Zur Frage der Gewalt im frühen Anarchismus

Lesedauer: 60 Minuten

Jonathan Eibisch

Zur Frage der Gewalt im frühen Anarchismus

Ein Abriss anhand der Vorstellungen Michail Bakunins und Pjotr Kropotkins

Am Ausgangspunkt dieser Arbeit stand die Verunglimpfung des Anarchismus‘ der angeblich Gewalt per se befürworten würde oder/und in seiner Konsequenz zu ihr führen würde. Dass schon der frühe Anarchismus maßgeblich auf einer Kritik an der Gewalt aller Herrschaftsverhältnisse – insbesondere des Staates – beruhte, sollte damit totgeschwiegen werden. Was blieb wäre eine Rechtfertigung der staatlichen Gewalt und des bestehenden politischen Systems um jeden Preis. Diese Gedankenfigur ist ein wesentliches Element fast jeder politik-theoretischer Überlegungen. Dem entgegen entstand die vorliegende Abhandlung mit dem Anliegen, im Rahmen der politischen Ideengeschichte eine seltene staatskritische Perspektive einzunehmen. Dem Professor fiel dabei gar nicht das Grundproblem der von ihm gestellten Pseudo-Frage, wie und warum Anarchist*innen Gewalt legitimieren auf: Um diese überhaupt beantworten zu können, brauchte es eine Beschäftigung mit dem Verständnis von und den Überlegungen zu Gewalt bei den frühen Anarchist*innen…
In der Broschüre werden grundlegende Vorstellungen zu Gewalt und anarchistische Grundbegriffe dargestellt, um diese erfassen und beschreiben zu können. Dazu dient die Beschäftigung vor allem mit Bakunin und Kropotkin als bedeutende frühe Theoretiker des Anarchismus‘. Weil ‚Gewalt‘ aber stets mit Herrschaft verknüpft ist und einhergeht, stellt ihre Thematisierung gleichzeitig einen Einstieg in das anarchistische Denken insgesamt dar. In diesem Sinne ist diese Schrift eher als leichter Einstieg zu verstehen, anstatt das sie grundlegend neue Erkenntnisse zu Tage fördert. Dennoch stellt die fortwährende Beschäftigung mit grundlegenden Gedanken einen wichtigen Beitrag dar, damit Handelnde in sozial-revolutionären Bewegungen ein Bewusstsein über sich selbst erlangen und diese in unseren reaktionären Zeiten weiterentwickeln können.

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Zur Aktualität von Charles Fourier – Spätaufklärer und Frühsozialist

Lesedauer: 21 Minuten

zuerst veröffentlicht in: Paradox-A / März 2014

von Jonathan Eibisch

I Eine Entdeckung, welche die Welt verändern würde

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Als großherziger, nachdenklicher und sehnsüchtiger Mensch beschäftigen Sie sich Jahre ihres Lebens damit, ein Rezept für einen Verjüngungstrank zu finden. Auch wenn Sie nie Chemie studiert haben, experimentieren Sie privat mit verschiedensten Zutaten und Verfahren, weil sie der brennende Wunsch nicht los lässt, die Formel diesen Tranks zu finden, welcher ewige Jugend bescheren würde. Es geht Ihnen dabei gar nicht um sich selbst, sondern um die ganze Menschheit, welche davon augenscheinlich profitieren würde. Oder: Sie arbeiten an der Erfindung einer Zeitmaschine, wenngleich sie nie Physik studiert haben. Sicherlich, Sie haben über verschiedene Theorien dazu gelesen und sich verschiedene technische Fähigkeiten angeeignet. So sitzen Sie also in einer Garage und schrauben an diesem monströsen technischen Apparat herum, mit der festen Überzeugung, kurz vorm technischen Durchbruch zu sein, welcher das Leben der ganzen Menschheit, quasi die komplette existente Welt vollständig verändern würde.

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Zur Hausbesetzung in Jena 2013

Lesedauer: 7 Minuten

Originaltitel: Darstellung und Interpretation der Hausbesetzung am 06.12.2013 in der Neugasse 17 in Jena

zuerst veröffentlicht in: Lirabelle #5 / Juni 2014

von Jens Störfried

In diesen Zeiten emanzipatorisch zu überleben ist schwer genug. Dies fällt noch mal schwerer, ist eine_r im Knast und wir daher alle Gefangene sind.[1] Trotz allem Mensch zu sein ist eine schier unendliche Herausforderung, welche für ihre Bewältigung nur durch die Auseinandersetzung in den und gegen die herrschenden Verhältnisse geschehen kann. Das radikale Abarbeiten an den kleinen und großen widersprüchlichen und widerlichen Alltäglichkeiten ist jener konkrete Prozess, welcher das Ziel einer befreiten Gesellschaft stets neu wieder ins Bewusstsein ruft und unsere eigene Orientierung darauf hin zu lenken vermag. Wenn (Anti)Politik sich in diesem Sinne nicht einer Begründung, jedoch einer vollständigen Rechtfertigung entzieht, da sie dem subjektiven Bedürfnis des eigenen menschlichen Überlebens entspringt, braucht es keine (moralischen) Urteile darüber, wer welche Beiträge leistet und wie qualifiziert sie im Detail sind. Wir haben die Wahrheit nicht gepachtet, machen uns aber auf den Weg, verdrängte Wahrheiten ans Licht zu bringen.

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Immer (nur) neue soziale Bewegungen oder Senfkorn-Revolution?

Lesedauer: 44 Minuten

Der Revolutions-Begriff David Graebers

zuerst veröffentlicht in: Paradox-A /Aug. 2014

von Jonathan Eibisch [nicht überarbeitet]

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
2 Die Bedingungen der (revolutionären) Zeit
– Herrschaft – Kapitalismus – Neoliberalismus – Widerstand –
3 Fluchtbewegungen zur anderen Gesellschaft als Leitbilder der sozialen Revolution
– (basis)demokratisch – antikapitalistisch – herrschaftsfrei –
4 Von Aktivisten, Unterdrückten und potenziellem Aufbegehren – die Konstitution des revolutionären Subjektes
– Aktivistinnenszene – Unterdrückte – potenziell alle –
5 Zur revolutionären Praxis
– Aufbau von Alternativkulturen – Organisation sozialer Bewegungen – politische Auseinandersetzung und revolutionäre Aktion – Neues im Alten –
6 Grundlagen eines Revolutionsbegriffes mit den Annahmen Graebers
Literatur- und Quellenverzeichnis

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„THIS is Propaganda – Yeah! Yeah! Yeah!“*

Lesedauer: 7 Minuten

*So lautete die Aufschrift eines selbstironisches Plakats bei einer einer Hausbesetzung am 1. und 2. Juli in Jena, die Jens Störfried im Folgenden illustriert und interpretiert.

zuerst veröffentlicht in: Lirabelle #6 / Sept. 2014

von Jens Störfried

Mein Artikel in der letzten Lirabelle endete mit den Worten, das Intervention im Sinne eines kollektiven und widersprüchlichen Bewusstseinsbildungsprozess organisiert werden soll. Seit dem Erscheinen jenes Artikels, aber auch nach der letzten Besetzung ein halbes Jahr zuvor, am 6. Dezember 2013, haben sich die Prozesse weiterentwickelt und mündeten eben in jenem zweiten Versuch am ersten Juli. Inwiefern diese Aktion als gelungen betrachtet werden kann oder nicht, was ihre Erfolge waren und wo sie hinter ihren Ansprüchen zurück blieb, ob der organisatorische Aufwand in angemessenem Verhältnis zu den Zielen stand, und ob es ihr gelang auf der vorherigen Besetzung aufzubauen und diese weiterzuentwickeln – all dies sind Fragen, die es zu diskutieren gilt. Es sind Fragen, die nun diskutiert werden können und zwar nicht im abstrakten luftleeren theoretischen Raum, sondern anhand geschaffener Tatsachen, welche nicht damit vergehen, dass die Besetzer_innen nach 23 Stunden – diesmal zumindest juristisch korrekt – von Schlägern in Uniform geräumt wurden.

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Moderner Sozialbandit oder politischer Aktivist?

Lesedauer: 70 Minuten

Eine Untersuchung der Autobiographie Lucio Urtubias anhand Eric Hobsbawms Konzeption von Sozialbanditen

zuerst veröffentlicht in: Paradox-A / Apr. 2015

von Jonathan Eibisch

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
2 Sozialrebellen und Sozialbanditen nach Eric Hobsbawm
2.1 Der Entstehungshintergrund des Forschungsgebietes und Hobsbawms Vorgehensweise
2.2 Zur Charakterisierung von Sozialrebellen und Sozialbanditen
2.3 Die Entwicklung eines Schemas der Sozialbanditen
2.3.1 Die Dimension sozialer Positionierung
2.3.2 Die sozialstrukturelle und sozialpsychologische Dimension
2.3.3 Die politisch-weltanschauliche Dimension
2.4 Exkurs zu den ‚Exproriatoren‘
3 Zur Arbeit mit der Autobiographie „Lucio Urtubia. Baustelle Revolution“
3.1 Zur wissenschaftlichen Arbeit mit (Auto-)Biographien
3.2 Darstellung und Einordnung der Autobiographie Lucio Urtubias
4 Analyse der Autobiographie Lucio Urtubias nach dem Schema Eric Hobsbawms
4.1 Ein Arbeiter und politischer Aktivist mit vielfältigen Beziehungen
4.2 Von der aktiven Armut zum individualistischen Aktivismus
4.3 Anarchistische Moral, rationalisierte Rebellion und klandestine Organisation
4.4 Die individuelle Enteignung als Taktik revolutionärer Kleingruppen
5 Fazit
Literaturverzeichnis

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