Kritik des radical chic

Lesedauer: < 1 Minute

Ein „Rebellenlied“ von Erich Mühsam, vertont von Slime, die ihm mit dem Video einen ironischen Unterton geben. Immerhin kann durchaus danach gefragt werden, was aus der einen und dem anderen Großstadt- oder Kleinstadtrebell*in im Laufe der Jahre geworden ist. Eine problematische Entwicklung ist die zunehmende Verwendung radikaler Rhetoriken bei gleichzeitig oft schon selbstverständlichem Appell an die bestehenden politischen Institutionen und Machthabenden. Autonome Perspektiven als gelebte Gegenentwürfe und die Erfahrungen in experimentellen, selbstverwalteten Räume scheinen immer seltener zu werden. „Selbstorganisation“ wird dagegen individualistisch in Arbeitsformen gesucht, die Kreativität, Flexibilität und Mobilität versprechen und somit darauf verpflichten – freilich ohne das Leistungsprinzip in Frage zu stellen. Als vermeintliche Selbstbestimmung hingegen gilt beispielsweise der massentaugliche Individualtourismus der Backpacker*innen weltweit. Umgekehrt jedoch stimmt ebenso: Wirkliche Rebellion lässt sich nicht vorrangig am Kleidungs- oder Lebensstil festmachen und kann durchaus auch einen Coolness-Faktor aufweisen (womit keine Nazis in Nadelstreifen gemeint sind). Die Frage lautet also: Ab wann degeneriert der radical style einer Szene zu einem bloßen radical chic. Wo bleibt er – trotz politisch erwünschter Sprachcodes und cleverem ästhetischem Ausdruck – lediglich an der Oberfläche, anstatt als Überzeugung tief zu gründen?