Day of Chaos…

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Das Jahr hat doch gerade erst angefangen, es passieren gar nicht viel und trotzdem schlittere ich durch Chaostage. Zwei Menschen wiesen mich darauf hin, Freitag hätte der Vollmond im Krebs gestanden. Mir persönlich ist das schnuppe, aber klar, es gibt auch Leute, die eher mal eine Zeit der Einkehr und Ruhe am Jahresende oder auch -anfang halten.

Zur Reflexion. Zur Regeneration. Zum Loslassen dessen, was schief gelaufen ist in vorheriger Zeit… Vielleicht ist es tatsächlich weise, Dinge loslassen zu können. Und vermutlich habe ich in diesem Bereich noch viel zu lernen. Aber vergessen, vergessen möchte ich nichts.

Vor 18 Jahren wurde Oury Jalloh auf der Polizeiwache in Dessau von Polizisten brutal ermordet. Ein Mord, der bis heute vertuscht und verschleiert wird, weswegen sich alle Mitwissenden Blut an ihren Händen haben.

Zeitgleich werden um das Gallische Dorf Lützerath Scharmützel geschlagen, während die Verteidigungsanlagen vor dem Sturm hochgezogen werden. Wenn der Staat schon seine Landsknechte aufmarschieren lässt, um die Interessen der Energiekonzerne durchzusetzen, will ein großes Bündnis dafür sorgen, dass sie es wenigstens so schwer wie möglich haben. Dass die Kohle unter dem Dörfchen nicht erforderlich für die Energiesicherheit ist, wurde in einem Gutachten bestätigt. Darüber besteht Politik auch eigentlich nicht in der Durchsetzung von Unvermeidlichen, sondern in der Verhandlung über Optionen.

Warum viele Aktivisti aber so auf den Grünen herumhacken ist mir nicht ganz klar. Klar, sie bieten strategisch eine Angriffsfläche, weil in der Regierungsverantwortung in NRW wie auch dem Bund. Aber darauf hinzuweisen, dass sie ihre eigenen Versprechungen gebrochen haben, ist doch albern, denn wer hätte anderes erwartet? Natürlich tragen die Grünen in der Regierung noch mal stärker dazu bei, Menschen aktiv von der parlamentarischen Demokratie zu enttäuschen.

In der Ukraine wird zeitgleich Bachmut in Grund und Boden geschossen. Das Metzeln geht täglich weiter und der Ausgang bleibt ungewiss. Selbst wenn die Frühjahroffensiven des ukrainischen und russischen Militärs durchgeführt werden, scheint das Elend dort keine Ende zu nehmen. Das wissen auch viele Menschen von dort, die sich im Ausland befinden und nun verständlicherweise z.B. in Deutschland bleiben wollen. Im Unterschied zu den Syriern werden sie ja auch A-Klasse-Migrant*innen dargestellt. Auch Rassisten nehmen unter Umständen Menschen auf. Zum Beispiel um ihre Arbeitskraft auszubeuten oder sie gegen andere Minderheiten auszuspielen.

Derweil hänge ich aber in meinem Sumpf und erfahre in einem sonntäglichen Vortrag vom Bau des sogenannten „Tren Maya“ auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán, die Hintergründe und den Widerstand dagegen. Gut, davon zu erfahren, insbesondere auch hinsichtlich der internationalen Verstrickungen und mit welcher Korruption Großprojekte einhergehen; wie stark staatliche Behörden tatsächlich mit kriminellen Kartellen zusammenarbeiten; wie brutal sie Interessen von Unternehmen und verselbständigtem Militär durchsetzen, um darüber hinaus den Forderungen der US-Regierung zu entsprechen, die Fluchtwege schon an der Grenze zu Guatemala abzuschneiden.

Doch ich muss hier bleiben und nach all den Jahren beenden, was ich begonnen habe. In drei Wochen verteidige ich meine Doktorarbeit, was sich ziemlich sinnlos anfühlt, angesichts dessen, dass ich damit ja nichts arbeiten werde. Mit etwas Glück fühle ich mich aber freier, wenn ich diesen Akt hinter mich gebracht habe. Vielleicht kann ich diese Tätigkeit und die damit verbundenen anstrengenden Lebensumstände etwas hinter mir lassen.

Für meinen Beitrag auf dem digitalen CCC habe ich bereits verschiedene Rückmeldungen erhalten. Ich freue mich sehr, dass mehrere Personen mich darin bestärkt und sich gefreut haben. Was mich wunderte waren zweidrei Menschen, die meinten haarklein kritisieren zu müssen. Nicht, dass ich nicht gern einiges verbessern würde, aber ich denke mir: Sollen sie doch selbst einen Beitrag machen. Auch in anarchistischen Kreisen nervt mich die Haltung einiger, es immer besser zu wissen, aber sich letztendlich aufgrund des eigenen Perfektionsanspruchs nicht zu bewegen.

Was ich neben dem, was ich persönlich zu klären habe im kommenden Jahr für (anti-)politische Projekte angehen werde, weiß ich noch nicht und lasse mich überraschen. Alles in allem blicke ich also gewohnt fatalistisch in die Zukunft. 2023 – Das fängt ja gut an!