Die Verwertung des Moments

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Haha, das ist mal ein lustiger Hinweise auf meine eigenen absurden Verhaltensweisen. So habe ich es mir über viele Jahre angewöhnt, mich dauernd beschäftigt zu halten, um ja nicht in die Falle der Lohnarbeit zu tappen. So eine Art Prokrastination durch Aktivismus. Während andere brav arbeiten gehen, schreibe ich zum Beispiel diesen Blogbeitrag. Während andere dann „Freizeit“ haben, mache ich mir immer noch über irgendwas Gedanken, die irgendwo wieder eingebaut werden oder auch nicht. Eine völlige Entgrenzung der Arbeitszeit, wenn man so will.

Wenn das alles eh nicht verwertbar ist, warum dann überhaupt Content produzieren – und dann noch mit so begrenzter Reichweite? Wobei es nicht ausgeschlossen ist, dass er sekundär durch Dritte verwertet wird. Also durch Verfassungsschutz, schwurbelnden Rechten, aber eben vielleicht auch durch Kreativ-Industrielle – wer weiß? Deklassierte Intellektuelle finden Wege, sich über die Wertlosigkeit ihres eigenen Könnens und Denkens hinwegzutäuschen. So betreibt man Kunst, erschafft Literatur oder inszeniert das eigene Selbst als verkanntes Genie oder sowas. Leider taugt es bei mir auch dazu nicht. Was bleibt ist das Grundvertrauen darin, dass ich auf lange Sicht etwas im begrenzten Rahmen meiner Möglichkeiten bewirken konnte. Das überdauert aber den Moment. So wie sich auch Menschen in kämpfenden sozialen Bewegungen ein historisches Bewusstsein gewinnen sollten, um sich langfristig zu orientieren. Lieber im Hier&Jetzt sein und handeln, als momentan für die Herrschaftsordnung tätig zu sein.

Hinter der Aussage „Momente zu erschaffen“ steckt jedenfalls ein totalitärer Anspruch. Er beinhaltet letztendlich den Zugriff der Subjekte in ihrer Intimität, der potenziell zu jeder Zeit und an jedem Ort erfolgen kann. Das Internet macht’s möglich, wie das Werbeplakat anschaulich macht. Und dann dieser relativ subtile Hinweise auf einen großen Lebensmittelproduzenten mit Sitz in Weißenfels. In einem Moment isst ein Mensch vor dem Laptop zum Beispiel ein Croissant und freut sich dabei. Freut sich dabei, ein Jobangebot in der Lebensmittelindustrie zu erhalten. Was für ein Moment!

In einem anderen Moment waren die Backwaren von Schwarz Produktion im Supermarkt verschimmelt und wurden in den Container geworfen. Wieder in einem anderen Moment verkaufen sie privatisiertes Wasser. In jedem Moment beuten sie Arbeiter*innen die Kaffee und Schokolade für ihre Produkte produzieren, ebenso wie jene, die das Zeug dann verpacken und ausliefern müssen. So viel tolle Moment, die aber vermutlich erst bei der nächsten Auflage der Werbekampagne abgebildet werden.