund von Distanzierungen, Einschüchterung oder mediale Desinformation ohne Gegenpositionen der Bewegung, isoliert werden, hat die Repression ihren gewünschten Zweck erfüllt.
Es gilt sich mit von Repression Betroffenen zu solidarisieren und sie auf verschiedenen Ebenen zu unterstützen. Im aktuellen Verfahren geht es nicht nur darum, finanziellen Support zu leisten, sondern den Beschuldigten politisch den Rücken zu stärken, um Vereinzelung und Dämonisierung vorzubeugen.
Nazis und den Staat anzugreifen sind notwendige Mittel im Kampf für ein besseres Morgen. Solange wir den Feind:innen der Freiheit Möglichkeiten bieten, uns zu spalten, werden wir jede Perspektive in unserem Kampf verlieren. Kollektivität, Solidarität und Emanzipation sind Säulen einer revolutionären Perspektive, ohne die jeder Kampf sinnlos erscheint.
Kommt zu den Kundgebungen an den ersten Prozesstagen am Oberlandesgericht Dresden, um den Gefährt:innen vor Gericht unsere Solidarität zu demonstrieren! (4)
Getroffen hat es einige, gemeint sind wir alle – Unsere Solidarität ist stärker als jede Repression!
Solidaritätskoordination Thüringen
(1) https://freiheitfuerlina.noblogs.org/
(2) https://www.belltower.news/nach-vermeintlicher-anschlagserie-thorsten-heise-droht-antifa-und-spitzeln-in-online-video-114275/
(3) http://rotehilfesth.blogsport.de/2017/01/18/saalfeld-united-we-stand-gegen-naziaufmaersche-und-repression/
(4) https://www.soli-antifa-ost.org/
Stellungnahme des Solidaritätsbündnis Antifa Ost
übernommen von: https://freiheitfuerlina.noblogs.org/post/2021/08/25/stellungnahme-des-solidaritatsbundnis-antifa-ost/
In Zukunft wird die Solidaritäts- und Öffentlichkeitsarbeit zum Verfahren gegen Lina und die anderen angeklagten Antifaschist:innen vom Solidaritätsbündnis Antifa Ost geleistet. Im folgenden könnt ihr die Stellungnahme des Solibündnis lesen. Weitere Informationen zum Verfahren, den Hintergründen und den aktuellen Entwicklungen findet ihr auf dem Blog: soli-antifa-ost.org

“Das Solidaritätsbündnis Antifa Ost hat sich gegründet, um die nach § 129 angeklagten Antifaschist_innen solidarisch zu unterstützen. Im folgenden werden wir zur aktuellen Situation Stellung beziehen.
Nach über eineinhalb Jahren intensiver Ermittlungen in Thüringen und Sachsen ist es nun soweit: Der Generalbundesanwalt hat vor dem Oberlandesgericht Dresden Anklage gegen vier Personen erhoben, denen vorgeworfen wird, sich nach § 129 an einer „kriminellen Vereinigung“ beteiligt und an verschiedenen Angriffen auf Neonazis mitgewirkt zu haben. Vorausgegangen sind der Anklage die Ermittlungen durch die sächsische Soko LinX. Wie in vorangegangenen Fällen zeigt sich auch im Antifa Ost-Prozess der politische Wille dieser Sonderkomission des sächsischen LKA. Diese verfolgt seit ihrer Gründung als Wahlkampfinstrument der sächsischen CDU einen klaren politischen Kurs und steht dabei unter massivem Legitimationsdruck.
Spätestens durch die mediale Inszenierung des Helikopterflugs, mit dem Lina im November 2020 von Dresden nach Karlsruhe transportiert wurde, zeigten die ermittelnden Behörden ihren Willen, das gesellschaftliche Bild Antifaschismus zu beeinflussen. Die Bundesanwaltschaft selbst konstruierte den Mythos einer angeblichen „Schwelle zum Terrorismus“, welche die Grundlage bot, das Verfahren in ihrer Zuständigkeit zu belassen. Das Schreckgespenst der vermeintlichen „kriminelle Vereinigung“ wurde befeuert, indem gezielt Versatzstücke aus den Akten an die konservative Springerpresse gesteckt wurden – noch bevor die Verteidigung selbst die Akten kannte. Die Bundesanwaltschaft ist regulär nur bei „terroristischen Vereinigungen“ nach § 129a zuständig. Insofern stellt die Übernahme des Antifa Ost-Verfahrens neben einer möglichen Kompetenzüberschreitnug vor allem eines dar: Eine politische Positionierung gegen Antifaschismus. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass alle vermeintlich Geschädigten gewalttätige, organisierte oder bis in rechtsterroristische Kreise vernetzte Faschisten sind.
Wie von Seiten der Behörden mit Faschisten umgegangen wird, war in den letzten Monaten zu beobachten: Während sogar das US-Außenministerium in Erwägung zieht die „Atomwaffendivision Deutschland“ – zu welcher mindestens Leon Ringl, eines der angeblichen „Opfer“ aus Eisenach zu rechnen ist – auf die Liste ausländischer Terrororganisationen zu setzen und die Opposition im Bundestag bemängelt, nicht ausreichend über Struktur und Gefährlichkeit der Terrorgruppe informiert zu werden, hüllen sich die deutschen Sicherheitsbehörden in Schweigen. In diesem Zusammenhang ist auch die Bereitschaft der Soko LinX zu sehen, auf Grundlage von Informationen zu ermitteln, die sie aus dem Umfeld eines anderen angeblichen „Opfers“, des Leipziger Neonazis Enrico Böhm, erhalten hat. Kurz: Von Faschisten gesammelte Vermutungen, welche sehr wahrscheinlich auch in die Ermittlungen im Antifa Ost-Prozess geflossen sind.
Die gezielte und öffentlich inszenierte Repression gegen Antifaschist:innen im Anitfa Ost-Prozess zeigt einmal mehr deutlich auf, wo die staatlichen Behörden ihre Gegner verorten – nämlich links. Nicht die Faschisten und ihre Terrorpläne werden öffentlich problematisiert, sondern jene, denen vorgeworfen wird, sich gegen diese eingesetzt zu haben, werden als Terroristen dargestellt. Als Solidaritätsbündnis Antifa Ost erwarten wir deshalb einen politischen Prozess, in dem die Beschuldigten stellvertretend für eine antifaschistische Bewegung juristisch belangt werden sollen. Wir werden den Prozess kritisch begleiten und stehen solidarisch hinter den Angeklagten. Konsequenter Antifaschismus ist kein Verbrechen, sondern legitim und notwendig.
Leipzig, den 25.08.2021