Gedanken zu Rhizomen

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Da ich wirklich kein Experte auf diesem Gebiet bin und weder die Zeit noch die Muße habe, mich wirklich tiefgehend mit psychoanalytischen Schriften auseinander zu setzen, werde ich an dieser Stelle nicht darüber schreiben. Aber gelesen habe ich diesen Aufsatz von Deleuze und Guattaris Aufsatz nun doch mal, ebenso wie die ersten 60 Seiten von Anti-Ödipus.

Wirklich eigenartig, dass Zeitgenoss*innen oder Nachkommende auf diese Leute wieder eine neue Schule begründen bzw. sie in den Kanon der intellektuellen Elite aufgenommen wurden. Ich bin mir relativ sicher, dass sie den Universitätsbetrieb tatsächlich verachtet haben. Es geht ihnen wie den subversiven Künstler*innen, deren Gesellschaftskritik bisweilen teuer verkauft wird.

In jedem Fall spannend sind die assoziativen Gedankengänge der beiden. Wenn dies das postmoderne Wischiwaschi ist, von dem sie alle reden, dann muss ich sagen, dass ich es ziemlich erheiternd finde. Daneben machten sie aber tatsächlich einen guten Punkte mit dem rhizomatischen Denken und mit ihrer Betonung des Wunsches statt des Mangels, als Ausgangspunkt der Psychoanalyse. Aus beiden Aspekten lässt sich viel Gutes für das Denken von konkreter Utopie ableiten.

Deleuze, Gilles / Guattari, Félix, Rhizom, Berlin 1977.


Es gibt keinen Unterschied zwischen dem, wovon ein Buch handelt, und der Art, wie es gemacht ist. Ein Buch hat also kein Objekt mehr. Als Verkettung steht es nur in Verbindung mit anderen Verkettungen und im Verhältnis zu anderen organlosen Körpern. Man fragt nie, was ein Buch bedeuten will, Signifikat hin, Signifikant her, man sucht in einem Buch nichts zu begreifen; man fragt, womit ein Buch funktioniert, in welchen Verbindungen es Intensitäten strömen läßt, in welche Vielheiten es seine Vielheit einführt und verwandelt, mit welchen anderen organlosen Körpern sein eigener konvergiert. (S. 7)



Prinzip der Vielheit: nur wenn das Viele als Substantiv, als Vielheit behandelt wird, hat es keine Beziehung mehr zum Einen als Subjekt und Objekt, als Natur und Geist, als Bild und Welt. Vielheiten sind rhizomatisch und entlarven die baumartigen Pseudo-Vielheiten. Keine Einheit, die im Objekt als Stütze fungiert oder sich im Subjekt teilt. Nicht einmal eine Einheit, die im Objekt verkümmert, um im Subjekt wiederzukehren. (S. 13)


Tragen nicht selbst die Fluchtlinien – unter dem Vorwand, sie zu zerstreuen – gerade zur Reproduktion derjenigen Formation bei, die sie hätten auflösen und umwälzen sollen? Aber auch das Gegenteil trifft zu, das ist: eine Frage der Methode: man muß die Kopie immer auf die Karte zurückübertragen. (S. 23)


Im Gegensatz zu Graphik, Zeichnung und Photo, zu den Kopien bezieht sich das Rhizom mit seinen Fluchtlinien auf eine Karte mit vielen Ein- und Ausgängen; man muß sie produzieren und konstruieren, immer aber auch demontieren, anschließen, umkehren und verändern können. Man muß die Kopien auf Karten zurückübertragen und nicht umgekehrt. In zentrierten (oder auch polyzentrischen) Systemen herrschen hierarchische Kommunikation und von vornherein festgelegte Verbindungen; dagegen ist das Rhizom ein nicht zentriertes, nicht hierarchisches und nicht signifikantes System ohne General, organisierendes Gedächtnis und Zentralautomat; es ist einzig und allein durch die Zirkulation der Zustände definiert. (S. 35)


Lieber ein unmerklicher Bruch als ein signifikanter Einschnitt. (S. 39)