Ent fremdung – Sehn sucht – Auf begehren
Konzept für den zweiten Anlauf zum anarchistischen Diskussionskreis
in der Autodidaktischen Initiative / mittwochs 17-19 Uhr, ab 24. Juni 2020
Die Welt ist im Wandel. Keineswegs jedoch in Richtungen, die wir selbst wesentlich gestalten oder wünschenswert finden. Auch wenn keine*r von uns daran individuell „Schuld“ ist, sind wir doch alle Teil der zerstörerischsten Gesellschaftsform, die Menschen je hervorgebracht haben. In den seltenen Momenten, wo sie ihre Emotionalität nicht abspalten, sondern zulassen, wissen viele instinktiv um den unhaltbaren Zustand der bestehenden Herrschaftsordnung.

Und doch scheint es kaum organisierte emanzipatorische Kräfte zu geben, die diesen rasenden Stillstand aufhalten und Fenster in Richtung eines libertären Sozialismus‘ aufstoßen können – Auf das wir einen Neuanfang wagen und neu beginnen könnten. Die Bedingung dafür wäre zweifellos die Überwindung von Staat, Kapitalismus, Patriarchat und Mitweltunterwerfung.
- Doch wie gehen wir mit unserem Gefühl um, in einem strukturell zerstörerischen Zustand zu leben, dessen Überwindung wir kaum denken können?
- Warum sind unser Denken und Fühlen so blockiert und beschränkt, wenn es um die Vorstellung einer lebenswerten, solidarischen Gesellschaft für alle und die dafür notwendige Transformation geht?
- Worin können wir dennoch ganz alltäglich Momente erfahren und Tendenzen erkennen, welche uns Mut und Kraft geben, um uns aus den Verstrickungen und Verhaftungen, herauszuarbeiten?
- Wie können wir uns einen Begriff von Emanzipation erarbeiten, der uns Orientierung ermöglicht, um im 21. Jahrhundert tatsächlich der Anarchie näher zu kommen?
- In welchen Bildern und Worten können wir ausdrücken, wofür wir eintreten und kämpfen?
Anstatt die Verantwortung auf andere abzuschieben und unsere Ohnmacht zu beklagen, gilt es bei uns selbst zu beginnen und zu gestalten, was in unseren Händen liegt. Die Stichworte „Entfremdung“, „Sehnsucht“ und „Aufbegehren“ verweisen in diesem Zusammenhang auf die emotionale Dimension politischer Auseinandersetzungen und rebellischer Lebensstile.
Die soziale Revolution, die sich an einer libertär-sozialistischen Vision ausrichtet, können wir nicht vorrangig in der Negation des Bestehenden voranbringen. Einen emanzipatorischen drive erlangt sie nur, wenn wir damit Entfremdung abbauen, unserer Sehnsucht folgen und für das schöne, reiche, gute und gelingende Leben für Alle aufbegehren.
Hierbei wird eine Dimension berührt, die Fragen nach einer agnostischen, materialistischen „Spiritualität“ berührt. Sozialist*innen haben dieses Bedürfnis nach holistischer Verbundenheit schwer vernachlässigt, für das Religionen vor allem Ausdruck und Ersatz sind.
Im Diskussionskreis wollen wir uns ganz offen gehalten den angesprochenen Themen widmen. Dazu können wir Texte, Lieder, Bilder oder Filme einbeziehen, die Leute mitbringen. Lasst uns auf eine vertrauensvolle Atmosphäre achten, damit wir uns – ganz, wie die Beteiligten das möchten – von unseren Emotionen ausgehen und sie (auch kritisch) reflektieren können.
Ziel ist keine individuelle Problembearbeitung, sondern die Suche nach Ansatzpunkten für eine kollektive Ermächtigung. Damit wollen wir stark werden, um unsere Sensibilität zu bewahren und zu entfalten. Mit ihr können wir für das gute Andere, was wir erfahren haben, kämpfen und es allen ermöglichen.