Echte und falsche Gefühle?

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Neulich hatte ich auch wieder so ein Gefühl. So ein Gefühl, irgendwie in einer falschen Welt zu leben. Dort fühlte ich mich fehl am Platz. Doch auch die Dinge um mich herum, schienen sich nur mehr als dürftig zu einer unbequemen Realität zusammen zu fügen, als wenn es ihnen schlichtweg peinlich wäre, zu sein, in der Zivilisation des 21. Jahrhunderts, die täglich dabei ist, sich selbst abzuschaffen. Gut, dann hat das ganze Elend mal ein Ende und Schluss ist, könnte man sagen.

Doch so eine Haltung ist Ausdruck eines überaus zynischen, also bürgerlichen, Bewusstseins, weil sie bewusst verleugnet, dass es sehr wohl Verantwortlichkeiten, Veränderungsmöglichkeiten und konkrete Verbesserungsmöglichkeiten für diejenigen gibt, die am krassesten unter der bestehenden Herrschaftsordnung leiden. Für die Erfüllung der Bedürfnisse aller, gilt es zu kämpfen und selbstverständlich ist dabei im Sinne des Egalitarismus bei den Grundbedürfnissen anzufangen. Die daraus aufbauenden sind allerdings durchaus nicht zu vernachlässigen und keine „Luxusprobleme“.

Wenn mir allerdings die Werbung im Kapitalismus nun erklärt, was echte und was falsche „Gefühle“ sind, fühle ich mich mehr als verarscht. Es ist wie eine doppelte Verneinung, die du nicht verneinen sollst – oder doch? Kann man zu der Textaussage (links) ja sagen und zum Versprechen ihrer warenförmigen Erfüllung (rechts) nein sagen? Kann man annehmen, dass die „Gefühle“, welches das bekannte Fastfood-Backwaren-Geschäft erst produziert, falsche sein müssen, eben weil sie suggestiv in die Konsument*innen eingepflanzt wurden? Wann aber war das nicht der Fall? Besonders perfide in der Darstellung ist, dass die Konsumentin ihre Schlussfolgerung aus Text und Bild selbst ziehen soll. Denn niemand hat direkt gesagt, dass die Backware deinen Hunger, Durst, dein Bedürfnis nach Liebe stillen kann – Auf diesen Gedanken bist du ganz alleine gekommen.

Vor allem auch Liebe… Liebe? Es ist relativ offensichtlich, dass die Form, in welche sie münden und in der sie ausgedrückt werden soll, in jeglicher Hinsicht kulturell überformt und damit auch staatsbürgerschaftlichen, patriarchalen und kapitalistischen Ansprüchen genügen soll. Das geht bis auf die Ebene des Gefühls selbst hinab. Und dennoch, dennoch gilt „Liebe“ als so authentisch, so ver-rückend, so ehrlich und unwiderstehlich, dass sie immer wieder als „echtes Gefühl“ durchgeht. Liebe soll Grenzen überwinden können, machen, dass wir morgens nicht zur Arbeit gehen, machen, das wir morgens zur Arbeit gehen, dazu beitragen, dass wir uns sozial verhalten und überhaupt das Leben genießen können (auch unabhängig davon, ob sie sich in Beziehung mit einer konkreten Person manifestiert oder zunächst Selbstverhältnis ist).

Sicherlich würde es niemand so direkt aussprechen. Aber Ditsch verlangt von dir, deinen crush, deine Partnerin nicht so zu lieben, wie es. Wir haben es mit einer Anmaßung eines gottgleichen Anspruchs ohnegleichen zu tun. Kommt her, die ihr durstig, hungrig und liebesbedürftig seid, Ditsch will euch erquicken, sättigen und in den Arm nehmen! Jede Entspannung, die beim kacken einsetzt, ist ein authentischeres Gefühl, jeder Schmerz durch eine Brennnessel, die ich streife, jeder Autolärm, der mich nervt und jedes Bedürfnis nach Rache in dieser falschen, vermarkten Welt.