Es rumort gewaltig in der Linkspartei – und diesmal wirklich und nicht nur medial durch politische gegnerische Medien herbei geschrieben. Anhaltende Umfragewerte unterhalb der 5%-Hürde stellen die Existenz der Linken in der Rolle, welche sie in der letzten Dekade eingenommen hat in Frage. Tatsächlich handelte es sich dabei immer um ein fragiles Zweckbündnis aus fünf oder mehr Strömungen, dessen Widersprüche durch ein Stammklientel mit einem gewissen politischen Auftrieb, gekittet werden konnten. Parteipolitik interessiert mich nicht besonders. Zugegeben, ich beschäftige mich gar nicht mit ihr, kenne nicht einmal die wichtigsten Führungspersonen. Als politischer Theoretiker kann mir trotzdem nicht völlig gleich sein, was da geschieht, denn ob es mir passt oder nicht, beeinflusst dies auch die Rahmenbedingungen, in denen Anarchist*innen handeln.
Für die Erneuerung einer glaubhaften sozialistischen Partei gälte es sich vor allem aus der Wagenknechtschaft zu befreien. Sie steht für linke Politik, die reaktionär wird – nationalistisch, rassistisch, sozialchauvistisch. Der Populismus ist das Geringste, was ich daran kritisieren würde, da ich der Ansicht bin, auch emanzipatorische Perspektiven lassen sich popularisieren. Das Netzwerk Progressive Linkeerklärt sich jedenfalls für einen anderen Politikstil, nämlich jenem eines inklusiven „breiten Bündnisses“, in welchem Differenzen anerkannt und verhandelt werden und sich auf die Erkämpfung einer lebenswerten Zukunft für alle bezogen wird. Die reaktionäre Linke steht dagegen für einen „nationalpopulistischen“ Ausgrenzungskurs, welcher die Angst zur Grundlage des eigenen Machtstrebens macht.
Selbst stehe ich für andere Positionen und politische Praktiken ein, als sie progressive, inklusive Linke vertreten. Doch auch für Anarchist*innen gilt es meiner Ansicht nach so viel Pragmatismus an den Tag zu legen, mit wenigen Zusammenhängen, die ihnen (ethisch, ideologisch, ideengeschichtlich) nahe stehe im Gespräch zu bleiben und solidarisch zu sein, wo sich Schnittpunkte ergeben. Interessanter sind dabei freilich nicht politische Kreise, sondern marginalisierte Gemeinschaften als solche: prekäre, migrantisierte und patriarchal unterdrückte Milieus, die das transnationale Proletariat schon immer bildeten.