Eindrücke von der Anarchist Bookfair Amsterdam

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Am 29. und 30.10. fand in Amsterdam zum sechsten Mal in jüngerer Zeit eine anarchistische Buchmesse statt. Als Vorwand, um dort teilzunehmen (und auch meine Gedanken zu verbreiten und zu diskutieren), steuerte ich auch einen Vortrag zu „With, against or beyond politics“ bei. Auf dem Rückweg gehe ich das Erlebte gedanklich durch und möchte einige Eindrücke festhalten und teilen.

Zunächst schien die Buchmesse eine voller Erfolg zu sein. Die Haupthalle im Dokuis, wo sich die Stände fanden war ebenso kontinuierlich gut gefüllt, wie die Workshops und die Straße vor dem Veranstaltungsort. Auch die Menschen vom Orga-Team freuten sich über den regen Zuspruch, der sicherlich motiviert, trotz all dem Stress, damit weiter zu machen. Besonders ins Auge fiel mir die internationale Orientierung und der inklusive, offene Charakter, den die Veranstaltung insgesamt hatte.

Dieser ist Ausdruck einer kontinuierlichen Vernetzung und Debatte verschiedener Gruppen und Menschen, die sich beispielsweise im Vrije Bond (https://www.vrijebond.org) zusammengeschlossen haben. Auf diese Weise konnten sowohl alteingessene Anarchist*innen, wie auch erst kürzlich sympathisierende Menschen Willkommen fühlen und begegnen. An den Ständen fanden sich dabei Gruppen unterschiedlicher Ausrichtung, sodass hierbei die vorhandene Pluralität der Bewegung zum Ausdruck kam.

Inhaltlich war das Programm nicht anhand von Publikationen orientiert, wie man erwarten könnte, sondern setzte sich aus gewollt unterschiedlichen Beiträgen zusammen. Grob zusammengebunden wurden diese im Motto des Myceliums, dem Wurzelwerk bzw. hauptsächlichen Organismus von Pilzen. Nur zeitweise und unter bestimmten Bedingungen sehen wir ihre Fruchtkörper auf dem Waldboden oder an Bäumen, während sich die wesentlichen Prozesse untergründig, alltäglich und unspektakulär vollziehen.

Das Event der Buchmesse selbst kann in diesem Sinnbild als der sichtbare Fruchtkörper angesehen werden und ist damit Ausdruck all der Beziehungen, Organisationsprozesse und Tätigkeiten, welche sich kontinuierlich in der anarchistischen – und auch anderen – Szenen abspielen. Dass Pilze darüber hinaus äußerst schmackhaft sein und das Bewusstsein erweitern können, als auch, dass sie nicht in der binären Kategorie Pflanze/Tier aufgehen, sind Aspekte, über welche weiter fabuliert werden kann. Dazu vielleicht an anderer Stelle mehr Gedanken.

Ich persönlich genoss die quirlige Atmosphäre, freute mich über ein paar neue Bekanntschaften und einige Menschen zufällig wiederzusehen. Die warmherzige Umgangsweise verdeutlichte mir einmal mehr, dass sich die deutschsprachige anarchistische Szene von Genoss*innen aus anderen Ländern einiges abschauen kann und sollte. Dazu gilt es sich unter anderem auch weiter von den verworrenen linksradikalen Debatten zu entfernen, um vor allem die eigenen Positionen zu schärfen und durch die Kontroversen hindurch weiter zu entwickeln.

Wenn man vom touristischen Amoklauf in der Innenstadt absieht, ist Amsterdam jedenfalls einmal mehr eine Reise wert. Selbstverständlich ist das bloße Organisieren einer Buchmesse und die Zusammenkunft dort nicht die Revolution schlechthin. Dennoch sind derartige Events meiner Ansicht nach äußerst wichtig. Denn eine soziale Bewegung ist nur so stark, radikal und zielorientiert, wie die Beziehungen der Bewegten zueinander sind, die es aber auch auszudehnen gilt. In diesem Sinne: Möge das Mycelium weiter wachsen!