Manchmal kommen Ah-Ha-Momente erst nach langer Zeit. Es klingt wahrscheinlich merkwürdig, aber erst kürzlich hab ich erst den Song von Slime richtig verstanden. Also in dem Sinne, dass er in meiner Lebensrealität eine Rolle spielte.
Pauschal könnte mensch meinen, bei den „linken Spießern“ handelt es sich einfach um Leute, die inzwischen Kinder haben, einer geregelten Lohnarbeit nachgehen, sich weniger auf Aktionen blicken lassen oder inzwischen auf ihr Äußeres und/oder ihre Gesundheit mehr achten.
Doch das ist gar nicht der Punkt. Linke Spießigkeit kann nämlich genauso darin bestehen, Menschen von vorne heraus auszugrenzen oder pauschal zu beurteilen, weil sie halbwegs in ihrem Leben klarkommen und keinen Bock haben, nur rumzusiffen….
Worum es bei der linken Spießigkeit geht, ist das Auftreten eines Widerspruchs. Personen stellen sich als „links“ dar (was für mich persönlich ohnehin keine Qualitätsauszeichnung ist und mich eigentlich auch wenig interessiert) und verstehen darunter so etwas wie offen, inklusiv, sozial und weltgewandt zu sein. Sie engagieren sich zivilgesellschaftlich und/oder arbeiten oftmals auch in Bereichen, in denen „linke“ Einstellungen eher (bzw. überhaupt) anerkannt werden und gelten können: In der Bildung, der Kultur, in NGOs und politischen Organisationen.
Sollen sie tun. Machen sie ja ohnehin. Merkwürdig ist dann aber, das Politische – was teils offensiv von sich hergetragen wird, zumindest aber zur eigenen Identitätsbildung dient – im Persönlichen gar nicht haben zu wollen. Nein, da wird sich ein Nest gebaut, welches Schutz vor der bösen Welt draußen bieten soll. Da kann man sich nur auf Menschen einlassen, die möglichst zu 99% den eigenen Vorstellungen entsprechen und bitte ja nicht am struggeln sein sollen – denn das würde die eigene Ruhe stören. Die selbst erarbeitete Behaglichkeit des Heims wird gegen die Anforderungen der anstrengenden Gesellschaft gestellt.
Selbstverständlich ist gegen Rückzugs- und Ruhebedürfnis nichts einzuwenden. Ganz im Gegenteil ist es gut, wenn Menschen auf sich achten können und wissen, was ihnen gut tut. Irritation tritt auf, wenn hierbei zugleich ein anderer Lebensstil simuliert und nach außen hin dargestellt wird. Zum Beispiel Punk wird dabei als biedermeierisches Identifikationsmerkmal genutzt. Unter anderem Punkmusik dient als Fluchtlinie zu einem wilderen Lebensstil – auf den die Betreffenden sich aber nicht ansatzweise einlassen wollen, weil damit ihre Spießigkeit in Frage gestellt werden würde.
Bei Hipstern weißt du, dass du sie nicht ernst nehmen brauchst – weil sie sich selbst nicht ernst nehmen können. So bleibt alles oberflächlich und damit auch die Erwartungen ans Zwischenmenschliche gering.
Linke Spießer hingegen erkennst du weder an Äußerlichkeiten, noch direkt an ihrer Sprache oder ihren Tätigkeiten. Du bemerkst ihre linke Spießigkeit erst, wenn du feststellst, dass sie sich nicht aus ihrer Komfortzone herausbewegen und über ihre Tellerränder hinaus denken können, während du schon vier Schritte auf sie zugegangen bist.
Linke Spießer arbeiten oftmals zivilgesellschaftlich – aber sie haben nie wirklich gekämpft. Und dies markiert den Unterschied. Nicht nur zu meinem oder einem anderen kämpferischen Dasein (in welche Tätigkeit auch immer dieses kanalisiert wird…). Sondern – damit verknüpft – in der Bereitschaft die bestehende Herrschaftsordnung tatsächlich in Frage stellen und für Alternativen zu ihr streiten zu wollen.