KANTINE KROPOTKIN?

Lesedauer: 3 Minuten

Eine Anregung für das Kantine Festival in Chemnitz vom 01.-07. August.

Die Veranstaltungen des Zeitplans sind noch mal unten gelistet bzw. können ganz unten als pdf heruntergeladen und vergrößert werden.

KANTINE KROPOTKIN – Eine Anregung

Eine KANTINE KROPOTKIN – Kann es so etwas geben? Worin besteht eigentlich die anarchistische Theorie? Inwiefern kann für Pjotr Kropotkins Denken und seiner Person der gleiche Stellenwert angenommen werden, wie etwa für Marx, Luxemburg, Benjamin, de Pizan oder Gramsci? Und warum fokussieren wir uns überhaupt auf die großen Namen sozialistischer Denker*innen statt einen kollektiven, sozialgeschichtlichen Ansatz zu verfolgen?

Im Zeitplan auf der Vorderseite habe ich dargestellt, dass anarchistische Tradition, Praxis und Theorie durchaus breit und tiefgehend diskutiert werden könnte. Und dies auch im Kontext von intellektuell interessierten Linken, wie sie beim Kantine Festival zusammenkommen. Wenn du darüber nachdenken würdest, wer die ganzen Vorträge mit Kropotkin als Rahmen halten soll, fallen dir vermutlich kaum Personen ein. Und wenn du recherchieren, stößt du im deutschsprachigen Raum meistens auf ältere, verschrobene Männer, die einzuladen zwar okay, aber nicht besonders attraktiv für ein zeitgemäßes Theorie-Festival wäre.

Damit könnten wir sagen: So ist es eben, der Anarchismus war und ist in der BRD zu marginal, als dass sich eine ausgiebige theoretische Beschäftigung mit seinen Themen und Perspektiven lohnt. Doch dies ist nur ein Teil der Wahrheit. Emanzipatorische Linke sollten sich auch die Frage stellen, wo sie hinschauen, um historische und theoretische Inspiration zu finden. So stimmt es leider damals wie heute, dass anarchistische Ansätze kaum recherchiert, ausgearbeitet und upgedatet werden.

Dies ist bedauerlich, denn mit und in ihnen gibt es einiges Wertvolle zu entdecken, womit sich auch das theoretische Denken zeitgenössischer emanzipatorischer Linker erweitern lässt. Selbstverständlich würde mit einer anarchistischen Position auch jene sozialistische Ansätzen angeschaut, welche jenseits kommunistischer Parteien und marxistischer Avantgarden zu verorten sind. Eine zeitgemäße intellektuelle Beschäftigung sollte endlich die politische Theorie sozialer Bewegungen in den Blick nehmen und ihr gerecht werden. Die KANTINE KROPOTKIN wäre damit ein Angebot zu konstruktivem und solidarischem Streit, der zumeist umgangen wird, wo verschiedene sozialistische Lager als per se von einander getrennt angenommen werden.

Mit diesem Beitrag habe ich keine einfache Lösung parat. Damit wollte ich lediglich einen Anstoß geben, wo wir hinschauen, wenn wir uns auf „große Namen“ fokussieren und ein doch etwas abgehobenes intellektuelles Festival besuchen – auch wenn die intensive theoretische Beschäftigung legitim für sich genommen ist.

Wenn du Interesse und Lust hast, mehr über anarchistisches Denken und anarchistische Theorie zu erfahren, eine Veranstaltungsreihe in dieser Richtung zu organisieren oder dir gar eine KANTINE KROPOTKIN vorstellen kannst, schreib mir gern unter: xxx.

ZEITPLAN

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Prinzipienreiter*innen mit Selbstbestätigungsfilm

Lesedauer: 23 Minuten

Eine Soligruppe für Gefangene hat HIER kürzlich mehrere Texte von Malatesta wieder veröffentlicht. Vermutlich, um sich vor allem zu versichern, dass sie sich gegen ach so jegliche Herrschaft positionieren. Tatsächlich kann ich der Argumentation Malatestas weitgehend zustimmen. Umso bedauerlicher, dass die Soligruppe sie ahistorisch handhabt und sich nicht bereit zeigt, ihren Gehalt zu kontextualisieren und auf die heutige Situation zu übertragen. Objektiv lässt sich durchaus sagen, dass der Krieg in der Ukraine – oder der in Syrien oder wo auch immer – nicht im Interesse des Großteils der Bevölkerung ist, sondern durch rivalisierende kapitalistische Staaten und andere autoritäre Akteure geführt wird. Anarchistisches Ziel muss es sein, dass der gegenwärtige Krieg beendet wird. Anarchistisches Ziel muss es aber eben auch sein, zu verhindern, dass Russland die Herrschaft über die Ukraine oder größere Teile von ihr erlangt, denn dies vermindert die Spielräume für soziale Kämpfe und den Grad sozialer Freiheiten und Rechte, welche die Ausgangsbedingung für etwaige zukünftige Verbesserungen – aufs Ganze gesehen, für die soziale Revolution – sind.

Die Einleitung, also das knappe Statement der Soligruppe strotzt vor romantischen Phrasen wie etwa: „Gegen die Kriege des Kapitalismus hilft nur Klassenkrieg, sozialer Krieg, Insurrektion/Aufstand und soziale Revolution. Wir haben kein Vaterland, wir sind Parias, wir werden keine eigene noch fremde herrschende Klasse verteidigen, es gilt sie alle anzugreifen und zu zerstören“. Liebe Genoss*innen ich glaube euch ja, das ihr das glaubt. Ich meine nur, dass fair wäre, dieses hochtönende Bekenntnis mit Inhalt zu unterfüttern und sich – statt sich vorrangig selbst zu versichern und in seinem Sektendasein wohlzufühlen – mit den Realitäten der russischen Invasion und des Regimes in Russland auseinander zu setzen. Dies schließt selbstverständlich dessen Stützung durch Exportabhängigkeiten, Handelsbeziehungen, geostrategische Bedrohung, die raubtierkapitalistische Ausbeutung in den 90er Jahren, die Duldung von groben Menschenrechtsverletzungen durch westeuropäische Regierungen ein.

Besonders ärgerlich ist, dass im Statement mit groben Verdrehungen und Unterstellungen gearbeitet wird. Dies verwundert nicht, denn wo grundsätzlich nicht die Bereitschaft besteht, die eigenen Dogmen zu überdenken, verfallen ihre Verfechter in Stresssituationen eben in die Ultra-Orthodoxie. Genoss*innen, die auf die eine oder andere Weise in der Ukraine gegen die russische Invasion kämpfen zu unterstützen, ist nicht das gleiche, wie den ukrainischen Staat zu unterstützen. Zumindest dem Anspruch nach auf die Selbstorganisation und die Einmischung von Anarchist*innen im Krieg zu setzen, ist nicht das gleiche, wie eine Beteiligung am Krieg zu rechtfertigen. Mit dem Herzen bei ihnen zu sein bedeutet nicht, einem höchst problematischen Militarismus und Waffenfetischismus zu verfallen. Diese Position schließt auch nicht aus, Rheinmetall zu entwaffnen und die Aufstockung des Rüstungsbudget um 100 Mrd. zu kritisieren.

Was übrig bleibt sind moralisierende Todschlagargumente, die den pseudo-religiösen Charakter der Autor*innen offenbaren. Von „Verräter*innen“, „Konterrevolution“, „Reaktion“, „Reformismus“ und „Schande“ wird da herum posaunt. Mit diesem Bauchgefühls-Geblubber werden dann jene Genoss*innen diffamiert, welche sich differenzierter mit der Situation in Russland und der Ukraine auseinandersetzen. Dabei mutet es albern an, dass die Autor*innen über kaum eine Vorstellung von „Revolution“ zu verfügen scheinen. Dies nämlich würde bedeuten, sich einmischen und aktuelle Entwicklungen mitgestalten zu wollen – in Solidarität mit jenen, die sich für die Potenziale und Spielräume freiheitlicher gesellschaftlicher Transformation engagieren.

Wer dies nicht begreift und anerkennen möchte, verachtet Menschenleben für die eigene Prinzipientreue. Wenn das „anarchistisch“ sein soll, dann gute Nacht! Eure Denkweise (inklusive den Versatzstücken leninistischer Imperialismustheorie) kommt dem Bolschewismus näher als dem Anarchismus!

Es folgen zur Dokumentation die historischen Texte zum Thema…

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Anmerkungen zu „Feindbild Individualismus“

Lesedauer: 6 Minuten

Gerade erschien auf indymedia ein Text mit dem Titel „Feindbild Individualismus“. Ich freue mich, wenn Menschen Positionen formulieren und mit diesen bestimmte Fragen durchdenken. Es ist schwierig, wenn dies völlig entkoppelt von der Lebensrealität geschieht und nur eine philosophische Gedankenspielerei bleibt. Doch ich gehe davon aus, dass die Autor*in des Textes durchaus von ihren eigenen Erfahrungen ausgeht – und sie* verfolgt ja offensichtlich auch ein Anliegen damit.

Das Ganze Thema zum Spannungsfeld von Individualismus und Kollektivismus möchte ich an dieser Stelle nicht noch mal aufmachen. HIER habe ich einen theoretischen Text dazu geschrieben, in welchem verschiedene anarchistische Positionen einbezogen und gegeneinander abgewogen werden. Ich habe mich entschieden, auf den Text „Feindbild Individualismus“ zu verweisen, auch wenn ich die in ihm vertretenen Positionen nicht teile. Denn ich finde es wichtig, verschiedene Standpunkte abzubilden, um eine Diskussion darüber zu ermöglichen. Und die vertretene Perspektive ist zweifellos eine anarchistische, auch wenn ich eine andere habe und sie auch kritisieren würde.

Wenn ich danach gehe, sind meine eigenen Positionen durchaus keine individual-anarchistischen. Ich vertrete aber auch keinen Anarcho-Kommunismus wie die Plattform oder eine syndikalistische Position hinsichtlich der Frage des Spannungsfeldes von Einzelnen und Gemeinschaften. Nun ja, sicherlich muss ich mir auch kein Label geben, denn wie im Text geschrieben wird, handelt es sich bei pauschalen Zuschreibungen oder auch Selbstbezeichungen um ein Verkennen der Komplexität von Individualität und oftmals das Aufdrücken und Annehmen von abstrakten Kategorien, in denen wir nicht aufgehen können – und nicht sollten.

Leider sind die Argumente, die ich vorbringen kann alle schon in früheren Beiträgen formuliert worden. Deswegen will ich an dieser Stelle nur einige Anmerkungen zum Text machen und verwende dafür Stichpunkte:

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Tiefrote Gruppen auf dem Vormarsch – Was tun?

Lesedauer: 3 Minuten

Es ist echt irre, mehr als 30 Jahre nach dem Untergang der DDR und der Eingliederung ihres Gebiets den kapitalistischen Staat der BRD, halten gewisse Leute erstere immer noch für das bessere Deutschland, als das es auch damals dargestellt wurde. Was heißt immer noch? Eher „wieder“ müsste man sagen, denn neben den wegsterbenden ganz alten Nostalgikern trat eine Generation von Nachgeborenen auf, welche in einer konservativ-kommunistischen Sehnsucht die bessere Vergangenheit und das gescheiterte, vermeintliche Aufbruchsprojekt affirmiert.

Dass Staatlichkeit selbst das Problem ist, davon wissen diese Kommunist*innen wenig oder kaschieren dies mit ideologischen Phrasen weg. Überhaupt strengt die hermetische Abgeschlossenheit ihrer Ideologie ziemlich an. Sie sind die ultra-orthodoxen, welche glauben, gegen jeden „Revisionismus“ vorgehen zu müssen, weil sie eben keine eigenen Inhalte aufzuweisen haben, außer pseudo-revolutionäre politische Phrasen. Seit geraumer Zeit sind die K-Gruppen wieder auf dem Vormarsch, seien sie maoistisch, stalinistisch oder trotzkistisch. Parteien wie die „marxistisch-leninistische“ MLPD davon mal ausgenommen an dieser Stelle, weil diese Sekte schon länger krampfhaft als Treppenwitz der Geschichte fungieren will.

Die neue Stärke autoritär-kommunistischer Gruppierungen ist selbstredend nur relativ zu sehen, nämlich in Bezug auf die ohnehin schwache linke Szene mit ihren sehr unterschiedlichen Facetten. Wahrgenommen werden kann sie dennoch. Tiefrote, hierarchische Gruppen haben Zulauf und das wird zum Problem für links-emanzipatorische Akteur*innen, weil die Autoritären erstens sinnlose, aber kaum zu umgehende Grabenkämpfe provozieren, weil sie zweitens das Bild vom „Linkssein“ allgemein prägen und damit Fremdscham verursachen (was mich nicht aus persönlichen, sondern aus strategischen Gründen interessiert) und weil sie sich drittens in unseren Räumen breit machen und potenziell emanzipatorisch gesinnte Leute mit ihrer Scharlatanerie verwirren.

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Klimacamp Leipziger Land (19.78. – 03.08.)

Lesedauer: 2 Minuten

Es dürfte ja den meisten Menschen völlig klar sein, dass es eine sozial-ökologische Revolution braucht, um die menschengemachte Klimaerwärmung und der damit einhergehende + darüber hinausgehende Ökozid abzumildern. Dies wäre die Grundlage für eine konviviale Lebensweise und Gesellschaftsform, welche nicht auf der rücksichtslosen und systematischen Vernichtung allen irdischen Lebens beruht.

Stattdessen wird die Auto-kratie aufrecht erhalten und ähnlich ressourcenintensive marktförmige Alternativen wie E-Autos ins Spiel gebracht. Seit dem jüngsten Krieg werden wieder Fracking und Atomenergienutzung diskutiert, während sich eine Klassen-Auseinandersetzung darum dreht, inwiefern Privathaushalte oder die Industrie auf Einschränkungen in der Gasversorgung einstellen müssen. Und statt vom idiotischen Massentourismus, der Business-Mobilität und unwirtschaftlichen globalen Produktionsketten wegzukommen werden weiterhin Flughäfen ausgebaut – Und das im Jahr 2022, während Wälder brennen und gerodet werden, Seen austrocknen, Meeresleben und Insekten sterben, toxistischer Müll verklappt wird, Gletscher und Polareis schmelzen…

Bürgerliche Medien beschwören dabei vorsichtshalber das Bild einer „grünen RAF“ herauf, wenn sich weiße Mittelschichtskids, welche meinen die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, für die Lebensmittelrettung auf Straßen festkleben. So etwas wäre quasi „Gewalt“ – weswegen dann auch in linken Medien einige Autor*innen abgehoben über die Legitimität und Strategie von Militanz schwadronieren, während sie kaum Bezug zur realen sozialen Bewegung haben und einfach mal hinschauen, was da so passiert.

Die Klimagerechtigkeitsbewegung braucht zweifellos neue Impulse. Zwar findet in Hamburg auch wieder eine Aktion von Ende Gelände statt, doch der drive, den Fridays for Future brachte ist erst mal ausgebremst. Ihre Aktiven sind freitags in die Schulen zurückgekehrt, haben sich von Parteien oder NGOs einfangen lassen oder betätigen sich in radikaleren Strömungen emanzipatorischer sozialer Bewegungen. Letzteres sieht man dann aber nicht so direkt, wie irgendwelche Heinis, die behaupten „Die letzte Generation“ zu sein und „einen Plan“ zu haben.

Die Graswurzelbewegung gegen Ökozid und für die sozial-ökologische Revolution zur konvivialen Gesellschaftsform geht dennoch weiter! Nieder mit dem fossilen Kapitalismus und der totalitären Verwertungslogik, auf welcher er beruht!

Warum Anarchist*innen endlich von der Fiktion einer „befreiten Gesellschaft“ wegkommen müssen

Lesedauer: 4 Minuten

Der Aufruf zu einer anarchistischen Demo schließt mit der Aufforderung dazu, eine „befreite Gesellschaft“ nicht zu erträumen, sondern zu erkämpfen. Dazu sollen „radikale Politik in die breite Gesellschaft“ getragen und autonome Strukturen organisiert werden. Leicht lassen sich derartige Aussagen als billige Phrasendrescherei abtun. Besitzbürger*innen dämonisieren den Radikalismus der entsprechenden Gruppierungen, wohl wissend, dass diejenigen, die für derartige Positionen eintreten keineswegs die autonome Macht haben, um ernsthaft an der Verteilung von Eigentum oder politischer Macht zu rütteln. So dient ihre Verurteilung linksradikaler Phrasen letztendlich zur Verschleierung der Gewalt mit dem sie ihre eigenen Privilegien angeeignet haben und aufrecht erhalten.

Aus anarchistischer Perspektive sind Appelle, eine „befreite Gesellschaft“ einzurichten hingegen ernstzunehmen. Immerhin steckt dahinter überhaupt noch die Vorstellung, dass eine „andere Welt möglich“ ist und es in der Macht einer selbstorganisierten, kämpfenden Bewegung ist, diese entgegen der bestehenden Herrschaftsordnung zu verwirklichen. Damit ist die Phrase von der „befreiten Gesellschaft“ als Projektion eigener Sehnsüchte zu verstehen, die als solche aus dem Leiden unter den herrschaftlichen Verhältnissen der Gegenwart hervorgeht. Ohne diesen Motivation wird es kaum möglich, über das Bestehenden hinaus zu denken, also einer sozial-revolutionär, statt einer reformerische Herangehensweise nachzugehen.

Doch der fiktionale Charakter der sogenannten „befreiten Gesellschaft“ ist offensichtlich. Mit ihr wird ein endgültiger Zustand der Erlösung suggeriert, welcher nach einer fulminanten Endschlacht quasi von selbst hereinbrechen würde. Zur Selbstvergewisserung zogen Marxist*innen, welche die theoretische Figur der „befreiten Gesellschaft“ erfanden und bedienten, vermeintliche Gesetzmäßigkeiten der historischen sozioökonomischen Entwicklung heran, welche eindimensional nach einem teleologischen Geschichtsverständnis verlaufen würde. Statt der Behauptung „es rettet uns kein höheres Wesen“, wurde radikal-humanistisch (und eurozentristisch) die Weiterentwicklung der modernen Menschheit als metaphysische Orientierung eingesetzt. Im Übrigen wurde damit auch das moderne Weltverständnis auf die Vergangenheit zurück projiziert, was verlangte zu behaupten, dass vorherige oder außereuropäische Gesellschaftsformen fundamental anders gewesen wären. (Ja, das waren und sind sie auch – nur eben nicht in der Konstruktion ihrer Andersartigkeit durch die globale hegemoniale Elite.)

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Die Leerstelle füllen: Eine anarchistische Theorie-Zeitschrift gründen

Lesedauer: 4 Minuten

An vielem fehlt es uns in der Überflussgesellschaft des allgemeinen Mangels. Wenn ich etwas kurzsichtig herangehe bzw. dort, wo ich eben stehe, dann wünsche ich mir vor allem auch eine Zeitschrift in welcher anarchistische Theorie abgebildet, vermittelt, diskutiert und also gemeinsam weiterentwickelt wird. Selbstverständlich gilt es zu reflektieren, dass ich dies aus eigenem Interesse schreibe, weil ich mich in einem solchen Projekt mit meinen Fähigkeiten und meiner Leidenschaft sinnvoll fühlen würde. Wenn ich das so zugebe, dann um bei allen Theorie-Personen anzuregen, dass sie darüber reflektieren sollten, warum sie sich auf diese Weise mit Themen beschäftigen und welche Rollen sie darin unbewusst oder auch gezielt einnehmen bzw. einnehmen wollen.

Mit anderen Worten sollte eine Zeitschrift für anarchistische Theorie kein Selbstzweck werden. Es kann Freude machen, interessant und anregend sein, sich – zum Beispiel in Textform, in Veranstaltungen oder Radio-Sendungen – inhaltlich und theoretisch auszudrücken und auszutauschen. Das ist auch völlig legitim. Wenn ich mir vorstelle, eine schön designte und gesetzte, inhaltlich fundierte, aber dennoch zugängliche Zeitschrift zu produzieren, die vierteljährlich in einer Auflage von 2000-10000 Exemplaren erscheint, in der echte Debatten stattfinden und verschiedene Autor*innen in einen Austausch mit ihren Lesenden kommen, löst dies bei mir Gefühle der positiven Spannung und anschließenden Zufriedenheit aus. Dieser Gedanken teased mich. Ich würde nicht sagen, dass er mich in einem sexuellen Sinne geil macht, aber das kommt auf die Definition von Sexualität an. Diesem Bedürfnis nachzugehen und es potenziell mit einigen Menschen zu teilen, kann eine tolle Sache sein. Meiner Vorstellung nach bedeutet ein anarchistischer Anspruch aber, mit allen Praktiken und Organisationen bestimmte Absichten zu verfolgen. Das träfe damit auch auf eine Theorie-Zeitschrift zu, wenn sie kein Selbstzweck sein soll.

Unter anderem bestünde die Absicht darin, geteilte Begriffe zu finden, um die Herrschaftsordnung zu begreifen, verborgene und unterdrückte Alternativen zu ihr herauszuarbeiten, widerständige Praktiken zu thematisieren und zu befördern, soziale Bewegungen emanzipatorisch, radikal und sozial-revolutionär auszurichten, konkret-utopische Überlegungen anzustellen, Anarchist*innen mit intellektuellen Fähigkeiten zu vernetzen und linke Intellektuelle* von anarchistischen Ansätzen zu überzeugen.

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