Ist das Kritik oder kann das weg? #0

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Vor einer Weile erhielt ich einen wütenden Text, welcher sich gegen mich richtete und mit welchem ich vermeintlich polemisch angegriffen wurde. Da diese Diffamierung gegen mich vermutlich ohnehin irgendwo in Textform zirkulieren wird, habe ich mich entschieden, ihr zumindest an dieser Stelle entgegenzutreten. Da meine Antwort leider wieder mal sehr lang ausgefallen ist, werde ich diese ungefähr wöchentlich nach und nach in sieben Teilen veröffentlichen. Meine Kritik geht dabei über den Ursprungstext Ein Psychogramm des post-bürgerlichen Individuums und seiner alter egos weit hinaus, um auf dahinter liegende Themen zu sprechen zu kommen.

Ansonsten ist mir schon klar, dass derartige Auseinandersetzungen letztendlich nur eine handvoll Personen interessieren. Die Zeit und Nerven wären bei vielen Tätigkeiten weit sinnvoller eingesetzt. Insofern sind meine Entgegnungen als unabgeschlossene Selbstreflexionen zu verstehen, nach denen ich mich wieder Wichtigerem zuwende. Auf Vorschlag meines Kontrahenten nenne ich diesen „Frankensteins Monster“, kurz „Framo“.

Doch an dieser Stelle erst einmal der Beitrag von Framo Ein Psychogramm des post-bürgerlichen Individuums und seiner alter egos. Viel Vergnügen.


“*Der Sinn dieses Unterfangens scheint in einer reinen Selbstbespiegelung zu bestehen.”*

Wie führt man eine Diskussion mit einem “Doktor der Anarchie”, wie sich der Akademiker und Anarchist Jonathan Eibisch augenzwinkernd in einem studentischen Millieublatt seiner Uni zitieren lässt, einem Doktor, der zudem immerhin gegenüber all jenen, die es wagen, seine Haltungen anzugreifen und auch nicht davor zurückschrecken, an gegebener Stelle seine Integrität als Anarchist in Frage zu stellen, keine ernsthafte Diskussion anzustreben scheint und wie eine defekte Schallplatte wieder und wieder ein oft zusammenhangslos und kaum verständliches “bürgerliches Individuum” vor sich hin brabbelt? Am besten ignoriert man derlei Zeitgenossen doch, sollte man meinen, oder? Was aber, wenn nun so ein Herr Doktorfleißig durch die Landen tourt, eingeladen von Anarchist*innen ebenso wie jenen, die glauben, der Herr Doktor würde für jene sprechen, und dabei unter anderem eines im Schilde zu führen scheint: Denunziation und Verleumdung all derjeniger, die bei seinem Projekt eines wir– mit ganz und gar seltsamer Schreibweise des /w/– nicht mitspielen wollen? Was also, wenn unser lieber Herr /Doktor/alle paar Monate ein paar solcher pauschaler Verleumdungen gegen jene, die er wechselnd und vermutlich ohne dass er überhaupt in der Lage wäre, den Unterschied zwischen diesen Begriffen, so wie er sie verwendet, zu erläutern, als Insurrektionalisten, Nihilist*innen, Individualisten, Egoisten bezeichnet und wechselweise als Narzis//s//ten, post-bürgerliche Subjekte, bürgerliche Subjekte und ähnliches tituliert, verbreitet? Nun, man könnte den lieben Doktor der Anarchie natürlich einfach weiter ignorieren, aber das ist nicht meine Art. Witziger ist es doch, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen …

Aber die Sache ist keineswegs ausschließlich witzig: Auch wenn unser lieber Herr Doktor sich zu dem, was er da in seiner Rolle als Mitglied der Akademie treibt, in der Öffentlichkeit beharrlich ausschweigt, bzw. diese Tätigkeit nur bruchstückhaft an die Oberfläche dringt, so muss doch bei einem genaueren Blick auf das, was er anderswo als wirkliche Erforschung eines “Thema[s], für das ich brenne” ausgibt, auch ein mehr als mulmiges Gefühl zurückbleiben. Ein mulmiges Gefühl deshalb, weil sich hier einer, der wohl die Rolle der Universität, den Forschungsgegenstand der Soziologie und die sich hinter beidem verbergenden Interessen nicht richtig verstanden zu haben scheint, einen Beschäftigungsgegenstand gesucht hat, der, gelinde gesagt, ein Pulverfass sein dürfte: Nämlich die Anarchisten selbst und ihre Beziehungen zur Welt, zwar unter dem gewohntakademisch-weltfremd [sic!] anmutenden Titel “Figuren der (Anti-)Politik im Anarchismus”, aber nichtsdestotrotz von größtem Wert für die Herrschaft selbst. Das, was unser Herr /Doktor/da also so großkotzig “Selbstverwirklichung” nennt (“Klar hat es auch einen Aspekt von Selbstverwirklichung, der mir hier wichtiger ist als anderen Leuten, der mir vielleicht auch wichtiger ist als Karriere.“), ist nichts geringeres als eben jene rücksichtslose/bürgerliche/“Selbstverwirklichung” im Dienste der Herrschaft, die jene, die unser Herr Doktor da so geflissentlich analysiert und als deren Mitstreiter er sich immerhin zu verstehen scheint, auf dem Altar der Wissenschaft opfert, um mit diesem Opfer die repressive Zerschlagung dieses Millieus [sic!] wissentlich oder unwissentlich mit einzuleiten.

Nein, das ist doch jetzt alles böser Wille und eine Verleumdung meinerseits, das wird die Antwort sein, die mir der Herr /Doktor/entgegenhalten wird. “Es ist auf jeden Fall ein Widerspruch und auch hinsichtlich der kognitiven Dissonanz stimme ich zu. Aber die Frage ist, wie sehr man diesen Widerspruch überspitzen muss. Ich kaufe ja zum Beispiel auch im Supermarkt ein und partizipiere so an den Produktionsverhältnissen” antwortet er schließlich schon in dem erwähnten Studi-Millieublatt [sic!] auf die Frage, ob es nicht ein Widerspruch wäre, als Anarchist an einer staatlichen Hochschule zu promovieren. Aber unser lieber Herr Doktor macht hier etwas, das typisch ist, für all jene, die gelernt haben, mithilfe der sogenannten Privilegientheorie sämtliches Fehlverhalten ihrerseits zu entschuldigen. Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein, antwortet er also auf jede potentielle Kritik. Zwei Dinge sind ihm dabei jedoch entfallen:

1) Um gleich mit dem Banalen zu beginnen: *Nicht alle Anarchisten kaufen im Supermarkt ein.*Es gibt durchaus jene, die anstatt sich ein Gehalt im Auftrag des Staates zu verdingen und so /tatsächlich/zur Aufrechterhaltung der Produktionsverhältnisse beizutragen (denn daran partizipieren tut erst einmal jedes Mitglied der Gesellschaft, vor allem weil diese ein Zwangsverhältnis darstellen, Herr Doktor), welches sie dann im Supermarkt und anderswo wieder zurück zu den Produktionsmitteleigentümern, den Kapitalisten schleusen, sich diesem gewieften Raub von Arbeitskraft entziehen und den Supermarkt folglich nur zum Zwecke des Ladendiebstahls betreten. Und auch wenn unser lieber Herr Doktor auf diesen Einwand zu antworten pflegt, dass dies nur Ausdruck der Privilegiertheit [sic!] dieser Anarchist*innen wäre, fragt man sich dabei doch, wie sehr man einen solchen Begriff eigentlich verdrehen kann!

2) Und es bleibt im Grunde banal: Der Vergleich des Einkaufs im Supermarkt, also zumindest vom Grundsatz her ein Akt, in dem das enteignete Individuum innerhalb des Zwangsverhältnisses der Produktionsverhältnisse der Beschaffung des (Über-)Lebensnotwendigen nachgeht mit der freiwilligen und zur, wenn auch widersprüchlichen und schizophrenen “Selbstverwirklichung” erklärten Arbeit für den Staat ist einfach nur zynisch und kommt einer universellen Legitimierung der Produktionsverhältnisse und ihrer Gewalt gleich. Immerhin tut unser lieber Herr Doktor der Anarchie hier so, als gäbe es gar keinen Unterschied zwischen Unterdrücker und Unterdrückten, zwischen jenen, die sich für die eine Seite entscheiden und jenen, die sich für die andere Seite entscheiden.

Aber arbeitet unser lieber Herr Doktor denn nun wirklich im engeren Sinne für den Staat, oder ist nicht vielmehr dies eine Diffamierung meinerseits? Also formal gesehen ist die Frage ja ohnehin klar und im Grunde sehe ich nicht, warum man die Dinge eigentlich nicht grundsätzlich auch formal, also von den Institutionen her betrachten sollte! Nur weil Staat, Kapital und Patriarchat eine Verschleierung der Herrschaftsverhältnisse betreiben, müssen wir ihnen dabei doch nicht jedes Mal aufs Neue auf den Leim gehen. Aber wir können das Verhältnis, das unser Herr Doktor da mit dem Staat, dem Feind aller Anarchisten, eingegangen ist, ja gerne einmal ein wenig weiter zerpflücken. So erfahren wir auf der Webseite der Friedrich-Schiller-Universität Jena, dass unser Herr Doktor sowohl Lehrbeauftragter des Instituts für Politikwissenschaft, als auch des Instituts für Soziologie ist. In wessen Auftrag stehen also nun diese beiden Institute? Woran forschen sie? Wer sind ihre Haupt-Geldgeber? Und was könnten nun ihre Interessen sein, sowohl wenn sie eine Promotion mit dem Thema “Figuren der (Anti-)Politik im Anarchismus” annehmen, als auch unseren Herrn /Doktor/beispielsweise mit der Durchführung eines Seminars zu “Gustav Landauer und dem kommunitären Anarchismus” betrauen?

Auf einer Übersicht über die Projekte der den beiden Instituten übergeordneten /Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften/lernen wir einiges über die Geldgeber dieser Institute. Neben der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), hinter der sich niemand geringeres als der Staat verbirgt, finden wir unter anderem auch immer wieder die EU, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die Ernst-Abbe-Stiftung, die Stadt Jena, Die Gesellschaft für Arbeits- und Wirtschaftsförderung (GFAW), das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, die Bertelsmann Stiftung, die Alexander von Humboldt-Stiftung, diverse Krankenkassen, das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das Bundesverwaltungsamt, die VolkswagenStiftung, diverse Bundesländer (Hessen, Mecklenbur-Vorpommern [sic!], Bayern, NRW), die Evangelische Kirche, die Thüringer Staatskanzlei und die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen. Sorry, Herr Doktor, aber Sie werden sowas von vom Staat beschäftigt! Aber man muss fair bleiben. Weitere Interessenten an jener Forschung, in die sich auch unser Herr Doktor einbringt, sind Krankenkassen, Kirchen und diverse Stiftungen von Industriellen (VolkswagenStiftung, Ernst-Abbe-Stiftung)und Medienmongulen (Bertelsmann-Stiftung).

Nun kann man sich freilich die Frage stellen, ob nur weil der Staat für Brot und Spesen unseres Herrn Doktor aufkommt, deshalb auch gleich unser Herr Doktor für die Fortexistenz des Staates sorgt. Denn nur weil man Gelder vom Staat und einigen Industriellen bezieht, muss das ja nicht immer gleich heißen, dass man auch wirklich macht, was diese gerne hätten. Allerdings bin ich nicht der Ansicht, dass man in einem Anflug kindlicher Naivität einfach so tun sollte, als würde der Staat (und die Industriellen – die ja sicher noch viel weniger) sein Geld einfach so herschenken und sich nicht die Frage stellen, wo dieses gut investiert ist. Während etwa die Empfänger*innen von Hartz-4 sich durchaus klar machen müssen, dass der Staat ihnen eine Art Schweigegeld zahlt, eine lächerliche Abfindung dafür, dass sich diese in ihrer Situation des Elends einrichten und parieren, anstatt loszuziehen und sich stehlend und plündernd am eigenen Schopf aus dem Schlamassel wieder herausziehen, was muss sich der staatlich bezahlte Akademiker da erst klar machen? Er wird ja nicht etwa dafür bezahlt, dass er nicht murrt, sondern gernau [sic!] dafür, dass der murrt und meckert. Einerseits, um dies auf eine spektakuläre, wortgewandte, aber ganz und gar friedliche und somit harmlose Art und Weise in scheinbarer Stellvertreterschaft für jene zu tun, die ihrem Ärger sonst mit etwas handfesteren Argumenten Ausdruck zu verleihen wüssten, andererseits durchaus deswegen, weil die geeignete akademische Verschriftlichung und Analyse dieses gesellschaftlichen Murrens, des sozialen Unmuts, die Grundlage dafür ist, dass der Staat das Problem begreift und folglich sondieren kann. Denn natürlich will der Staat wissen, wo und warum sich der Unmut in seiner Bevölkerung aufstaut, er will wissen wer seine Feind*innen sind, er will aber auch wissen, wo er vielleicht mit einer kleinen Investition in ein paar Brotkrummen erfolgreich verhindern kann, dass seine Feind*innenschaft wächst. Und was für den Staat gilt, gilt natürlich in gleicher Weise auch für das Kapital. Und genau das ist die Rolle unseres Herrn Doktor, ob er es will oder nicht. Er untersucht für den Staat niemand geringeres als uns Anarchist*innen, im Falle seiner Doktorarbeit etwa sogar eine ganz entscheidende theoretische Frage, nämlich unser Verhältnis zur Politik und damit auch jene Trennungslinien, entlang derer ein Staat schließlich wird entscheiden müssen, wer mit Zuckerbrot ruhig gestellt werden kann (die Politiker*innen) und für wen es der Peitsche bedarf. Ob er das will oder nicht, solange unser Herr Doktor akademische Arbeiten über Anarchisten verfasst, solange er Wissen oder vermeintliches Wissen über die inneren Zusammenhänge von Anarchist*innen in die Akademie hineinträgt – und das fängt schon damit an, dass er sich all der Publikationen bedient, die in der Wissenschaft als graue Literatur gelten und an die diese sonst nicht so leicht herankommen würde, weil sie dazu nämlich einen Fuß über die Schwelle anarchistischer Orte setzen müsste –, solange arbeitet er für die Herrschaft und gegen die Anarchisten, zu denen er sich selbst zählt.

Aber dies ist freilich nicht die einzige, wenngleich sicher die verachtenswerteste, Funktion, in der unser Herr Doktor tätig ist. Denn wie so oft zu beobachten ist, schlägt auch ihm die Universität gelinde gesagt aufs Gemüt. Man könnte es ja mit Humor nehmen, dass unser lieber Herr Doktor zu glauben scheint, dass seine in der Regel argumentativ schlechter noch als stilistisch vorgetragene Meinung zu jenen Diskussionen, die unter Anarchist*innen geführt werden, die ihren Geist vor der universitären Verblödung haben bewahren können, irgendjemanden interessieren würde. Würde sich nicht zugleich auch ein bestimmtes Programm hinter diesen “Meinungen”, die viel zu oft in Form von stumpfen Diffamierungen daherkommen, erkennen lassen. Denn unser lieber Herr Doktor hat es sich zum Hobby gemacht – oder ist es vielleicht doch eher eine Art gordischer Gehirnknoten, ich überlasse es Hobby-Psychologen wie unserem Herrn Doktor, diese Frage zu beantworten –, sich, wie er es anderen vorwirft, bestimmte Strohmänner aufzubauen, die er, wann immer es ihm gelegen kommt, sich nicht mit einem ihm unliebsamen Argument auseinandersetzen zu müssen, stattdessen auf dem diskursiven Scheiterhaufen verbrennen kann. “Narzismus” ist ein solcher Strohmann, “bürgerliches Individuum” ein anderer oder auch “dogmatische Engstirnigkeit” und viele viele weitere. Man müsste schmunzeln, ob einer derart arrogant zur Schau gestellten Überheblichkeit in Tradition des Akademikers, die jedoch letztlich nichteinmal den Eindruck eines Fachidioten, sondern schlicht nur noch den eines Idioten zurücklässt, wäre da nicht die Tatsache, dass unser lieber Herr Doktor vermutlich schon genau weiß was er da tut und warum er das tut. Und hier liegt eben die andere Funktion, die er als Staatsdiener – und ich nehme an er tut dies unbewusst, weil sonst würde ich mir nicht erst die Mühe machen, einen Text wie diesen zu schreiben – so geflissentlich ausführt: Als einer, der sich auf, man könnte mit unserem Herrn Doktor “narzistische Weise” sagen, in der Öffentlichkeit als Experte für Anarchismus, wörtlich, wenn auch augenzwinkernd, Doktor der Anarchie, aufspielt, der dieses Image mit ausgedehnten Vortragstouren, bei denen er lächerliche Diagramme zur “Ideengeschichte des Anarchismus anhand seiner Strömungen” oder zum “Spannungsfeld zwischen Politik und Anti-Politik” präsentiert, die eines lustlos zusammengetragenen Schulreferats würdig wären, zu untermauern versucht und der eben zugleich in diversen fragwürdigen anarchistischen und linken Zeitschriften, sowie im Internet immer wieder Beiträge veröffentlicht, die vorgeben, Diskussionen mit anderen Anarchist*innen zu sein, er sich dabei jedoch immer dann, wenn ihn jemand darauf festnagelt nun auch mal das in diffamierender Weise Behauptete entweder argumentativ untermauern oder beweisen zu müssen, aus diesen “Diskussionen” davonstiehlt, nur um schon wenige Wochen später den selben Schwachsinn in einem anderen Kontext wieder von sich zu geben, betreibt unser Herr Doktor eben vor allem die Diffamierung von einigen Anarchist*innen. Aber wer sind diese Anarchist*innen, um die es geht? Nicht ganz zufällig sind es wechselweise jene, die nicht wie unser Herr Doktor angesichts eines Krieges eine faktische pro-Staats-Haltung angenommen haben, jene, die nicht wie unser Herr Doktor mit Linken nichts zu tun haben wollen, jene, die anders als unser Herr Doktor den direkten, unmittelbaren und kompromisslosen Angriff auf den Staat vertreten, kurz gesagt: Jene eben, die sich nicht in der bequemen Nische des akademisch-intellektuellen Gesellschaftskritikers soweit eingerichtet haben, dass eine Veränderung des status quo ihnen trotz aller Kritik eigentlich eher ungelegen kommen würde, zumindest aber zum falschen Zeitpunkt und überhaupt immer in falscher Form, zumindest immer dann, wenn an der Speerspitze dieser Veränderung nicht Leute und Ideen wie unser Herr /Doktor/stehen. Natürlich muss man unseren Herrn Doktor dabei vor dem Vorwurf einer Böswilligkeit in Schutz nehmen. Ja, im Grunde ist er auch nur Opfer, könnte man sagen, wenn man dazu neigen würde, die psychosoziale Konstitution von Menschen als Entschuldigung für ihr Verhalten heranzuziehen. Denn unser Herr Doktor ist schließlich gerade durch sein Engagement an der Akademie irgendwo zwischen den Schriften von Proudhon und Landauer schlicht verblödet. Früher hat man als Wissenschaftler ja gelegentlich gesagt, dass der Uterus der Frau manchmal zum Kopf hinauf wandere und diesen in einem Würgegriff halten würde, was eben die weibliche Hysterie erklärte. Ich denke diese Wissenschaftler waren gewissermaßen auf dem richtigen Weg zur Erkenntnis, sie hätten bloß die Vorzeichen anders deuten müssen: Tatsächlich hat sich nämlich ihnen ihre absolute Blödheit, die von ihrer wissenschaftlichen, also vom Leben völlig entfremdeten und immer weiter davon entfremdenden, Tätigkeit Tag um Tag genährt wurde, ums Gehirn gelegt und sie dann zusammen mit ihrer eigenen Obsession des Uterus zu solcherlei Aussagen verleitet. Sehen Sie, Herr Doktor, dies ist ein Strohmann-Argument. Und doch enthüllt es zweifelslos eine Wahrheit über Sie, wenn man das Wort “Uterus” mit einem der Worte“Egoismus”, “Individualismus”, “Nihilismus”, “Insurrektionalismus”, usw. vertauscht.


 Postscriptum

Natürlich ist für die aufmerksame Studentin unseres Herrn Doktors bereits ersichtlich, was dieser, so er diesen Beitrag nicht lieber totschweigt, nun entgegnen wird und ich will hier gleich einem Teil dieser Antwort zuvor kommen. Ja, der Tonfall dieses Textes ist polemisch. Aber nein, es gibt keinen Grund deshalb eine Diskussion nicht aufrichtig zu führen. Die Tatsache, dass so oft von genau jenen Menschen, die leichtfertig mit durchaus schweren, aber argumentativ nicht unterfütterten Vorwürfen um sich werfen, der Tonfall der sie deshalb erreichenden Antworten zum Vorwand genommen wird, die Debatte abzubrechen sollte nicht damit verwechselt werden, dass eine Debatte, die polemisch, also im Konfliktmodus, geführt wird, deshalb nicht inhaltlich wäre oder dem Gegenüber nicht der nötige Respekt entgegengebracht würde. Respekt ist schließlich keine Sache des Tonfalls, sondern gerade in Auseinandersetzungen eine der Frage, ob man sein Gegenüber für voll nimmt. Und das bedeutet eben auch, dass man die Aussagen des Gegenübers so nimmt, wie diese es tätigt und nicht so tut als könne das alles ja gar nicht so gemeint sein. Ein Konflikt wird somit also oft nicht von der polemisch antwortenden Person vom Zaun gebrochen, sondern er ist längst da, nämlich dort, wo die “inhaltlichen” Positionen einst frontal aufeinandergeprallt sind. Und es wäre meiner Meinung nach eine Respektlosigkeit, bzw. eben ein feiges Ausweichen vor unbequemen Diskussionen, eine solche Unvereinbarkeit unter den Teppich zu kehren.

Aber nun zum eigentlichen Punkt: Unser Herr Doktor wird freilich behaupten, dass nun die Sache mit dem Staat, also die Sache, dass er sich von diesem beschäftigen lässt und auch entsprechend jene Resultate liefert, die der Staat gerne hätte, nun wirklich gänzlich absurd sei. Und ich bin durchaus geneigt, dieses Thema aufrichtig zu diskutieren, vorausgesetzt eben, eine solche Diskussion wird auch aufrichtig und nicht etwa apologetisch geführt. Wo aber in diesem Fall unser lieber Herr Doktor in der unzweifelhaften Bringschuld ist, das wäre die Tatsache, dass er nicht Wissen über Anarchist*innen (seien es historische oder kontemporäre) in die Akademien hineinträgt und dort versammelt. Denn ungeachtet der eigenen Absichten, macht die Tatsache, dass seine Ergüsse sowie die darin aufgeführten “Lektüreempfehlungen” nun einmal in die universitären Bibliotheken eingehen, die Frage irrelevant, was er selbst damit bezweckt. Jeder ausgewiesene Aufstandsbekämpfer, Extremismusforscher und wie sie noch alle heißen, bekommt so einfachen Zugang zu diesem Wissen. Unser Herr /Doktor/müsste also, um hier den eigenen Beitrag wahrhaftig als unschädlich zu beweisen, beweisen, dass er bloß Müll in die Bibliotheken der Akademie getragen hat, dass seine Doktorarbeit, sowie alle anderen seiner Arbeiten, usw. allesamt falsche Informationen und gänzlich unverwertbares Wissen transportiert haben. Ist dies so, Herr /Doktor/, so habe ich Ihr Werk gänzlich missverstanden und muss mich tausendmal entschuldigen. Aber ist dies nicht so, dann Schluss mit dem apologetischen rumgewichse! In diesem Fall denke ich, dass wir Anarchist*innen von Ihnen, Herr Doktor, eine klare Auseinandersetzung zu diesem Thema und eine klare Positionierung dazu zu erwarten haben.