In einem vorherigen Schema habe ich verschiedene Strömungen im Anarchismus dargestellt, wie sie ideengeschichtlich beschrieben werden könnten. Wenn ich politisch-theoretisch über eine Unterscheidung nachdenke, bin ich im Moment auf dem Stand von fünf Tendenzen des Nach-Autonomie-Strebens auszugehen.

Der Kerngedanke in der Unterscheidung liegt in der Gemeinsamkeit: Allen anarchistischen Ansätzen ist gemeinsam, dass sie Selbstbestimmung, Autonomie und Selbstorganisation verwirklichen wollen. Menschen können nicht einfach aus Herrschaftsverhältnissen austreten, denn Herrschaft ist ein gesellschaftliches Verhältnis. Gleichzeitig ist Herrschaft nicht an allen Orten und Zeiten gleich stark wirksam. Dies trifft selbstverständlich nicht nur auf den Staat zu, sondern ebenso auf Patriarchat, weiße Vorherrschaft, Kapitalismus und Naturbeherrschung.
Im selben Zuge, wie Herrschaft abgewehrt wird, werden von Anarchist*innen auch alternative Beziehungen und Institutionen aufgebaut. Diese gründen sich auf die ethischen Werte der Individualität (= soziale Freiheit), Gleichheit (ökonomisch, politisch, dignitiv) und Gemeinschaft (= Solidarität) sowie auf freiwillige, egalitäre und föderalistische Organisationsprinzipien.
Die Unterscheidung, welche ich hier vornehme richtet sich nach den Strategien, welche ich in diesen Tendenzen angelegt sehe. In der Realität gehen diese verschiedenen strategischen Ansätze selbstverständlich auch teilweise ineinander über und treten vermischt auf. Weitere Gedanken zu anarchistischem Individualismus, Kollektivismus/Kommunalismus, Syndikalismus, Kommunismus und Kommunitarismus habe ich im Text „Für eine neue anarchistische Organisierung!“ ausgeführt.