Gedanken zu Heimat

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heimat ist
wo das heimatministerium
kampagnen zur erfindung von ursprünlicher kultur auflegt
und auf den verpackungen industriell gefertigter massenprodukte
blühende landschaften abgebildet werden

wo geglaubt wird, die vorfahren hätten schon immer dort gelebt,
dort, wo die kirche noch im dorf steht,
aber niemand weiß, warum

wo die leute trachten tragen
die vor gerade hundert jahren entworfen wurden
und komische feste feiern
bei denen sie sich volllaufen lassen
und bösartig über andersseiende her ziehen

heimat ist, wo die menschen ihr herz am rechten fleck haben
und ihre gefühle blutarm sind
heimat ist voller selbsthass
ob der verlorenen kindheit

heimat ist, wo die jungen blaue
und die mädchen rote hemden tragen müssen,
wo ein marsch ein marsch ist
und ein arsch ein arsch sein kann

wo man sich weltoffen dünkt,
solange sich alle an den maßstab der integrationsnorm halten,
wo sie ihren verdienten urlaub im ausland verbringen,
welches sie mit ihrer finanzkraft dominieren

heimat ist, wo sich menschen naturverbunden fühlen
und das kohlekraftwerk beschaulich seine wolken in den himmel bläst,
wo die geschwindigkeitsbegrenzung endlich aufgehoben ist
und das weite land unter der kraft der motoren zusammenschrumpft

wo man seine hecke hochzieht,
den nachbarn misstraut und über sie lästert,
wo jeder sein eigenes hätte
und daher niemand das gemeinsame bräuchte

heimat ist nur, wenn sie angeblich von der fremde bedroht ist,

wo das wasser den begradigten fluss hinunter fließt
wie eh und jäh,
so wie die begradigten lebensläufe verfließen