Schon im Kindergarten gehörte ich zu denjenigen, die sich lieber stundenlang selbst mit Bauklötzern beschäftigten, als schreiend im Rudel durch die Gegend zu rennen. Meine spätere exzessive Logophase ging dann mit Zeichnungen über allerlei stadtplanerischen Projekten einher. Ich erinnere mich an die Zeichnung von einer Gemeinde, die in sich autark sein sollte – mit aufgelisteten Aufgaben, Tätigkeitsfeldern und Institutionen, die ich mit etwa zwölf Jahren angefertigt habe. Meine Oma sagte spöttisch dazu: Das ist ja wie im Kommunismus! Sie hatte nicht ganz unrecht, aber der Vergleich zum Frühsozialisten Charles Fourier wäre angemessener gewesen – immerhin war ich vor allem auf das Entwerfen überschaubarer Kommunen aus und nicht auf Terraformingprojekte, die komplette Seen austrockneten etc..
Meine megalomanischen Züge waren wiederum nicht so ausgeprägt wie bei Fourier bzw. wurden sie frühzeitig zusammengestutzt. Ehrlicherweise muss ich aber auch zugegeben, dass mir schlichtweg die Ressourcen und die Macht fehlen, um gigantische Großprojekte anzuleiern. Und ich wurde auch kein Architekt, wie mir im Alter von vier prophezeit worden war. Nun ja, um mit Ü-30 dann noch am Anarchismus festzuhalten, dazu gehört zugegeben schon die Fähigkeit, sich einiges vorstellen zu können, was der Realität widerspricht und sie in Frage stellt. Doch wie beim Surrealismus, handelt es sich beim utopischen Denken ja keineswegs um etwas „unrealistisches“, sondern Vorstellungen, welche sich aus der wahrgenommenen Welt ableiten, sie darum auch „über-realistisch“ reflektieren.
Wie auch immer, ein gewisses – aber äußerst gebrochenes Faible – für futuristische Großprojekte ist mir erhalten geblieben. Aber durch eine Kritik am Fortschrittsverständnis, den für sie erforderlichen Ungleichheiten und nicht zu letzt der patriarchalen Hybris, die Welt nach den eigenen Vorstellungen zu formen, handelt es sich lediglich noch um Fragmente.
Um dies besser einordnen zu können, scheint ein Blick auf die kapitalistische Konkurrenz sinnvoll. Projekte, die von Superreichen vorgeschlagen werden, damit versuchen den Trend der Zeit zu folgen und zukünftige Entwicklungen zu antizipieren, um langfristig wettbewerbsfähig sein zu können.
Da gibt es beispielsweise das Seasteading Institute ( https://www.seasteading.org) in welchem ultra-kapitalistische Bonzen-Kinder davon träumen, schwimmende Städte für Reiche zu errichten. Diese würden sich dann außerhalb nationalstaatlicher Hoheitsgewässer befinden, sodass die globale Oberklasse wunderbar ihre Steuern hinterziehen und ihr Leben genießen könnte. Während das Festland verbrannt und verseucht ist, bewundert man so wie schön und luxuriös das Leben auf dem Meer sein kann. Das eine oder andere Kriegsschiff privater Söldnertruppen darf zum Schutz dieser wundersamen Eilande natürlich nicht fehlen.
Erst vor Kurzem stellte der saudi-arabische Prinz Mohammed bin Salman das Gigaprojekt „Neom“ vor, eine Terraformingprojekt im Nordosten des Wüsten- und Ölstaates. Die Stadt „The Line“ (https://www.neom.com) soll dabei über 40 Kilometer vom Meer bis in die Berge gegraben werden und verschiedene Untereinheiten mit einer U-Bahn verbinden. Unterhalb der Erde spielt sich überhaupt die ganze Reproduktion des smartcity-Lebens ab, wo Bedienstete für die Oberschicht die Waren hin und herschleppen, sodass man mit diesen lästigen Aktivitäten an der begrünten Oberfläche nicht belästigt wird. Die einzelnen Stadtteile sind dann so untergliedert, dass man Schulen, Ärzte, Büros usw. bequem per Fuß erreichen kann und keine Autos innerhalb der linienförmigen Hightech-Stadt notwendig sind. Touristisch lässt sich das Öko-Bonzen-Projekt natürlich auch gut verkaufen. Daneben soll jedoch auch ein Teil der Sharia ausgesetzt werden, sodass anzunehmen ist, das Königreich strebt zur Modernisierung an, seiner Elite nun auch offiziell einen lockereren Lebenswandel zu ermöglichen, als dem Rest der Bevölkerung, welche unter der religiös-fundamentalistischen Fuchtel weiterhin darben wird. Wie es eben solche Großprojekte an sich haben, wurde schon einmal mindestens ein lokaler Bauer, dessen Familie seit Generationen in der Gegend lebt, öffentlichkeitswirksam erschossen, weil er zu Widerstand gegen die Umsiedlung aufrief. Doch davon wird die globale Elite, welche sich dort ganzjähig zur Entspannung versammelt sicherlich nichts erfahren.
Als Drittes noch ein Ding, was mir persönlich gut gefällt – wenn es denn nicht so verdammt kapitalistisch laufen würde. Der „Manta-Katamaran“ der Firma Sea Cleaners (https://www.theseacleaners.org) die sich zu dem Zweck gegründet hat, technische Lösung für die gesellschaftliche Herrschaft über die Natur zu finden. Ihre Ausbeutung steht auf der einen Seite, doch darum geht es hier nicht. Was der Eroberer zurücklässt ist schließlich verbrannte Erde – in diesem Fall: vermülltes Meer. Mindestens 17t Plastikmüll werden pro Minute in die Meere geschwemmt. Das sind 9-12 Millionen Tonnen jährlich. Die durch Ökofans und Unternehmen finanzierte und betriebene Hightech-Boote sollen vor allem in Küstengewässern unterwegs sein und mit tatsächlich recht innovativen Technologien Plastikmüll aufsammeln, recyceln und umweltfreundlich verbrennen, sodass der Energiebedarf der Schiffe durch seine Aktivität deckt. Das klingt nett.
Wenn es stimmt, dass jeder dieser Schiffe jährlich 10.000 Tonnen Plastik recyclen würde, dann bräuchte es bei einer Neuvermüllung der Meere (bei angenommenen 10 Mio. t jährlicher Verschmutzung) nur 1000 solcher Schiffe, um bei Null rauszukommen – und somit an der Produktionsweise und ihren Folgen nichts grundlegend ändern zu müssen. Das klingt eigentlich machbar. Hypothetisch angenommen, Plastik würde sich nicht in Mikroplastik unter 1 mm Größe zersetzen und könnte nachträglich weiter aufgesammelt werden. So würden nur 1000 weitere Katamarane in nur 10 Jahren das Plastik der letzten 10 Jahre eingesammelt haben.
Okay, zugegeben, jetzt bin ich etwas durcheinander gekommen. Aber ein Anfang zur Renaturierung des Planeten wäre gemacht. Technische Lösungen werden diese nicht lösen, sondern nur die Aufhebung staatlich-kapitalistischer Herrschaft und ein anderes gesellschaftliches Naturverhältnis. Und dennoch ist die Renaturierung der Erde eine wesentliche Aufgabe, für welche auch im libertären Sozialismus Lösungen gefunden werden müssen.