Einige Aspekte von „Beziehungsweise Revolution“

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Zugegeben, ich habe schon ausgiebig zu Adamczak gearbeitet. Und teile ihre Positionen zu Zero-Covid und die ganze dahinterstehende pseudo-avantgardistische Symbolpolitik durchaus nicht. Oder nicht mehr? Aber im Lesekreis wollten sie es. Herausgekommen ist noch eine Besprechung, die sich vor allem auf die Abschnitte bezieht, welche wir uns angeschaut haben.

Adamczaks Buch ist in aller Munde und so überrascht es nicht, dass die Wahl im Lese- und Diskussionskreis darauf fiel. Wie zuvor lesen wir aber nicht das ganze Buch, sondern in zwei oder drei Treffen Auszüge daraus.

Die queer-kommunistische Denkerin versucht darin die Russische Revolution 1917 gegen die globalen Umbrüche um 1968 quer zu lesen, um die Frage aufzuwerfen, wie der Revolutionsbegriff aktualisiert und zeitgemäß bestimmt werden kann. Wäre es 1917 weitestgehend um die „Gleichheit“ gegangen, so hätte 1968 die „Freiheit“ im Vordergrund gestanden. Dementsprechend gälte es heute die „Solidarität“ ins Zentrum des Revolutionsbegriffs zu stellen; Solidarität nicht als etwas, was einfach vorausgesetzt oder spontan in revolutionären Auseinandersetzungen gefunden werden könne, sondern als ethischer Wert, der sich in konkreten Beziehungsweisen manifestiere. Statt der gesellschaftlichen Totalitär der „Produktionsweise“ und der subjektivistischen Individualität der „Existenzweisen“, stellten „Beziehungsweisen“ wiederum einen Zwischenraum dar, welcher Makro- und Mikroebene verbinde und mit dem danach gesucht werden könne, Gesellschaft nicht besser zu erklären, sondern sie direkter zu verändern.

Wertvoll an Adamczaks Buch ist zweifellos ihre informierte und dennoch vermittelnde Herangehensweise, mit welcher sie verschiedene emanzipatorische Strömungen ins Gespräch zu bringen versucht. So bedient sie sich bei der marxistischen, poststrukturalistischen, queerfeministischen und Kritischen Theorie, versucht Rätekommunismus, sozialdemokratische Parteien, kommunistischer Avantgarde-Gruppierungen und Anarchist*innen anzusprechen. Es geht dabei um’s Gemeinsame und Ganze, was die Auseinandersetzung miteinander und die gemeinsame Diskussion um geteilte Ziele und gewählte Mittel verlangt.

Dass Adamczak sich dabei selbst als avantgardistische Intellektuelle in „nicht-revolutionären Zeiten“ versteht und inszeniert, welche die „Idee der Revolution“ aufhebt, ist dabei ihr großes Manko. Demnach überrascht es auch nicht, dass das sie das Wasser, welches sie aus verschiedenen Flüssen schöpft, auf die Mühle des hippen, Identitäts-bezogenen und symbol-politischen Reformkommunismus gießt. So scheut sie sich auch nicht, die anarchistische Strategie zum Aufbau parallel vorhandener „Produktionsverhältnisse und Verkehrsformen“ fälschlicherweise als einzig sinnige „marxistische“ Herangehensweise auszugeben. Noch davor, die Weigerung an autoritärer leninistischer Politik zu partizipieren, implizit als auf „Missverständnissen“ beruhend auszugeben.

Gleichwohl formuliert Adamczak sehr treffend eine vorhandene Paradoxie zwischen einem „revolutionärem Begehren“ und einem „Begehren nach Revolution“. Letzteres sei als die Fetischisierung des ersteren zu verstehen, gerade wenn bestimmte Anliegen realisiert werden konnten und sich demnach die Handlungsbedingungen verändern, wie etwa in der Russischen Revolution. Daraus leitet die Autorin ein plausibles prozesshaftes und graduelles Verständnis von Revolution ab, welches mit den nach wie vor vorhandenen Rudimenten apokalyptischer und auf vermeintliche Totalitäten zielender Heilserwartungen bricht. Das heißt, Gleiches gilt für die Utopie, wenn sie fetischisiert wird. Wenn die Revolution vorangeschritten ist, zeigt sich dabei allerdings, wie Adamczak darstellt, dass die utopischen Sehnsüchte von Sozial-Revolutionärerinnen und einfachen Bäuerinnen tatsächlich weit auseinander liegen. Umso mehr gilt es, sie als „synaptische Konstruktion“ zu begreifen und mit ihnen zu arbeiten.

Damit widmen wir uns in der Lektüre dem Ende des Buches und betrachten den Begriff der „Beziehungsweise“ näher. Plausibel ist dabei, dass befriedigende, solidarische Beziehungsweisen selbst als erstrebenswertes Ziel und Ergebnis des sozial-revolutionären Kampfes dargestellt werden. Darüber hinaus bilden sie zugleich aber auch dessen Ausgangspunkt, zumindest für politische Bestrebungen, die emanzipatorische Anliegen verfolgen.

Grundsätzlich ist Adamczaks Herangehensweise, die Zwischenräume aufzusuchen und von dem, was dazwischen ist, auszugehen, wie erwähnt als äußerst sympathisch anzusehen. Ein Miteinander zu suchen, eine gemeinsame Meta-Erzählung zu spinnen, ist durchaus ein entscheidende Aufgabe der Zeit für eine sogenannte „radikale Linke“. Darüber hinaus beinhaltet „Beziehungsweise Revolution“ noch viele weitere Denkanstöße, auch hinsichtlich des zweiten Hauptteils dem „Geschlecht der Revolution“. Doch dazu an anderer Stelle mehr.