Auf https://leftvalues.github.io/ kann man einen interessanten Test machen, mit welchem die eigenen „linken“ Werte ermittelt werden. Unten findet sich mein Ergebnis. Da ich in der Kategorie „Marxismus-Leninismus“ 0% und bei „Sozialdemokratie“ auf 15,1% gelandet bin, während die höchste Übereinstimmung „Öko-Anarchismus“ und darauf folgend „Anarcho-Kommunismus“ (98,5%) ist, kann der Test schon mal nicht so falsch sein…
Zwar sind viele der 72 Fragen durchaus für das Nachdenken über gesellschaftliche Transformation und die Einschätzung verschiedener Ansichten dazu relevant. Gleichzeitig tauchen bestimmte Themen jedoch überhaupt nicht auf.

Vor allem sind die Fragen aber häufig in falschen Entgegensetzung formuliert. Beispielsweise: „Es ist akzeptabel, dass die Menschheit in nennenswertem Maße leidet, um das natürliche Ökosystem zu erhalten.“ – Ohne ein funktionierendes Ökosystem wird die Menschheit sich bei der aktuellen ökologischen Katastrophe selbst größtenteils auslöschen, was sicherlich als ein „nennenswertes Maß“ an Leiden begreifen müsste. Worum es gehen muss, ist die Etablierung eines anderen gesellschaftlichen Naturverhältnisses.
Und so geht es weiter mit den Pseudo-Widersprüchen (s.u.). Z.B. bin ich nicht dadurch, dass ich Parteipolitik nicht gutheiße, „sehr gewerkschaftlich“. Auch „Wissenschaft und Utopie“ sind nur bei jeweils bestimmten Verständnissen von ihnen Gegensatzpole. Schließlich beinhaltet das anarchistische Konzept von sozialer Revolution, gesamtgesellschaftliche Transformation mit konkreten Verbesserungen zu verbinden… Was die Frage nach (De-)Zentralität angeht, war mir auch nicht bewusst, dass ich da so „extremistisch“ eingestellt bin…
In diesem Stil werden weitere „linke Pseido-Widersprüche“ formuliert. Was ist bspw. damit gemeint: „Menschen ähnlicher Kulturen sollten sich zu Vereinigungen oder Verbände zusammenschließen.“ – Also ja, Menschen sollten sich auf verschiedenen Ebenen in freie Föderationen zusammenschließen. Aber das hat doch nichts mit ihrer Kultur zu tun, sondern sollte im Gegenteil möglichst abseits kultureller Verbindungen geschehen, um so viel Vielfalt wie möglich zuzulassen.
Oder auch so etwas: „Die negativen Folgen einer Revolution überwiegen im Allgemeinen die Vorteile.“ – Hier muss die Frage nach dem WIE gestellt werden. „Revolution“ für sich genommen ist weder inhaltlich, noch strategisch bestimmt.
Worum geht es hierbei denn: „Ausländische Beamte haben kein Recht, die Politik in einem anderen Land zu diktieren.“ – Sicherlich, Länder des globalen Südens sollten ihre Selbstbestimmung gegenüber dominanten Staaten im kapitalistischen Weltsystem behaupten. Dies bedeutet jedoch umgekehrt nicht, dass Konzept des Nationalstaates zu befürworten und auf nationale Befreiungsbewegungen zu setzen.
Ein wirklich probematisches, ja anarchronistisches, Geschichtsverständnis kommt in dieser Frage zum Ausdruck. „In unterentwickelten Gesellschaften ist eine zentral geplante Wirtschaft der beste Weg, um rasche Fortschritte zu erzielen.“ – Das Denken in vermeintlich klaren „Entwicklungsstufen“ ist ein eurozentrisches Konzept, dass im 21. Jh. auch keine theoretische Gültigkeit mehr beanspruchen kann.
Schließlich noch das: „Abtreibung ist eine unmoralische Handlung, die verboten oder erheblich eingeschränkt werden sollte.“ – Selbstverständlich bin ich für eine vollständige Legalisierung von Abtreibungen. Das erspart aber nicht die Debatte darum, wer für Verhütung verantwortlich ist, wer für die Betreuung von Kindern Zeit aufwendet und ob wir uns bei Verboten oder Erlaubnissen überhaupt notwendigerweise auf den Staat beziehen, also in staatlichen Kategorien denken sollen.
So interessant und spaßig der kurze Test auch ist – Er beruht auf Pseudo-Widersprüchen, mit welchen die eigentlichen Fragen umgangen werden. Und die deswegen auch nicht aussreichend sind, um verschiedene sozialistische Ansichten zu klassifizieren. Dies ist einerseits der Operationalisierung solcher Fragen geschuldet, die reduktionistisch sein muss. Andererseits verdeutlicht sie aber auch eine zu geringe Beschäftigung der Autor*innen mit der Thematik sozialistischer Einstellungen und Konzepte.
Höchste Übereinstimmung: Öko-Anarchismus
folgende:
Anarcho-Kommunismus: 98.5%
Konzilkommunismus: 75.5%
Marktanarchismus: 70.2%
Demokratischer Sozialismus: 59.5%
Öko-Marxismus: 51.5%
Orthodoxer Marxismus: 50%
Linksnationalismus: 49.4%
Zentristischer Marxismus: 49%
Linkskommunismus: 47.3%
Utopischer Sozialismus: 18%
Sozialdemokratie: 15.1%
Marxismus-Leninismus: 0%