Eine Anregung für das Kantine Festival in Chemnitz vom 01.-07. August.
Die Veranstaltungen des Zeitplans sind noch mal unten gelistet bzw. können ganz unten als pdf heruntergeladen und vergrößert werden.

KANTINE KROPOTKIN – Eine Anregung
Eine KANTINE KROPOTKIN – Kann es so etwas geben? Worin besteht eigentlich die anarchistische Theorie? Inwiefern kann für Pjotr Kropotkins Denken und seiner Person der gleiche Stellenwert angenommen werden, wie etwa für Marx, Luxemburg, Benjamin, de Pizan oder Gramsci? Und warum fokussieren wir uns überhaupt auf die großen Namen sozialistischer Denker*innen statt einen kollektiven, sozialgeschichtlichen Ansatz zu verfolgen?
Im Zeitplan auf der Vorderseite habe ich dargestellt, dass anarchistische Tradition, Praxis und Theorie durchaus breit und tiefgehend diskutiert werden könnte. Und dies auch im Kontext von intellektuell interessierten Linken, wie sie beim Kantine Festival zusammenkommen. Wenn du darüber nachdenken würdest, wer die ganzen Vorträge mit Kropotkin als Rahmen halten soll, fallen dir vermutlich kaum Personen ein. Und wenn du recherchieren, stößt du im deutschsprachigen Raum meistens auf ältere, verschrobene Männer, die einzuladen zwar okay, aber nicht besonders attraktiv für ein zeitgemäßes Theorie-Festival wäre.
Damit könnten wir sagen: So ist es eben, der Anarchismus war und ist in der BRD zu marginal, als dass sich eine ausgiebige theoretische Beschäftigung mit seinen Themen und Perspektiven lohnt. Doch dies ist nur ein Teil der Wahrheit. Emanzipatorische Linke sollten sich auch die Frage stellen, wo sie hinschauen, um historische und theoretische Inspiration zu finden. So stimmt es leider damals wie heute, dass anarchistische Ansätze kaum recherchiert, ausgearbeitet und upgedatet werden.
Dies ist bedauerlich, denn mit und in ihnen gibt es einiges Wertvolle zu entdecken, womit sich auch das theoretische Denken zeitgenössischer emanzipatorischer Linker erweitern lässt. Selbstverständlich würde mit einer anarchistischen Position auch jene sozialistische Ansätzen angeschaut, welche jenseits kommunistischer Parteien und marxistischer Avantgarden zu verorten sind. Eine zeitgemäße intellektuelle Beschäftigung sollte endlich die politische Theorie sozialer Bewegungen in den Blick nehmen und ihr gerecht werden. Die KANTINE KROPOTKIN wäre damit ein Angebot zu konstruktivem und solidarischem Streit, der zumeist umgangen wird, wo verschiedene sozialistische Lager als per se von einander getrennt angenommen werden.
Mit diesem Beitrag habe ich keine einfache Lösung parat. Damit wollte ich lediglich einen Anstoß geben, wo wir hinschauen, wenn wir uns auf „große Namen“ fokussieren und ein doch etwas abgehobenes intellektuelles Festival besuchen – auch wenn die intensive theoretische Beschäftigung legitim für sich genommen ist.
Wenn du Interesse und Lust hast, mehr über anarchistisches Denken und anarchistische Theorie zu erfahren, eine Veranstaltungsreihe in dieser Richtung zu organisieren oder dir gar eine KANTINE KROPOTKIN vorstellen kannst, schreib mir gern unter: xxx.
ZEITPLAN
MONTAG
- „Worte eines Rebellen“ – Kropotkins Leben und intellektuelles Werk im historisch-gesellschaftlichen Kontext
- Film: Kein Gott, kein Herr! Eine kleine Geschichte des Anarchismus
DIENSTAG
- Stadtrundgang: Verdrängte soziale Konflikte und Kämpfe
- Kropotkins Theorie im Quadrat – Ein Vergleich mit Proudhon, Reclus, Marx und Landauer
- „Wohlstand für alle statt Recht auf Arbeit“ – das anarch@-kommunistische und sozialdemokratische Wertverständnis im Vergleich
- Vom 9-Euro-Ticket zum libertären Sozialismus? – Überlegungen zu kommunistischen und anarchistischen Tendenzen im kapitalistischen Staat
- Lesung: Monokultureller Sozialismus. Über Staatssozialismus, Repression, DDR-Nostalgie und absurde Führungsansprüche
MITTWOCH
- Geschichtsverständnis, Menschenbild, alternative Verhältnisse – David Graebers Axiome in ihrer Parallelität zu Kropotkins Denken
- Alles nur geklaut – Die unlautere und falsche Kropotkin-Adaption durch Rutger Bregman
- Anarchismus und Wissenschaft – Ansätze in der Geographie, Anthropologie, Historiographie, Ökonomie und Gesellschaftstheorie
- Eine Lesung als Rap-Konzert: Johann Most – Anarcho-populistischer Hater von Gott und Staat
DONNERSTAG
- Zwischenstand: Gemeinsames Brainstorming über bisher Gehörtes, Gesehenes und Gedachtes
- Entlastung statt Rollenveränderung? – Feministische Kritik und Einordnung von Kropotkins Überlegungen zur Frauenbefreiung
- Ein anarchistischer Ansatz, emanzipatorische soziale Bewegungen zu theoretisieren
- Anarchistisches Staatsverständnis und Staatskritik als Beitrag zur Intersektionalitätstheorie
- Lecture Performance: Utopie oder radikaler Realismus? – Reflexionen über das anarchistische Nachdenken über konkrete Utopien
FREITAG
- Workshop: Die Konfrontation: Der Briefwechsel zwischen Lenin und Kropotkin als Paradigma zur Debatte über linke Grabenkämpfe
- Input und Diskussion: Von wegen weiß, männlich, europäisch und Fabrik-orientiert – Die Heterogenität der proletarischen Klassen in Vergangenheit und Gegenwart
- Zum anarch@-kommunistischen Konzept der sozialen Revolution und seiner Weiterentwicklung
- Diskussion: „Es gibt keine nicht-revolutionären Zeiten, wir müssen nur revolutionär-werden“
- Überraschungsfilm
SAMSTAG
- Input und Brainstorming: What means autonomy in an anarch@-communist view?
- Workshop: „Wie tun?“ – Anarchistische Perspektiven auf die emanzipatorische Linke und selbstorganisierte Zusammenhänge
- Podiumsdiskussion: „convoyer-garde“ – Die herausfordernde Funktion von Intellektuellen im Anarchismus
- Abschlussdiskussion: gemeinsame Reflexion und Auswertung