Das Letzte, Generation

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Als ich im Gespräch erwähnte, wie die Idiotenpresse sich das Maul zerfetzt über die beiden „Aktivist*innen“ der Letzten Generation, entspann sich ein interessantes Gespräch. Wie widerlich ist es, wenn BILD-Journalist*innen und andere Schreibknechte engagierten Menschen auflauern, um reißerische Beiträge über Irrelevantes zu verfassen? So oder so, die Leute zerfetzten sich die Mäuler?

Ziemlich klar ist, dass das Bürgertum mit dem Verweis auf das Wasser-predigen-Wein-saufen zweier junger Klimabewegter vor allem seine eigene Dekadenz abfeiert. Es geht doch nicht um ein erlebnisorientiertes junges Pärchen auf Bali oder die Frage, wem mit welchem eigenen moralischen Anspruch im Verhältnis zu welchem Privileg, wie viele CO2-Äquivalente zustünden. Denn was für eine ekelhafte Logik eines grün-gewaschenen und nicht minder ökologisch zerstörerischen Kapitalismus ist das bitte?

In unserem Gespräch habe ich dennoch festgestellt, dass ich es anders handhabe. Denn das Problem besteht ja gerade darin, dass die betreffenden Fernurlauber*innen nicht im Einklang mit den hypermoralischen Aktionsformen handeln, die sie praktizieren. Sie machen sich nicht nur unglaubwürdig vor dem konservativen Bürgertum und den Arbeiter*innen, die ihre verblödende Presse lesen und hören. Ich persönlich verachte solches Handeln auch. Vor allem seine Rechtfertigung durch die Letzte Generation, welche vertrat, dass die Betreffenden den Urlaub als „Privatleute“ gemacht hätten und nicht als „Klimaaktivist*innen“.

Offenbar scheint deren „Aktivismus“ selbst Teil des Problems zu sein. Wer behauptet, die Welt ginge gerade jetzt unter und bevor dies geschieht noch mal von Überflutung bedrohte Inselgegenden besucht, um seiner Erlebnisgier zu fröhnen, weil sie/er es sich halt leisten kann, verdient keinen Respekt. Es stimmt, damit vertrete ich selbst eine konservative Ansicht und bin von einer protestantischen Ethik geprägt, die ich glücklicherweise verlassen und erweitert habe. Aber wenigstens stehe ich damit für eine Ethik ein. Dass ist nicht die Heuchelei, wie sie zum Beispiel von bürgerlichen Gläubigen immer wieder an den Tag gelegt wird, was Kirchgemeinden häufig auch so widerlich macht.

Ein ethisches Denken und Handeln besteht darin, in seinem Umfeld eine Kohärenz zwischen den eigenen Werten und dem eigenen Verhalten herzustellen. Da haben die beiden Urlauber*innen noch genauso zu lernen, wie der bescheuerte Banker, Makler, Arzt oder Anwalt, der schamlos seinen bonzigen Lebensstil führt und sich trotzdem moralisch erhaben fühlt, weil er mal etwas gespendet hat. Was er von der Steuer absetzen konnte.

Ethisches Handeln bedeutet im Kontext eines ernstzunehmenden Aktivismus, die eigene Klassenposition aufzugeben und das, von Herrschaft geprägte Bewusstsein und Begehren grundlegend zu verändern. Es bedeutet, sich mit anderen Kämpfenden zusammenzuschließen und widerständige Gemeinschaften zu bilden. Eine Trennung zwischen Privatsphäre und Aktivismus einzuziehen, ist völlig absurd, wenn man in der Lage ist und die Ambition entwickelt, das eigene Leben in einen höheren Kontext zu stellen. Wir brauchen mehr überzeugte Militante, statt Bürger*innen, die Aktivismus als Erlebniskultur betreiben und dabei in der Doppelmoral verharren, von der sie geprägt sind.

Dass wirklich allen Menschen, die darauf Lust haben, im libertären Sozialismus einzwei Fernreisen im Leben machen können und dafür auch die Zeit haben, sollte selbstverständlich sein und ließe sich auch nicht ökologisch zerstörerisch realisieren.