

Ich schaute letzte Woche bei einer Besetzung des Audimax in Jena vorbei und gestern bei einer in Leipzig. In Jena handelte es sich um einen Protest gegen die Abschaffung des Lehrstuhls für Geschlechtergeschichte. Damit geht es nicht nur um die Sparmaßnahmen an der neoliberalen Uni, sondern ebenso um die Frage, was und wie dort gelehrt wird. Insbesondere für die AfD, welche es sich nicht nehmen ließ vorbei zu kommen und das Thema in ihrem Kulturkampf aufzugreifen, sind progressive und engagierte Wissenschaften ein Dorn im Auge.
In Leipzig besetzte ein Zusammenhang End fossil: Occupy! den größten Hörsaal – sehr zum Unmut einiger Jura-Studierenden. Selbstverständlich wurde auch darin konkrete Forderungen an die Uni-Leitung gestellt, welche sich auf einen klimaneutralen Umbau der Institution bezogen. Darüber hinaus ging es aber um’s Prinzip. Und dies meiner Ansicht nach auch völlig zurecht: Die multiple Krise hinsichtlich der ökologischen Katastrophe, Inflation, Verarmung und Klassengesellschaft, Kriege, der globale Drift zum Autoritarismus – es gibt genügend Gründe, einen Schritt weiter zu gehen und sich die Räume anzueignen, welche ohnehin jenen zustehen sollten, die sie nutzen.
Hierbei handelt es sich keineswegs um besonders krasse Protestformen, sondern im Gegenteil um handzahme Versuche und Hinweise darauf, dass diese Gesellschaftsform grundlegend transformiert werden muss. Dies schließt ein, die Strukturen, Formen und Beziehungen zu verändern, innerhalb derer Menschen handeln. Eine demokratisierte Uni könnte dabei ein Anfang sein.
Was mir insbesondere auch auffiel: Es sind eigentlich nicht Viele, welche die Besetzungen tragen. Die Aktiven halten aber stark zusammen, wissen die Argumente auf ihrer Seite und bringen viele Erfahrungen mit. Sie organisieren sich an den Orten, die eine zeitlang ihr Lebensumfeld und ihrer Aktivitäten stark prägen. Und das ist wichtig, denn immerhin kommt es selten vor, das Studierende überhaupt ihre eigene Lebenssituation thematisieren und verändern wollen.
Darüber hinaus meine ich aber auch, dass große Hörsaale recht gut geeignet sind, um Menschen zu versammeln. In Umbruchszeiten ist ihre Besetzung also eine sinnvolle Aktivität zur Organisierung und Bildung von Leuten. Alleine deswegen sind die Hörsaal-Besetzungen z.B. in Jena und Leipzig wichtige Praktiken, die es weiter im Bewusstsein zu halten und einzuüben gilt.
Allerdings muss ich auch zugeben: Selten habe ich Räume gesehen, die weniger kollektiven Austausch und Partizipation zulassen, als die großen Hörsäle in Universitäten, mit ihrer festgesetzten Reihenanordnung, auf das zentrale Podium hin ausgerichtet. Doch das ist ein anderes Problem und generell habe ich mit solchen Orten nur noch wenig zu tun.
Einen Flashback lösten beide Ereignisse bei mir deshalb aus, weil 2009 auch einen Hörsaal mit besetzt habe. Das war in meinem Ersten Semester und sicherlich eines von verschiedenen Ereignissen, in die mich geprägt haben. Genug der Geschichten des alten weißen Mannes, doch von Zeit zu Zeit gilt es solche Erinnerungen zu pflegen: Denn mit allen Widersprüchen, Unzulänglichkeiten, Streits usw. sind sie Teil von Bewegungsgeschichten, die ebenso wie die mit ihnen verbundenen Praktiken und Erfahrungen in Vergessenheit geraten, wenn wir sie nicht pflegen…