Wir bleiben Freund*innen jeder Kooperation! ¹ ³ ¹ ²

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Was soll man tun in diesem apokalyptischen Zeitalter? Hineingeboren in eine Welt, die kontinuierlich von der Spezies Mensch an den Rand der Überlebensfähigkeit getrieben wird, ist es nicht leicht voranzugehen. Die Aussicht damit dem eigenen Ende entgegen zu gehen erfüllt mich (noch) nicht mit Gleichgültigkeit. Zu sehr fühle ich mich allem was neben mir lebt und nach mir leben wird verbunden. Gerade darum schmerzt es ja, sich in dieser zerstörerischen Herrschaftszeit zu befinden.

Doch immerhin, seit Jahren schon sage ich mir: Zumindest erlebe ich spannende Zeiten! Leider versagt mein Gedächtnis und so kann ich kaum mehr zuordnen, was an menschengemachten Katastrophen und Widerwärtigkeiten in den letzten Jahrzehnten begangen wurden. Dass der Zustand dieser vermeintlichen „Zivilisation“ in seiner ganzen Abgefucktheit offenkundig ist, schreien die Hähne seit geraumer Zeit von den Dächern.

Somit bleibt für mich heute wie vor einem Vierteljahrhundert das eigentliche Rätsel: Wie schaffen Menschen es unter diesen Bedingungen weiter zu machen? Wie kann ich weitermachen, einen Alltag führen und mir dabei gutwillig zureden, dass auch ich mir – trotz und angesichts der umfassenden Zerstörung des Lebens, der Ausbeutung, Unterdrückung und Erniedrigung von Menschen – ein gelingendes, gutes, reiches, schönes Leben gönnen sollte. Ja, selbstverständlich bedeutet das für mich nicht Yolo, Instagram, Hipsterhype, Karriereleiter, kapitalistischer Konsum und spektakuläres Erlebenis, sondern Kampf, Schlichtheit, Mühsal, Langeweile, bisweilen gute Gespräche und ab und an berührende Begegnungen.

Klar, man könnte und sollte eigentlich platzen, eigentlich alles Herrschaftsförmige in Stücke schlagen, abfackeln, zerkratzen, zerhacken, zerreißen, sprengen. Das wäre verständlich. Das wäre angemessen. Stattdessen erzähle ich den Leuten was vom libertären Sozialismus und sie blicken kauend wie Ochsen; rede was von Anarchie und sie zucken stumm die Achseln wie Tauben und flattern faul davon. Naja, ich denke halt es ist mein Beitrag dazu. Und auch ein bisschen: „Was soll ich sonst machen“?

Gern würde ich sagen: „Geb der Menschheit noch so tausend Jahre, bis ihr die soziale Revolution glückt, wie sie Anarchist*innen vorschwebt…“ und ich wäre absolut zufrieden mit meinen Tätigkeiten. Doch diese tausend Jahre haben wir nicht. Im Hier und Jetzt gilt es die Great Transformation voranzubringen! Fuck it! Scheiß auf die Herrschaftsordnung, wir bauen eine neue Gesellschaft auf! „Wir ham nichts zu verlieren, als unsere Angst, es ist uns’re Zukunft, ist unser Land“!

Also was, was, was? Weitermachen, was sonst? In der Hoffnung darauf, dass die Köpfe der Bonzen rollen – also ich meine natürlich, dass sie mit ihren Augen rollen, vor lauter Überraschung, wie ihr Eigentum unter ihrem Arsch vergesellschaftet wird! Den Bullenstaat – brauchen wir nicht mehr! Wozu auch? Können unsere Angelegenheiten ganz gut selbst klären. Krieg? Können die Ex-Herr*innen zur Belustigung in kleinen Privatveranstaltungen inszenieren, wenn ihnen Fußball und Ballerspiele nicht genug sind. Ich hätte keinen Grund mehr, mir die Birne platt zu machen in dieser wunderbaren Zukunft. Warum auch, hätte ja anderes vor und warum katern, wenn es nichts Negatives zu verdrängen gibt. Let Solidarity, Equality and Freedom ring! Darum:

Wir bleiben Freund*innen jeder Kooperation ¹ ³ ¹ ²

¹ die Satire in diesen Zeilen

³ ausgenommen Bullen und Bosse, Faschisten und andere Menschenfeinde

¹korrespondiert mit der Ernsthaftigkeit des Anliegens

² es besteht kein Rechtsanspruch

Material zum Vortrag bei Fireshonks

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Leider findet auch dieses Jahr kein CCC statt, aber trotzdem gibt es einige Beiträge aus der Hacker-Szene, z.B. bei https://events.haecksen.org/fireshonks/ und https://events.ccc.de. Mein eigener Vortrag zu „Strömungen, Kontroversen und Paradoxien im Anarchismus“ wird dann auch bei media.ccc.de zur Verfügung gestellt. Unten findet ihr bereits die Folien dazu. Danke für die Gelegenheit und gern ein nächstes Mal wieder. Falls jemand aufgrund des Beitrags auf meinen Blog stößt: Scheut euch nicht, mir eine Email zu schreiben, wenn ihr Fragen habt oder auch einfach so Kontakt zu mir aufnehmen wollt.

Beschreibung: Der Anarchismus ist in sich äußerst plural. So gibt es neben anarchistischen Individualismus, Kommunismus und Syndikalismus noch weitere Strömungen und Traditionen in ihm. Weiterhin bestehen unter Anarchist*innen teilweise sehr unterschiedliche Ansichten darüber, wie Selbst- und Gesellschaftsveränderung im Zusammenhang stehen, wann Gewaltanwendung legitim ist, wie mit Entfremdung umgegangen werden kann und was Natur und Technik eigentlich sind. Außerdem finden sich im anarchistischen Denken zahlreiche Paradoxien. Sie kommen beispielsweise in den Konzepten von Zwischenraum, direkte Aktion, konkrete Utopie oder soziale Revolution zum Ausdruck. Thema des Vortrags ist, wie diese unglaubliche Vielfalt erklärt und in einen Zusammenhang gebracht werden kann.

24 Ziele

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… Ziele und Mittel miteinander abzugleichen und in ein →gutes Verhältnis zu bringen, ist ein großes Thema im Anarchismus. Im Sinne des →präfigurativen Handelns sollen die gewählten Mitteln bereits den Zielen entsprechen, welche angestrebt werden. Ist das Fern-Ziel eine egalitäre, freiheitliche, vielfältige Gesellschaftsform, so gilt Mittel zu wählen und Organisation zu schaffen, welche diesen Werten entsprechen. Dennoch leben wir unter Bedingungen, welche wir uns nicht ausgesucht haben. Da es unter einer →Herrschaftsordnung keine absolute Übereinstimmung zwischen Mitteln und Zielen geben kann, gilt es in →Widersprüchen zu handeln und beides kontinuierlich zu vermitteln. Weder sollen die Mittel zu Selbstzwecken werden, noch sollen die Ziele oder Zwecke, die Mittel „heiligen“, also rechtfertigen. Dies führt zu einem →paradoxen, aber potenziell produktiven Handeln. Beispielsweise lässt sich mit →Gewalt keine gewaltfreie Gesellschaft erreichen. Ohne aber ebenfalls nicht. Häufig vergessen wird, dass auch Ziele nicht feststehend sind, sondern immer verhandelt und auch verändert werden müssen. Wer behauptet, die Ziele stünden bereits fest, also z.B., dass es „die“ →libertär-sozialistische Gesellschaftsform zu erkämpfen und aufzubauen gälte, steht in der Gefahr, die Debatte zu umgehen, was dies genau heißt und wie es erreicht werden soll. Dies ist aber notwendig, einerseits, um Menschen für die Ziele des eigenen Projektes zu überzeugen und andererseits, weil sich Ziele auf dem Weg zu ihnen auch verändern können.

Ein mittelfristiges Ziel meinerseits ist zum Beispiel, dieses Advents-Glossar weiter zu ergänzen und gegebenenfalls auch fortwährend zu überarbeiten. Vielleicht taugt dafür die Adventszeit im nächsten Jahr. Vielleicht muss ich mein Ziel aber auch verändern oder anpassen 🙂

23 X, Tag

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… als „Tag X“ wird häufig eine Vereinbarung über einen →Aktionstag verstanden, an welchem ein revolutionärer Plan durchgeführt werden soll. Diese Vorstellung stammt vermutlich aus Kreisen radikaler Republikaner*innen wie →Auguste Blanqui, welche sich in Geheimgesellschaften organisierten, mit der Vorstellung, dass sie „die Revolution“ zu einem bestimmten Zeitpunkt „machen“ können. Derartige Verschwörungen waren lange Zeit der Schrecken der herrschenden Klassen, weswegen sie →Verschwörungsmythologien erfanden um in der Bevölkerung Angst vor politischen Gegner*innen zu streuen, von den eigenen korrupten Machenschaften abzulenken und die Aufmerksamkeit stattdessen auf Minderheiten, wie insbesondere die Jüd*innen, zu lenken. Das Konzept des Tag X wurde von →Reaktionären adaptiert, einerseits um Militärputsche durchzuführen, andererseits um →faschistische Untergrundgruppen zu koordinieren. Dennoch braucht es auch von anarchistischer Seite bestimmte Vereinbarungen über Aktionstage beziehungsweise die Drohung mit ihnen, um ernst genommen zu werden.

22 Wille

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… ist erforderlich, um Passivität, →Ohnmacht und →Konsumhaltung zu durchbrechen und zu aktiven, selbstbestimmten und selbstbewussten Handeln zu gelangen. Immer wieder erlangen Anarchist*innen in der Vergangenheit dem Trugschluss, dass es vor allem feste Überzeugungen und Tatendrang bräuchte, um soziale Kämpfe zu führen. Dabei vernachlässigten sie teilweise die →materiellen Bedingungen unter denen →Subjekte einen spezifischen Willen entwickeln können als auch die Tatsache, dass der Wille anderer häufig nicht dem eigenen entspricht. Anarchist*innen wurde „Voluntarismus“ vorgeworfen von anderen →Sozialist*innen, welche ihre Anhänger*innen in Passivität halten wollten, um ihre eigenen →Führungsansprüche durchzusetzen. Umgekehrt findet keine gesellschaftliche und soziale Veränderung statt, ohne dass Menschen einen Willen zu entwickeln, etwas zu tun und zu gestalten. Daher gilt es über die Bedingungen zu reflektieren, unter denen Menschen etwas wollen. Ebenso wichtig ist aber, darüber nachzudenken, was sie wollen, da unsere →Wünsche und Begehren durch die bestehende Gesellschaftsform geprägt sind. Der Wille ist damit zugleich Produkt der bestehenden Gesellschaftsform, wie der jeweiligen Sozialisation, weist aber potenziell auch über diese hinaus.

21 Vielfalt

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… kann neben →sozialer Freiheit, →Gleichheit und →Solidarität als ethischer Wert im Anarchismus begriffen werden. Die libertär-sozialistische Gesellschaftsform, welche Anarchist*innen anstreben soll Menschen mit verschiedensten →Seinsweisen, →Lebensstilen und Organisationsformen Raum geben, sodass sie ohne Angst verschieden sein können. Es ist nicht die Verschiedenheit von Menschen, welche zu →Konflikten führt, sondern die Herrschaft, welche Unterschiede nutzt, um Gruppen gegeneinander auszuspielen. Deswegen ist die anarchistische Vielfalt auch etwas anderes als der →neoliberale Multikulturalismus, in welchem Minderheiten konstruiert werden, um sie von der Anerkennung und dem Schutz des Staates abhängig zu machen. Im Sinne des →präfigurativen Handelns gilt es deswegen schon unter den bestehenden Bedingungen Menschen vielfältig sein zu lassen, Organisationsformen zu finden, welche Vielfalt zulassen und fördern, während sie zugleich Gemeinsames schaffen. Vielfalt und Gemeinsamkeit schließen sich nicht aus, können aber nur in der Anerkennung und dem Verstehen der Differenzen von autonomen Menschen und Gruppen realisiert werden.

20 Utopie

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… sind im Sinne von →Gustav Landauer verschiedene Konzepte, Traditionen, →Lebensformen und →Sehnsüchte, welche in der Gegenwart unterschwellig vorhanden, aber nicht dominant sind. Im Prozess der →Revolution verdichten sich utopische Element, motivieren und inspirieren zur Veränderung, bis sich eine neue Ordnung etabliert. In dieser sind die zuvor vorhandenen utopischen Elemente zu dem Grad verwirklicht, wie sie durchgesetzt werden und von einem größeren Teil der Leute angenommen werden konnten. Neutral betrachtet bestehen gleichzeitig Utopien unterschiedlichster politisch-weltanschaulicher Projekte nebeneinander her, deren Anhänger*innen dafür →subkulturelle Ausdrucksformen finden und versuchen, sie weiter zu pflegen. So gibt es etwa auch faschistische Utopien. Dennoch ist das utopische Denken mit dem →Sozialismus in besonderer Weise verbunden, weil sie auf die bewusste und aktive Gestaltbarkeit der Gesellschaft hinweist. Für diese braucht es bestimmte Anregungen. Anarchist*innen hängen keinen abstrakten Utopien an, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass diese entweder nicht wirklich an der gesellschaftlichen →Realität anknüpfen und deswegen eine absurde Gedankenspielerei bleiben. Oder sie werden auf totalitäre Weise durchgesetzt und erzwungen, weil Revolutionär*innen der Ansicht sind, besser zu wissen, was für andere gut ist und wie sie leben, arbeiten und sein sollten. Dagegen wird der Begriff der konkreten Utopien angeführt, welche eher Verweise auf potenziell Mögliches darstellen, aber für diejenigen, welche in ihnen teilweise leben, auch eine konkrete Lebensrealität darstellen.

19 Theorie

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… ist die Praxis systematisch und mit der Hilfe verschiedener →intellektueller Werkzeuge über →Erfahrungen, Ereignisse zu reflektieren und sie in größeren Zusammenhänge zu verstehen. Potenziell sind alle Menschen dazu in der Lage, theoretisch zu denken. Dafür brauchen sie Zeit, Zugänge zu →emanzipatorischer Bildung und Inspiration von →Expert*innen für das Thema, mit welchem sie sich beschäftigen. Anarchismus kann als →ethische Lebensweise, eine Form, →soziale Bewegungen zu organisieren, aber auch als politische Theorie begriffen werden. →Anarchismus ist die einzige politische Theorie, in welcher angenommen wird, dass es erstrebenswert und prinzipiell möglich ist, eine Gesellschaft ohne →Herrschaft zu organisieren. Eine theoretische Beschäftigung mit dem Anarchismus bedeutet zum Beispiel, Grundbegriffe so zu definieren, dass mit ihr die vorhandene Praxis zutreffend beschrieben wird, sodass über sie reflektiert und sie weitergegeben werden kann. Dies ist erforderlich, um bewusst und kontinuierlich zu handeln und das Miteinander aktiv zu gestalten.

18 Solidarität

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… ist neben →sozialer Freiheit und Gleichheit einer der sozialistischen Grundwerte. Solidarisch sind Menschen und Gruppen, wenn sie die Kämpfe anders positionierter Personen und Gruppen unterstützen, weil sie trotz ihrer Unterschiede Gemeinsamkeiten in den Zielen sehen und die zwischen ihnen vorhandene Distanz überwinden möchten. Solidarität kann sich praktisch in Weitergabe von Ressourcen und in alltäglicher Unterstützung bestehen. Sie kann auch darin zum Ausdruck kommen, dass Menschen marginalisierten Gruppen Gehör verschaffen und sich für deren Themen einsetzen. Oder sie äußert sich in Angriffen auf Institutionen, welche an der Ausbeutung und Unterdrückung bestimmter Gruppen beteiligt sind. Die Erfahrung von Solidarität schafft eine besondere Form von Zusammenhalt, die es aber auch zu hinterfragen gilt, wenn daraus Abhängigkeitsbeziehungen oder eine problematische Exklusivität entstehen. Solidarität kann nicht von kapitalistischen Staaten geschaffen werden, welche daran streben Menschen zu individualisieren und Gruppen gegeneinander auszuspielen, um sie beherrschen und regulieren zu können.