Heute vor 100 Jahren wurde der US-amerikanische Anarchist Murray Bookchin (wikipedia) geboren. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Janet Biehl entwickelte er die Konzepte der sozialen Ökologie und das des libertären Kommunalismus. Ersteres inspirierte öko-anarchistische Bewegungen in den USA wie etwas verzögert auch in der BRD in den 1970ern und 1980ern. Letzteres wurde von der kurdischen Autonomiebewegung aufgegriffen und mündete in die Struktur des demokratischen Konföderalismus, welche heute in Rojava praktiziert und weiter aufgebaut wird. Bookchin war der Überzeugung, dass Menschen in einer modernen Gesellschaft ökologisch verträglich leben können, wenn das Herrschaftsverhältnis über die Natur gleichermaßen, wie das von Menschen über Menschen abgeschafft würde. Aus der Perspektive der radikalen Ökologiebewegungen arbeitete er an der Erneuerung eines anarchistischen Revolutionsverständnisses. Weiterhin beschäftigte er sich mit herrschaftsfreier Stadtplanung und wie die kapitalistische Mangelgesellschaft durch einen dezentralen Sozialismus überwunden werden könnte. 1971 war er an der Gründung des Institute for Social Ecology, gewissermaßen einem anarchistischen thinktank – etwas, dass es im deutschsprachigen Raum bedauerlicherweise nicht gibt.
In höherem Alter gelang es Bookchin aber leider nicht mehr mit den Veränderungen der Zeit und der sozialen Bewegungen mitzugehen. Zwar kritisierte er zurecht die esoterischen Tendenzen in der Ökologiebewegung, konstruierte jedoch eine falsche Kluft zwischen Social Anarchism or Lifestyle Anarchism (1995), die vermeintlich unüberbrückbar wäre – als wenn die umfassende Veränderung des eigenen Lebens nicht immer ein Teil des Anarchismus gewesen wäre und die Möglichkeiten zur Entfaltung von Individualität nicht ein Gradmesser für die gesamtgesellschaftliche Emanzipation seien! Unter anderem Bob Black antwortete ihm mit dem Buch Anarchy after Leftism (1997), in welchem er Bookchin fies, aber sehr erheiternd als „grumpy old man“ bezeichnete – und dessen Thesen ziemlich eloquent zerlegt, um seinen Individualanarchismus zu entfalten.
Auch diese Episode verdeutlicht jedoch die Bedeutung, welche Bookchin die die anarchistische Bewegung über einige Jahrzehnte hatte – zumals es wenige Anarchist*innen gibt, die als öffentliche Intellektuelle wirken, eigenständige Konzepte entwickeln und es schaffen, in verschiedene Bevölkerungskreisen Gehör zu finden.
Murray Bookchin starb am 30.06.2006.