Es sieht so aus, als gäbe es in den nächsten Monaten noch mehr Gelegenheit über die möglicherweise kommende Welle von Sozialprotesten zu berichten und die eigenen schlauen Spezialgedanken dazu zu äußern. Darüber gilt es sich auch weiter auszutauschen… Deswegen an dieser Stelle wirklich nur wenige subjektive Eindrücke meinerseits.
Den antiautoritären Block zu finden war zunächst nicht so schwierig, da ich rechtzeitig ankam. Dabei streifte ich auch die erschreckend große Kundgebung der Freien Sachsen, welche ihren Protest früher gestartet hatten: Doch heute standen Rechtspopulisten und Faschisten nicht in meinem Fokus. Für wichtiger hielt ich es, mir einen Überblick zu verschaffen, wie von unserem Lager aus Positionen formuliert und vorgetragen werden können.
Und es ist klar, dass es bei so einem linken Massenauflauf dabei nicht primär um die Überzeugungskraft eigener Inhalte geht (welche im Übrigen durchaus auch noch weiter zu entwickeln sind), sondern darum, überhaupt präsent zu sein. So hatte ich das Ganze jedenfalls verstanden: Erst mal zeigen, dass wir da sind, so als nette Anarchist*innen und Autonome von nebenan.

Auf jeden Fall begegnete ich einigen wirren Leuten und stellte fest, dass ich einfach sehr lange nicht mehr bei einem linken Massenevent war – aus Gründen. Neben SDS, Linksjugend, Roter Wende, Revolution, DKP und anderen, fanden sich dann auch unsere Leute zusammen. Das Netzwerk Leipzig nimmt Platz hatte parallel dazu aufgerufen, sich den Nazis in spe entgegen zu stellen.
Irritierend waren aber durchaus auch einige Einzelgestalten, wie ein Herr mit einem „Impfpflicht nein danke“ T-shirt, der mich geradewegs ansprach und mir erklärte, er sei ja auch halber Anarchist und letztendlich würden wir doch alle das gleiche wollen, weil die im Hintergrund sich die Taschen vollscheffelten; die „Globalisten“ nämlich. Ich entgegnete, dass sich da eben schon unsere Wege scheiden würden, weil wir Kapitalismus als System begreifen, dass ganz ohne geheime Mächte im Hintergrund auskommt und das die ganze Angelegenheit doch etwas komplizierter wäre. Da ich Schwierigkeiten dabei habe, im direkten Kontakt Menschen zu beleidigen, brauchte es etwas Nachdruck, um ihn abzuschütteln.
Immerhin gab es vierfünf verschiedene anarchistische Flyer von denen auch einige verteilt wurden. Dahingehend hatte der Augustusplatz den Charakter eines Jahrmarktes linker Ideologien jeglicher Couleur. Notgedrungen reagierte ich mit Humor und ließ mich auch von Platypus und Revolution beflyern. Von den Reden der Politiker*innen bekam ich um ehrlich zu sein überhaupt nichts mit. Ich staunte selbst, wie wenig Interesse ich für die einladenden Zusammenhänge aufbrachte. Und das, obwohl ich ihnen dankbar war, dass sie Wagenknecht nicht eingeladen hatten. („Sahra, Sahra“, skandierten die Freien Sachsen zwischendurch – und das hat nationalistische und rassistische Gründe…)
Dann baute sich das Ganze auf. Der antiautoritäre Block war zunächst doch ein recht kleiner Haufen – wuchs dann aber – durch die bei derartigen Events verbreitete Kraft der wundersamen Vermehrung – bei der Demo, welche der Kundgebung folgte, auf eine doch recht stattliche Größe an. Ironischerweise entpuppte (oder verpuppte ?) dieser sich dann doch als ein schwarzer Block von vielleicht 200 Personen. (Was taktisch insofern aber verständlich ist, als das die Situation mit den Faschos auch etwas unklar schien…) Wirkte aber auch nicht unbedingt ausgrenzend. Zumindest liefen bisweilen auch Leute mit, welche ich jetzt erst mal als linke Normalbürger*innen einlesen würde. Aber das sind eben meine Vorurteile. Möglicherweise handelte es sich auch um die stabilsten Genoss*innen.
Die Parolen passten, die Laune stimmte – soweit mein subjektiver Eindruck. Also zog mensch hinter dem sozialistischen Völkchen eine Runde durch die Innenstadt, am Hauptbahnhof vorbei und wieder zurück auf den prestigeträchtigen – im Alltag vermeidenswerten – großen Platz vor der Oper.
Alles in allem schien das Ganze ein Testlauf für eventuell weitere Ereignisse darzustellen. Machen wir uns nichts vor: Im Wesentlichen handelte es sich dabei um eine relativ bizarre Theateraufführung an einem spätsommerlichen Abend. Als genau diese sollten wir derartige Umzüge begreifen – und dagegen ist per se nichts einzuwenden, wenn Leute es mögen, in einem Mob durch die Straße zu tingeln. Für das antiautoritär-autonome-anarchistische Lager gilt es zu diskutieren, welche Rolle sie einnehmen wollen. Wollen sie vor allem antifaschistischer Schutzschirm sein, sich selbst in der Masse positionieren, sich in das Linkstum einreihen, eigene Aktionen hervorbringen oder sich auf ihre Basisarbeit konzentrieren?
Trotz seiner für mich erheiternden Aspekte, bleibt mein Zwischenstand erst mal: Not yet that hot. Allerdings schon mal gut, dass es „unseren“ Block gab, um deutlich zu machen, dass wir da sind und uns einmischen. Überhaupt galt es sich auch erstmal einen Überblick vor Ort zu verschaffen. Dass Medienvertreter*innen dies ignorierten – geschenkt.